Winterberg/Prag. Barbara Ortwein aus Winterberg hat ihre Zelte im Sauerland abgebrochen und verlebt jetzt den ersten Jahreswechsel in ihrer neuen Heimat Prag.
Barbara Ortwein hat an ihren Plänen für den Ruhestand festgehalten. Nach 36 Jahren als Studienrätin am Geschwister-Scholl-Gymnasium in Winterberg lebt sie seit diesem Juli in Prag. Dort hat sie nun ihr erstes Weihnachten verbracht und steht vor ihrem ersten Jahreswechsel.
„Ich bin schon ein bisschen aufgeregt, die tschechischen Weihnachtsbräuche kennenzulernen“, sagt sie. Den Heiligabend hat die 64-Jährige noch allein verbracht, „mit Kartoffelsalat und Würstchen“. Am ersten Weihnachtstag hat sie dann mit ihrer langjährigen tschechischen Freundin und Nachbarin die Aufführung der berühmten Weihnachtsmesse von Jakub Jan Ryba besucht. Das sei auch bei den meisten, noch katholisch geprägten Familien Tradition. Am zweiten Feiertag kamen ihre neuen Freunde in Prag zum Essen zu ihr.
Das Essen
Schon in der Woche vor dem Weihnachtsfest standen in der Stadt überall große Wassertanks, die immer mit Karpfen aus Südböhmen gefüllt sind – dem traditionellen Weihnachtsessen in Tschechien. „Manche Familien nehmen ihren lebenden Karpfen noch mit nach Hause und lassen ihn die letzten Tage vor Weihnachten in der Badewanne schwimmen“, erzählt Barbara Ortwein.
Mit 18 Jahren in die Stadt verliebt
Barbara Ortwein ist schon auf jedem Kontinent der Welt gewesen. Mit 18 war sie auf einer Klassenfahrt das erste Mal in Prag. „Das war noch zu kommunistischen Zeiten und es war alles sehr grau. Aber ich habe mich trotzdem in diese Stadt verliebt.“
Durch „mehr als hundert Besuche“ hat sie die tschechische Hauptstadt weiter kennen und lieben gelernt. Seit 20 Jahren besitzt Ortwein dort eine Wohnung im fünften Stock eines Gründerzeithauses, direkt an der Moldau. Vor fünf Monaten ist die 64-Jährige dann endgültig von Winterberg nach Prag gezogen. Viel Zeit hatte sie dafür nicht. Erst im Juni war sie von einer zehnwöchigen Lesereise aus den USA zurückgekommen. Doch dank der Hilfe ihrer Pflegekinder und Freunde war der Umzug Ende Juli durch.
Ihre Kollegen seien „sehr geschockt“ darüber gewesen, dass sie diesen Schritt „so schnell gehen wollte“. Barbara Ortwein: „Da ich bei ehemaligen Kollegen mitbekommen habe, dass sie ihre besonderen Pläne für den Ruhestand nicht in die Tat umgesetzt haben, wusste ich, dass man einen solchen Entschluss sofort in die Tat umsetzen muss. Sonst klappt es nicht!“
Als Ehrenbürgerin der Stadt Winterberg wurde sie vom stellvertretenden Bürgermeister Martin Schnorbus und Tourismus-Direktor Michael Beckmann auf einem Empfang offiziell verabschiedet. 36 Jahre lang hat sich die pensionierte Studienrätin in Schüleraustausch-Programmen, in Kultur, im Lions Club und Europäischen Komitee engagiert.
Aber auch in ihrer neuen Heimat hat sie sich direkt nach ihrer Ankunft der Organisation InterNations, dem Club der Expatriats, angeschlossen. „Die Leute aus Buenos Aires, Houston, London, Neuseeland, Rom, Zürich oder Peking staunen nicht schlecht, dass ich aus einem so kleinen Ort nach Prag gezogen war. Seltsamerweise habe ich noch bisher nie so viel Reklame für Winterberg gemacht, seitdem ich hier lebe“, sagt Barbara Ortwein.
Sie habe zwar nicht vor, einen ganzen Fisch zu kaufen, „doch ich möchte gerne ein Stück davon essen, denn er schmeckt hier ganz anders als in Deutschland“. Das liege an der Aufzucht in den klaren Teichen in Südböhmen. Mit ihnen hat übrigens schon Kaiser Karl IV im Spätmittelalter seinen Hofstaat versorgt.
Was gehört noch zur traditionellen tschechischen Weihnacht? „Natürlich die Weihnachtsplätzchen“, sagt die Winterbergerin. Sie werden zu kunstvollen Türmchen zusammengesetzt und mit Schokoladenguss oder Creme überzogen: „Lecker! Aber leider auch sehr kalorienreich“, so Ortwein.
Weihnachtsmärkte
Mit dem Erleuchten der etwa 50 Meter hohen Tanne mit ihren Tausenden Kugeln und Lichtern am Altstädter Ring, „einem der schönsten Plätze der Welt“, sind bereits am 1. Dezember zur Filmmusik aus „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ die neun Prager Weihnachtsmärkte eröffnet worden. „Ich fühlte mich ein bisschen an die Zeremonie vor dem Rockefeller Center in New York erinnert, zumal es auch noch rechtzeitig geschneit hatte, um dem Platz ein besonders romantisches Aussehen zu geben“, beschreibt Barbara Ortwein.
Der Weihnachtsbaum
Der Weihnachtsbaum ist meist mit dem traditionellen böhmischen Weihnachtsschmuck geschmückt. Den gibt es das ganze Jahr über in speziellen Souvenirgeschäften zu kaufen.
„Tschechien ist berühmt für seine Kugeln und Figuren aus Glas sowie für die handgemachten Kränzchen, Glocken, Engel und Sterne“, sagt Barbara Ortwein. Ihr fehlen aber die Winterberger Tannenbäume. Als Erinnerung haben ihr Freunde daher einen Tannenbaum aus Holz geschenkt.
Silvester
Den Jahreswechsel verbringt Barbara Ortwein in ihrer Dachgeschosswohnung mitten in der Stadt. Von diesem „Logenplatz“ aus hat sie den besten Blick auf das einstündige Feuerwerk, das auf dem gegenüberliegenden Moldauufer abgebrannt wird. Um Mitternacht werde ein Imbiss mit Schweinefleisch gereicht, „damit man immer Geld im Beutel hat“.
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