Bigge. Gerhard Kieseheuer aus Bigge, Vorsitzender des Direktversicherungsgeschädigten e.V., setzt sich gegen Beitragspflicht für die Altersvorsorge ein.

Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten - das Thema geht seit Wochen durch die Politik und diesen Monat äußerte sich sogar die Bundeskanzlerin im Bundestag dazu. Dass es soweit kam, ist in vielen Teilen dem Engagement eines Biggers zu verdanken: Gerhard Kieseheuer ist seit knapp vier Jahren Bundesvorsitzender des Vereins Direktversicherungsgeschädigte e.V., kurz DVG.e.V. Obwohl keine Betriebsrenten, unterliegen auch die Direktversicherungen dieser Regelung.

Dass er einmal diesen Posten bekleidet, hätte Gerhard Kieseheuer vor zehn Jahren nicht gedacht. Er setzt sich für ein Anliegen, eine „große Ungerechtigkeit“, ein. Sie betrifft einmal ihn als Direktversicherten persönlich, insgesamt aber mehr als 6 Mio. Deutsche.

Vor allem Arbeitnehmer, die in den 80ern eine private Altersvorsorge aus eigener Tasche abgeschlossen haben, und die Betriebsrenten-Empfänger, sind die Leidtragenden einer Gesetzesregelung von 2004. Darüber wurden die Direktversicherten quasi im Nebensatz mit in den Topf der Zahler gebracht.

Was sie ausgezahlt bekommen, ist sei 2004 sozialversicherungspflichtig. Versicherte zahlen darauf 120 Monate lang Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil an Kranken- und Pflegeversicherung.

Der Hintergrund

Doch von vorne: Wir schrieben die 80er Jahre. Gerhard Kieseheuer hatte gerade seine Familie gegründet, das Haus war gebaut, alles lief gut. „Da fragt man sich, wie sieht es mit dem Alter aus“, so der heute 70-Jährige. In seiner Firma gab es keine betriebliche Altersvorsorge, er wollte selbst etwas tun und so riet ihm der Versicherungsberater zur Direktversicherung, eine Lebensversicherung, in die er fortan monatlich 200 DM einzahlte.

Vorsitzender Gerhard Kieseheuer auf dem Marienplatz in München.
Vorsitzender Gerhard Kieseheuer auf dem Marienplatz in München. © Verein DVG

„Nach 26 Jahren sollten mir dann ca. 155.000 DM, also rund 80.000 Euro ausgezahlt werden.“ Auch sollten auf das Geld, das direkt vom Bruttogehalt abgezogen wurde, nur zehn Prozent Lohnsteuer anfallen. Allerdings musste der Arbeitgeber Versicherungsnehmer sein. Bei Fälligkeit würde das Geld schließlich voll ausgezahlt.

Der eigene Fall

Der Arbeitgeber machte mit, Gerhard Kieseheuer schloss ab. Unter diesen Bedingungen. Er schluckte, dass durch Gesetzesänderungen schließlich doch bis zu 20 Prozent Lohnsteuer gezahlt werden mussten. Dieser Prozentsatz stieg über die Jahre. Er schluckte, „nachdem ich erst fast in Ohnmacht gefallen bin“, dass statt der versprochenen 79.000 Euro wegen der Zinsentwicklung am 1. April 2012 nur 55.000 Euro ausgezahlt werden sollten.

Aber er konnte nicht mehr schlucken, dass er nun auch noch 120 Monate lang jeden Monat je 86 Euro Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge - Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil - auf die Kapitalsumme anfallen sollten. „Ich habe 35.000 Euro eingezahlt, bekam 55.000 ausgezahlt und bezahle 10.000 Euro Sozialabgaben.

Bleibt ein Gewinn auf die Gesamtsumme von 287 Euro pro Jahr über all die Jahre!“ Und nicht nur das: Was ihm zwar weht tat, geht anderen womöglich an die Existenz: „Was ist mit den Alleinerziehenden, die sich Jahr für Jahr eine Summe für die private Rente vom Munde abgespart haben und nun viel weniger bekommen?“

Die Härtefälle

Gerhard Kieseheuers Verein sammelt diese Härtefälle, wie etwa die 64-jährige Frau aus Bremen, die mit zwei kleinen Kindern alleine schnell wieder Vollzeit arbeitete und auch noch für später vorsorgte - über eine Direktversicherung. „Ich fühle ich mich doppelt bestraft.

