Obermarsberg. . Bambi braucht Hilfe: In Marsberg hat sich ein Verein gegründet, der Rehkitze vor dem Mähwerk retten möchte - in Absprache mit Jägern und Bauern.

Riesige Kulleraugen, schwarze Nase, rot-braunes Fell mit weißen Tarnflecken und noch wackelig auf den staksigen Beinen: Rehkitze haben Hochsaison. Doch nicht alle schaffen es vom Baby zum erwachsenen Tier. Die Deutsche Wildtierstiftung hat hochgerechnet, dass bundesweit jährlich 100.000 Kitze beim Mähen der Wiesen zu Tode kommen. In Marsberg wurde daher ein Verein gegründet. Die „Kitzretter-Marsberg“ wollen ihren Beitrag dazu leisten, diese Todesrate zu minimieren.

Von einer Idee infiziert

Etwas mehr Bambi-Effekt für alle

Der Ansatz ist gut: Engagierte Tierfreunde schlagen sich auf die Seite der Schwachen und machen sich für sie stark. Sie brauchen dafür keinen Buhmann, stellen keinen Landwirt und keinen Jagdpächter an den Pranger. Sie drängen sich nicht auf, sondern bieten ihre Hilfe an: Machen statt meckern, handeln statt heulen.

Hier wollen Menschen ihre Freizeit opfern und sich ehrenamtlich in den Dienst des Tierschutzes stellen. Das verdient höchsten Respekt und Anerkennung.

In vielen Bereichen vor unserer Haustür kann der Mensch der Natur auf die Sprünge helfen. Eine Hecke stehen lassen, damit Vögel brüten können. Gräser wachsen lassen, damit Insekten Nahrung finden. Oder Frösche über die Straße tragen, sind nur Beispiele. Zugegeben: ein Spatz, eine Wespe oder eine Kröte sind weniger niedlich als ein Rehkitz, aber auch sie haben unsere Hilfe verdient. Etwas mehr „Bambi“-Beschützerinstinkt für alles, was kreucht und fleucht, würde uns guttun. Thomas Winterberg

Andrea Köhne hat sich von einer Idee anstecken lassen. „Ich war vergangenes Jahr mit einer Freundin und den Kitzrettern Waldeck-Frankenberg unterwegs. Die Arbeit hat mir Spaß gemacht und ich finde es sinnvoll, einen Beitrag zur Rettung der Tiere zu leisten“, sagt die 48-Jährige. Sie arbeitet als Trainerin für Pferde und Menschen und lebt auf einem idyllischen Hof in Obermarsberg. Dort trafen sich acht Gleichgesinnte - sieben müssen es mindestens sein – um den Verein ins Leben zu rufen. Der Antrag auf Gemeinnützigkeit liegt beim Finanzamt; danach gehen die Unterlagen zum Notar und dann kann der e.V. bald durchstarten.

Auf Spenden angewiesen

Constanze Schöttler ist da schon einen Schritt weiter. Sie steht im Landkreis Waldeck-Frankenberg den „Kitzrettern“ vor. Der Verein wurde 2016 gegründet und hat bereits viele Unterstützer. „Wir brauchten vor allem Spenden, um zunächst einmal die technische Ausrüstung anzuschaffen“, sagt Schöttler. Das sind zahlreiche sogenannte Vergrämer, die ein blaues Licht und einen Signalton entsenden, der die Rehe stört und im günstigsten Fall veranlasst, das Kitz aus der betreffenden Wiese zu führen. Außerdem gibt es eine Drohne mit Wärmebildkamera. „So ein Vergrämer deckt drei Hektar Fläche ab. Allein wir haben im vergangenen Jahr 1600 Hektar Mahd begleitet und dadurch 800 Kitzen das Leben gerettet.“

Kontaktdaten

Wer den Verein finanziell unterstützen oder ihm beitreten möchte, wer Infos braucht oder die Hilfe in Anspruch nehmen möchte, wendet sich an kitzretter-marsberg@web.de oder unter 0176 38708983 an die Vorsitzende.

Dem weiteren Vorstand gehören Daniel Gensecke und Jana Mertins an.

Constanze Schöttler legt Wert auf die Feststellung, „dass wir keine Tierschutz-Fuzzis sind“. Und sie bricht eine Lanze für Landwirte und Jäger. „Die stehen vor einem Kampf gegen Windmühlen und können das alleine gar nicht schaffen; wir bieten unsere Hilfe an. Und wir arbeiten auch nur zusammen mit den Landwirten, die uns angefragt haben.“ Anfangs haben die Kitzretter mit Flatterband gearbeitet, das am Vorabend der Mahd an Pfosten über das Gelände verteilt wurde. Zum Teil wurden die Wiesen auch von den Helfern abgelaufen. Aber Vergrämer und Drohne scheinen effektiver zu sein. Wobei die Wärmebildkamera – temperaturbedingt - nur in den Morgen- oder Abendstunden optimal einsetzbar ist.

„Wir haben uns gerade erst gegründet und können daher im ersten Jahr noch nicht viel helfen. Bis wir hoffentlich genug Spenden bekommen haben, um Geräte anzuschaffen, wird die Mahd vorüber sein. Aber irgendwann muss man ja anfangen“, sagt Andrea Köhne. Die 48-Jährige und der Verein bieten aber jetzt schon Unterstützung an. „Es geht nur in gegenseitigem Einvernehmen. Landwirte und Jagdpächter kennen ihre Flächen; sie wissen, wo die Rehe ihre Kitze ablegen. Wir wollen nur Unterstützer sein, die in einer langen Kette eine Lücke schließen.“

Kein Mensch-Tier-Kontakt

Landwirte können die „Kitzretter-Marsberg“ gern kontaktieren. „Auf Dauer stellen wir uns vor, dass man sich lange vor der Ernte trifft, um das Gelände kennenzulernen. Und dann halt kurz vor dem Einsatz.“ Drohne und Vergrämer haben übrigens den Vorteil, dass die jungen Tiere nicht mit dem Menschen in Kontakt kommen. Denn das kann dazu führen, dass die Ricke das Kitz nicht mehr annimmt. Solang der Verein noch ohne technische Ausrüstung ist, wollen die Helfer aber bei Bedarf die Flächen abschreiten und die Tiere zur Not mit Handschuhen und jeder Menge Gras aus der Gefahrenzone tragen.

Hier finden Sie noch mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Altkreis Brilon.