„Wir haben den Bezug zu unseren Lebensmitteln verloren“, sagt Sophia-Antonia Bir. Sie veranstaltet am 7. Juli den 2. Regionalmarkt in Medebach.
Medebach. Unter dem Motto „Gutes aus der Region“ läuft am Sonntag, 7. Juli, von 10 bis 17 Uhr zum zweiten Mal ein Markt für regionale Spezialitäten auf dem Gut Glindfeld bei Medebach. Marktorganisatorinnen sind Ulrike von der Helm-Heller und ihre Tochter, die Gutsbesitzerin Dr. Sophia-Antonia Bir. Mit ihr sprachen wir über die Bedeutung regionaler Lebensmittel und ihre Motivation, so einen Markt zu veranstalten.
Wie sind Sie zum Gut Glindfeld gekommen und wie ist die Idee geboren, auf dem Gutsgelände einen regionalen Markt zu veranstalten?
S ophia-Antonia Bir : Das Gut ist seit dem Jahr 1924 im Besitz der Familie Heller. Die Idee, hier einen regionalen Markt zu veranstalten, rührt zum einen daher, dass die von meiner Mutter seit 10 Jahren veranstalteten Novemberträume ein so großer Erfolg sind, dass wir immer gebeten wurden, doch noch eine weitere Veranstaltung hier in Glindfeld zu organisieren. Zum anderen beschäftige ich mich aufgrund meiner eigenen Wildvermarktungsaktivitäten seit einiger Zeit verstärkt mit dem Thema Lebensmittel und insbesondere Lebensmittelqualität.
Die Region hat so viele wirklich gute kleine Manufakturen, die mit viel Herzblut und Leidenschaft Lebensmittel erzeugen, die die Lebensqualität eines jeden Einzelnen steigern können. Aus dieser Erkenntnis entstand - an einem der vielen langen Abende mit meiner Mutter und meinem Vater, der trotz seines hohen Alters unseren verrückten Ideen stets zugewandt ist und mich unterstützt - am Glindfelder Küchentisch die Idee für den Regionalmarkt.
Warum glauben Sie, dass es wichtig ist, sich auf regionale Produkte zu besinnen?
Heutzutage ist aus meiner Sicht die gesunde Ernährung der größte Luxus. Den Deutschen ist es nicht unbedingt eigen, einen Großteil ihres Einkommens für gute Lebensmittel auszugeben, aber diese Einstellung unterliegt einem Wandel. Die Menschen möchten zunehmend wissen, woher die Lebensmittel kommen, die man zu den Mahlzeiten auf dem Teller hat und es ist umso leichter nachvollziehbar, je näher der Erzeuger am Esstisch sitzt. Es ist daher aktuell und in Zukunft hoffentlich noch mehr die Zeit der regionalen Produkte.
Mehr als 20 regionale Anbieter kommen zu Ihnen. War es schwierig, die Aussteller von Ihrer Idee zu begeistern?
Sagen wir, es war eine kleine Herausforderung. Im Prinzip fühl man sich wie bei jeder Kaltakquise, man stählt sich, spricht sich selbst Mut zu, ist unglaublich überzeugt von der eigenen Idee und dann greift man zum Telefonhörer und los geht es. Man lernt unheimlich viele nette Menschen kennen und genau das ist es, was an der ganzen Organisation besonders viel Spaß macht. Und am Ende eines Telefonats waren die meisten auch begeistert von der Idee und bereit mitzumachen.
Sie selbst beschäftigen sich mit Wildspezialitäten. Nun denkt der Laie, so einen Rehbraten isst man mal im Herbst. Was kann man aus Wild ganzjährig alles machen?
Oh ja, dieser Irrtum ist es, den ich aus den Köpfen zu vertreiben versuche: Wild isst man im Winter mit schwerer Sauce und Klößen. Ehrlich gesagt, ist das völlig falsch. Wild schmeckt z.B. auch in Sojasauce eingelegt und im Wok gebraten, an heißen Tagen kann man nicht nur Wildbratwürstchen, sondern auch Stücke aus der Keule und dem Rücken wunderbar auf den Grill legen und eigentlich kann man damit alles machen, was man sich vorstellen kann. Und: Es gibt ja nicht nur den Braten, den Rücken und die Teile, aus denen Gulasch gemacht wird. Wir versuchen, hier immer so viel wie möglich zu verwerten und probieren jedes Mal etwas Neues aus: Aktuell kann ich Wildschweinbäckchen empfehlen, ein absoluter Geheimtipp. Auch bei der Herstellung veredelter Produkte wie z.B. Salami, Schinken, Pasteten etc. sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Das Motto lautet „Trau’ Dich“. Wild ist naturbelassenes und sehr fettarmes Fleisch - eigentlich sollte jeder, der seinem Körper etwas Gutes tun möchte, Wild auf seinen Speiseplan nehmen.