Zum einen, weil ich alles Mögliche dafür getan habe, bei Rentenantritt dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen und zum anderen, weil ich meinen Kindern aufgrund meiner Vollzeittätigkeit nicht die volle Aufmerksamkeit schenken konnte und mich noch dazu finanziell sehr einschränken musste. Gewinner sind hier doch nur die Krankenkassen!“, schreibt die Frau an den Verein.

Das Thema ist ganz oben in der Politik angekommen und es wird gestritten, schließlich gilt es, Milliarden zu finanzieren, selbst, wenn nur der Arbeitgeberanteil künftig nicht mehr gezahlt werden muss.

Die Politik

Obwohl beim CDU-Parteitag im Dezember von der Mehrzahl der Delegierten anders besprochen, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangene Woche durch eine Sprecherin mitteilen, diese Pläne seien nicht im Koalitionsvertrag vereinbart und daher nicht prioritär.

Ein Refinanzierungsinstrument für die Krankenkassen

Im Jahr 2003 hat der Deutsche Bundestag aufgrund der desolaten Finanzlage in der Gesetzlichen Krankenversicherung das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) beschlossen.

Durch dieses wurde unter anderem festgelegt, dass in der Auszahlungsphase auf Betriebsrenten der doppelte Beitrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) für die Kranken- und Pflegeversicherung veranschlagt wird - und für welche Versicherten dies gilt, seitdem werden auch die Direktversicherten mit in den Topf geworfen, ungerechterweise wie Direktversicherungsgeschädigte e.V. beklagt.

Durch diese Regelung sind perspektivisch gesehen bis zu 6 Millionen Personen nachträglich verpflichtet worden, deutlich mehr Abgaben auf Ihre Altersvorsorge zu zahlen.

Die Töpfe der Krankenversicherer sind jetzt voll, auch darum hat Bundesgesundheitsminister Spahn, einen Vorschlag eingebracht, welcher die Reduzierung der Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung auf den halben Beitragssatz vorsieht.

Dies, so Spahn soll mit 500 Mio. Euro jährlich aus Rücklagen der GKV und mit 2,5 Mia. Euro aus Steuermitteln finanziert werden.

Abgeordnete von Bund und Land hat Gerhard Kieseheuer über die Jahre immer wieder informiert. So auch Dirk Wiese, den SPD-Bundestagsabgeordneter für den HSK . Er ist enttäuscht: „Endlich waren wir jetzt soweit, dass etwas passieren soll und nun dies.“ Bei Nacht und Nebel habe es 2004 im Vermittlungsausschuss eine Einigung zum Thema gegeben. „Es war ein Fehler aus meiner Sicht.“

Gerhard Kiesheuer sei mit zu verdanken, dass das Thema nun so präsent sei. „Er hat sich für das Thema wirklich eingesetzt, Protest in vernünftiger Form organisiert und wirklich etwas bewegt. Die Leute sind ja auch zu Recht sauer.“

Patrick Sensburg, CDU-Bundestagsabgeordneter für den HSK, betont indes:„Ich setze mich schon seit langem für eine Entlastung der Betriebsrentner ein.“ Er ergänzt: „Zuerst müssen aber die im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte finanziert werden.“ Hierfür würden die Spielräume laut SPD-Finanzminister Olaf Scholz immer kleiner.

„Wenn die SPD dann aber noch weitere Gelder ausgeben möchte, wie etwa für die Einführung eines Bürgergelds, wird es für die Betriebsrentner schwierig“, schließt er.

Und was sagt DVG-Vorsitzendes Gerhard Kieseheuer dazu? „Ich komme mir ein bisschen vor, wie ein Wanderer zum Himalaya. Wir haben jetzt ein Etappenziel, vielleicht die Basis-Station, erreicht. Und dann geht’s weiter.“

Zum Beispiel indem auf oberster Ebene noch ein Urteil fällt. Der Verein mit inzwischen 2100 Mitgliedern wird wohl noch lange weiterbestehen und hat inzwischen eine Rechtsvertretung, die Klagen für Mitglieder einreicht.

Gerhard Kieseheuer aber hört im April auf - und schickt einen Nachfolger auf die nächste Etappe.

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