Siedlinghausen. . Familie Schmidt aus Siedlinghausen ist begeistert von ihrem Elektroauto, das mit Solarstrom fährt. Probleme sieht sie höchstens auf Langstrecken.
Fehlende Lademöglichkeiten, unterschiedliche Systeme, lange Ladestopps – von einer echten Odyssee berichtete kürzlich E-Auto-Fahrer Franz-Josef Oberließen in der WP. Auf der Fahrt von Hamburg nach Brilon war ihm der Spaß an seinem Elektroauto ziemlich vergangen. Es gibt aber auch eine ganz andere Sicht. Ein begeisterter E-Autofahrer erzählt.
In Siedlinghausen, am Tisch von Arnold und Hildegard Schmidt, löste der Bericht Erstaunen aus. „Wir fahren seit einem halben Jahr E-Auto und sind total zufrieden“, sagt Arnold Schmidt. Dabei ist der Plan zur Umrüstung eher als Nebenprodukt entstanden: 2018 sollte eine Solaranlage aufs Dach. Die versorgt das Haus und seine drei Bewohner mit Energie.
Es gab Zeiten, da konnten Solaranlagenbesitzer überschüssige Energie mit gutem Gewinn ins öffentliche Netz einspeisen. „Aber die Einspeisevergütung für unsere recht neue Anlage liegt nur bei 11,7 Cent pro Kilowattstunde“, sagt der 67-Jährige. Da lohne sich das kaum. Die beste Alternative: Möglichst viel von der Sonnenenergie selbst nutzen. So kam ein E-Auto ins Spiel. Seit einem halben Jahr steht der Mercedes vor der Tür.
Planung ist essenziell
Negative Erfahrungen haben sie seitdem nicht gemacht. Aber, so räumen sie ein: „Man muss sich damit beschäftigen und intensiver planen als gewohnt.“
Für den technikaffinen Rentner kein Problem. Im Umkreis von 48 Kilometern um Winterberg zeigt ihm sein Smartphone 161 Ladestationen an, davon 52 kostenlose. Weil unterschiedliche Betreiber dahinterstehen, hat Schmidt fünf verschiedene Apps installiert. So, sagt er, könne er ziemlich sicher sein, an jeder der Säulen Strom zu bekommen. Tatsächlich nutze er aber meist nur zwei der Apps. „Sowohl das Installieren der App als auch das Bedienen der Säulen ist total einfach und funktioniert innerhalb von Sekunden. Vor der Technik muss man sich wirklich nicht fürchten.“ Natürlich muss jede der Apps Zugang zu persönlichen Informationen und Zahlungsverfahren bekommen. Datenschutzbedenken hat Schmidt deswegen nicht. „Das ist ja nicht anders als bei einem Onlineshop.“
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Wenn die Schmidts Leuten von ihrem E-Auto erzählen, seien die ersten Fragen immer die nach der Reichweite und den Kosten. Die maximale Batterieladung ihres Wagens liegt bei 28 Kilowattstunden. Das soll laut Hersteller für 200 Kilometer reichen. „Realistisch sind 130 bis 150 Kilometer, im Winter 100 – weil ja auch die Heizung Energie zieht. Und es hängt natürlich vom Fahrstil ab.“
Bis die leere Batterie wieder voll ist, dauert es zweieinhalb Stunden. Auf weiten Strecken wären also mehrere lange Stopps nötig, was das E-Auto für Viel- und Weitfahrer tatsächlich unattraktiv macht. Aber – so hat Schmidt mit ein paar Klicks festgestellt – auch zwischen Hamburg und Brilon könnte er an vier Säulen kostenlos tanken.
Vielfahrer sind die Schmidts mit jährlich 13.000 Kilometern aber ohnehin nicht. Wie die meisten Deutschen nutzen sie das Auto eher auf Kurzstrecken: zum Einkaufen, zu Hildegard Schmidts Arbeitsstelle in Olsberg, auf Ausflügen oder zum Schwimmengehen mit der Enkelin. Wobei das neue Auto die Einkaufs- und Freizeitgewohnheiten verändert hat. „Früher sind wir nicht gern nach Winterberg zum Einkaufen gefahren. Heute schon, weil wir das Auto kostenlos am Oversum oder am Bürgerbahnhof laden können.“ Den gleichen Service genießen sie bei einer 86-Kilometer-Fahrt nach Unna zum Möbelhausbummel.
4,50 Euro für gut 100 Kilometer
An öffentlichen Gratis-Säulen zahlen sie nichts, an kostenpflichtigen je nach Tarif. Meist aber lädt das Auto in der heimischen Garage Solarstrom. Dafür rechnen sie mit rund 4,50 Euro pro Ladung – die Summe, die sie für die 28 Kilowattstunden ansonsten als Einspeisevergütung plus Mehrwertsteuer bekämen. „100 bis 150 Kilometer fahren für 4,50 Euro. Dafür kann man nicht tanken“, sagen sie. Außerdem ist der Wagen steuerbefreit.
Was sich die Schmidts noch wünschen würden, wäre eine Möglichkeit, Ladesäulen für einen bestimmten Zeitraum reservieren zu können. Ansonsten seien sie rundum zufrieden.
Aber ist Elektroantrieb das Nonplusultra? „Keine Ahnung. Für Langstreckenfahrer ist das bisher sicher nichts. Auch die Frage, ob Herstellung und Entsorgung der Batterien tatsächlich umweltschonender sind als Erdöl, müsste noch beantwortet werden.“