Sie sind beruflich oft in China unterwegs: Vergleichen Sie doch bitte einmal die Ess- bzw. Einkaufsgewohnheiten zwischen dem Reich der Mitte und uns Europäern.
Öffnungszeiten des Marktes
Der „Markt für regionale Spezialitäten“ hat am 7. Juli von 10 bis 17 Uhr auf Gut Glindfeld geöffnet. 21 Aussteller sind dabei. Es gibt z.B. Sauerländer Bauernkäse, selbstgemacht Marmeladen und Brotaufstriche, Blumen, Pflanzen, Gewürze und Tees sowie Kaffeepezialitäten und Wein.
Dr. Sophia-Antonia Bir ist 35 Jahre alt und von Beruf Unternehmerin. Sie ist verheiratet, singt gerne, fährt gerne Ski und geht zur Jagd. Ihr Lieblingsbuch: Die Entdeckung des Himmels
Die Küche in China ist - allein schon wegen der schieren Größe des Landes - wesentlich vielfältiger als bei uns. Für die Chinesen ist das Essen und damit auch der zugehörige Einkauf der zentrale Dreh- und Angelpunkt im Tagesablauf. Ohne Essen zu bestimmten Zeiten und vor allem auch immer reichlich und gut, geht in China kein Geschäft voran. Das erkennt man auch schon in der Sprache, anstelle von „Wie geht es Dir?“ hört man in China oft „Ni chi le ma?“, was übersetzt „Hast Du gegessen?“ bedeutet. In China bestellt nicht jeder seinen eigenen Teller, auf dessen Leerung man sich dann konzentriert und den anderen beschreibt, wie gut oder schlecht es schmeckt. Man bestellt für den gesamten Tisch und teilt, so können alle ein Gesamtgeschmackserlebnis zelebrieren, was ich persönlich immer viel netter finde, als die engen Tellergrenzen der Deutschen.
Warum, glauben Sie, wächst bei den Verbrauchern mehr und mehr eine Sensibilität und Wertschätzung für Essen?
Wir haben den Bezug zu unseren Nahrungsmitteln verloren. Eine ganze Zeit lang und auch heute noch steht der Aspekt „günstig und viel“ oft im Vordergrund. Die Menschen hat nicht interessiert, wo die Nahrungsmittel überhaupt herkommen und ob diese gesund sind. Noch immer machen sich viel zu wenig Menschen Gedanken darüber, aber es ist festzustellen, dass man sich mehr und mehr darauf zurückbesinnt, was früher normal war. Man isst saisonale Lebensmittel in der Saison aus der Region und nicht das ganze Jahr über von woher auch immer. Dies ermöglicht einem zu erfahren, wie ein richtig gereiftes Produkt schmeckt und man lernt zu schätzen, dass man nach der Saison mit Vorfreude auf die nächste Saison wartet. Das Bewusstsein, dass wir nur eine Gesundheit haben, die wir nicht leichtsinnig beeinträchtigen sollten und dass es nur diese eine Welt gibt, die uns alle nachhaltig ernähren muss, lässt aus meiner Sicht die Sensibilität und Wertschätzung für Lebensmittel wachsen.
Neben den Novemberträumen im Herbst gibt es nun auch den Regionalmarkt und man kann inzwischen auch heiraten auf dem Gut. Was sind Ihre weiteren Pläne?
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Pläne gibt es viele, man muss nur etwas Geduld walten lassen, damit man sich nicht überschlägt. Ich möchte gerne ein Mal pro Woche samstags einen Hofladen öffnen, in dem man unsere Wildprodukte, aber wahrscheinlich auch sonstiges Gutes aus dem Sauerland erwerben kann. Die Frühaufsteher bekommen einen Frühaufsteherkaffee und einmal im Monat wird es während der Öffnungszeiten etwas Besonderes geben, wie z.B. einen Wildburger. Neben standesamtlichen Trauungen, Hochzeits- und sonstigen Feiern stehen die Räumlichkeiten auch für Seminare und Tagungen zur Verfügung. Im April 2020 planen wir als Pendant zu den Novemberträumen einen Frühlingsmarkt, bei dem nicht nur regionale Lebensmittel, sondern auch Keramik, Pflanzen und vieles mehr angeboten werden.