marsberg. . Julia Drewes ist Leiterin einer DRK-Kita. Sie spricht über den Wandel im Berufsbild „Erzieher“, Herausforderungen, Respekt und die Vaterrolle.
Der Kindergarten-Alltag hat sich in den vergangenen Jahren komplett gewandelt. Immer mehr Kinder unter drei Jahren besuchen die Einrichtungen, Eltern müssen Betreuungszeiten buchen, Erzieherinnen die Entwicklung der Kinder genau dokumentieren und jedes Kind individuell fördern. Wir haben darüber mit Julia Drewes, Leiterin der DRK-Kita in Obermarsberg, gesprochen.
Wie hat sich die pädagogische Arbeit verändert?
Julia Drewes: Wir arbeiten in unserer Einrichtung schon seit vielen Jahren mit Kindern unter Drei. Da sieht der Tagesablauf natürlich anders aus. Beziehungsaufbau und Vertrauen stehen im Fokus der pädagogischen Arbeit. In dieser Entwicklungsphase benötigen sie noch viel mehr Sicherheit und Nähe als die größeren Kinder. In einer kleinen Gruppe haben die Kinder beste Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung. Insgesamt kann man sagen, dass heute bei allen Altersgruppen die individuelle Förderung und die Persönlichkeit des Einzelnen ganz klar in den Vordergrund gerückt sind. Unser Ziel ist es, die Selbstständigkeit zu fördern. Verändert hat sich unsere Arbeit zum Beispiel dadurch, dass Entwicklungsdokumentationen für jedes Kind erstellt werden. Ich finde, dass das für eine gute pädagogische Arbeit sehr sinnvoll ist.
Bleibt denn trotz aller Bürokratie und Pflichten noch genug Zeit, um einfach mal nur zu spielen?
Auf jeden Fall. Das ist sehr wichtig. Kinder lernen durch das Spiel. Sie ahmen nach, Konstruieren und probieren sich aus. Unsere Einrichtung verfügt zum Glück über sehr gute personelle Bedingungen, so dass unser wirklich sehr engagiertes Team viele Möglichkeiten hat und so den pädagogischen Alltag der Kinder gestalten kann. Außerdem wird bei uns sehr viel Wert auf Fort- und Weiterbildungen gelegt, um für die Familien ein kompetenter Erziehungspartner zu sein.
Heute besuchen immer mehr Kinder unter drei Jahren eine Betreuungseinrichtung. Aus dem Kindergartenbedarfsplan des HSK geht hervor, dass das Alter von zwei Jahren sich zum durchschnittlichen Eintrittsalter entwickelt. Kann man sagen, wann der richtige Zeitpunkt für den Kita-Besuch eines Kindes da ist?
Nein, das lässt sich nicht an einem bestimmten Merkmal festmachen. Das ist von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Es gibt Kinder, die müssen unabhängig von ihrem Alter ganz langsam und schonend eingewöhnt werden und es gibt andere, die sofort mittendrin sind. Das Loslassen fällt manchen leichter, manchen schwerer. Das ist bei den Eltern auch so. Wenn sich die Familie darauf freut, dass das Kind jetzt in den Kindergarten geht, dann spüren die Kinder das und der Kita-Besuch ist für sie einfacher. Uns ist es ganz wichtig, Vertrauen aufzubauen. Denn schließlich vertrauen die Eltern uns das Wichtigste an, was sie haben.
„Das ist eine Ungleichbehandlung“
Für Diskussions-Stoff sorgt aktuell die von der Landesregierung geplante Reform des Kinderbildungsgesetzes. René Teich, Geschäftsführer der DRK Brilon KiTa gGmbH als Einrichtungsträger, erklärt, was er von den Plänen hält
Künftig sollen in NRW zwei Kita-Jahre kostenlos sein. Wie sehen sie diese Maßnahme?
René Teich: Ich finde, der Ansatz ist richtig. Bildung ist eine soziale Aufgabe, die nicht zu Lasten des Geldbeutels von Familien gehen sollte. Schließlich ist ja auch die Schulbildung in Deutschland kostenlos. Da wäre es konsequenter, wenn die Beitragsfreiheit für die komplette Kindergartenzeit gelten würde. Sehr problematisch finde ich auch, dass es in NRW in den einzelnen Jugendamtsbezirken ganz unterschiedliche Beiträge gibt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Leistung, die ich als Eltern buche, in verschiedenen Städten mehr oder weniger wert sein soll. Andererseits gibt es natürlich auch die Mentalität, dass das, was nichts kostet, auch nichts wert ist. Das muss man auch berücksichtigen. Grundsätzlich ist es für Familien aber natürlich erstmal eine positive Entscheidung, die dazu führt, dass sie mehr Geld in der Tasche haben. Die Einrichtungen als solche haben davon allerdings nichts.
Kritik an den Plänen ist auch laut geworden von Seiten der freien Kita-Träger, weil sie sich gegenüber Kommunen benachteiligt fühlen. Ist das auch Ihre Einschätzung?
Geplant ist, die Trägeranteile für Kommunen abzusenken, die für freie Träger wie wir einer sind, aber nicht gelten. Das ist eine Ungleichbehandlung, die nicht nachvollziehbar ist. Gut ist dagegen die Entscheidung mehr finanzielle Mittel in das System zu geben, um eine ausreichende Finanzierung sicherzustellen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Wo gibt es aus Ihrer Sicht noch dringend Handlungsbedarf?
Wir müssen uns fragen, ob das jetzt geltende Buchungssystem noch zeitgemäß ist. Vielleicht wäre es sinnvoll, mal darüber nachzudenken, die steifen Buchungsmöglichkeiten aufzubrechen. Das System ist zu starr. Wir sollten es so verändern, dass es für die Kita-Träger, aber auch für die Eltern besser wird und so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser gewährleistet werden kann.
Apropos Eltern. Früher war die Kindererziehung ja eher Sache der Mütter. Hat sich da inzwischen etwas getan?
Ja, viele Eltern bringen sich bei uns gemeinsam ein und schauen, dass für sie als Familie alles gut funktioniert. In der Regel fühlen sich beide Elternteile für die Erziehung des Kindes verantwortlich. Die Väter sind in den vergangenen Jahren viel präsenter geworden. Früher war in der Regel die Mutter unsere Ansprechpartnerin, heute sind es hingegen fast immer beide Elternteile.
Kibiz bietet drei Buchungsmöglichkeiten. Eltern können 25, 35 oder 45 Stunden für die Betreuung buchen. Das System ist starr oder?
Ja, das ist gesetzlich so vorgegeben. Eltern müssen sich für eines dieser drei Modelle entscheiden. Wir versuchen, was die Zeiten angeht, in unserer Kita im Rahmen unserer Möglichkeiten flexibel zu sein. Wenn jemand 45 Stunden bucht, heißt das nicht, dass das Kind auch tatsächlich täglich neun Stunden bei uns in der Einrichtung ist. Wenn Eltern beispielsweise morgens erst später anfangen zu arbeiten, können sie ihr Kind auch erst später bringen oder früher abholen, wenn sie den Nachmittag gemeinsam verbringen möchten.
Was wünschen Sie sich von der Politik für die Zukunft der Kitas? Viele Menschen denken beim Thema Erzieherinnen immer noch an Basteltanten. Ich würde mir wünschen, dass wir mehr gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung für unsere Arbeit bekommen, denn wir leisten wichtige Bildungsarbeit.
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