Thülen/Austin. . Bunt und schrill: Florian Gerhold aus Thülen feiert Weihnachten in Texas - auf deutsche und amerikanische Art.

Florian Gerhold und seine Freundin Clara sitzen auf gepackten Koffern und Kisten. Noch kurz vor Weihnachten sind sie umgezogen. Raus aus einer Appartementanlage in Austin/Texas, rein in ein Haus am Stadtrand. „Es ist momentan etwas chaotisch“, sagt der Noch-29-Jährige. Aber ein Karton ist ganz auffällig markiert. Darin liegt der Weihnachtsschmuck. Und wenn im neuen Heim auch anfangs vermutlich noch nicht alles sofort seinen Platz findet: Kugeln und Sterne sind startbereit für Weihnachten in Texas.

Seit Ende 2010 lebt der Thülener dort. „Die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland war schlecht. Viel Leiharbeit, vieles unterbezahlt.“ So entsteht damals die Idee, über den großen Teich zu reisen.

Heute arbeitet der Elektro-Fachmann bei einer Firma, die Geldautomaten und Kassensysteme herstellt. Florian Gerhold betreut dabei die Pilotprojekte. Schnell hat er sich damals eingelebt, auch sprachlich: „Meine Englischlehrerin wäre überrascht, zumal in den Südstaaten ein sehr schwieriger Dialekt gesprochen wird. Aber alles gut“, sagt der Sauerländer.

Mit zwei Koffern angereist

Noch gut erinnert er sich daran, wie er damals mit zwei Koffern in die neue Welt gereist ist. Das war Mitte Oktober: „Mein erstes Weihnachten habe ich mit Kollegen in einer Bar gefeiert. Totentanz.“ Inzwischen lebt er mit seiner Freundin Clara zusammen, deren Eltern deutscher und amerikanischer Abstammung sind. Und aus einem solchen Mix besteht dann auch das Weihnachtsfest der beiden.

„Hier in Texas ist die Adventszeit typisch amerikanisch-kitschig, wie man es sich vorstellt. Viel Plastik, alles etwas verrückt, ständig ,Last Christmas‘“, sagt Florian Gerhold, den wir mit sieben Stunden Zeitunterschied (17 Uhr Deutschland, 10 Uhr Texas) am Telefon erreichen. Sehr gewöhnungsbedürftig sei es gewesen, in T-Shirt und Shorts durch weihnachtlich beleuchtete Straßenzüge zu laufen, wo sich Nachbarn zu ganzen Beleuchtungs-Gemeinschaften zusammenschließen.

Kleine Krippe in Texas

Schon einen Tag nach Thanksgiving (vierter Donnerstag im November) werden die Kunststoffbäume ausgeklappt oder eben auch Tannen aufgestellt. „Dann schalten die hier alle auf Weihnachten um. Wir dagegen weigern uns hartnäckig und erfolgreich, den Baum schon so früh aufzustellen. Bei uns kommt er Heiligabend ins Haus. Wir haben eine echte Fichte. Das ist zwar mehr so ein sprickeliger Baum, aber wir schmücken ihn mit Kugeln, Sternen und Lichterkette“, erzählt der 29-Jährige. Angeboten werden die Bäume im Baumarkt. Und je nach Größe kostet eine Edeltanne auch schon mal locker um die 80 Dollar.

Florian Gerhold  mit seiner Freund Clara  vorm Weihnachtsbaum.
Florian Gerhold mit seiner Freund Clara vorm Weihnachtsbaum. © Thomas Winterberg

Auch wenn es in Texas eher unüblich ist, gibt es bei dem US-Sauerländer eine kleine Krippe. Die ist aus Sauerländer Fichte gearbeitet und stammt von Florians Eltern. „Wir sind hier nicht komplett vom Sauerland abgeschnitten. Klar wird man in der Ferne zu Weihnachten etwas sentimental. Aber wir rufen uns regelmäßig an.“

Viele deutsche Siedlungen

Schwieriger wird da die Kommunikation mit der Border-Collie-Australian-Shepherd-Mix-Dame „Nicki“, die der Thülener schweren Herzens zu Hause lassen musste. Sie schläft in seiner Wohnung im elterlichen Haus und wartet jeden Tag auf den Heimkehrer. Wenn der Thülener einmal im Jahr nach Hause kommt, freut sie sich ganz doll.

Heiligabend wird bei Florian und Clara ganz klassisch im deutschen Stil gefeiert. „Wir beide werden etwas kochen, nett zusammensitzen und Bescherung machen. Den zweiten Tag bestimmt meine Freundin. Dann geht es zu ihren Eltern und wir feiern ganz auf amerikanisch, wo die Bescherung durch Santa Claus immer erst am 1. Feiertag ist.

An dem kann man übrigens auch noch shoppen gehen. „Ansonsten kommt es ganz individuell auf die jeweilige Familie an, wie das Fest gefeiert wird. Wir haben hier viele deutsche Siedlungen, entsprechend sind die Traditionen.“

Privates Feuerwerk verboten

Der Jahreswechsel wird ähnlich wie bei uns begangen. „Hier gibt es Neujahrspartys, zu denen man sich anmelden muss. Viele feiern aber auch privat. Nur Silvesterfeuerwerke vor der Haustür sind verboten. Aber auch das ist auf dem Land wieder ganz anders. So sehr Florian Gerhold das Schneeschippen auch gehasst hat: Um so richtig in Weihnachtsstimmung zu kommen, fehlt ihm die weiße Pracht schon.

Die Schneefallgrenze liegt im drei Stunden nördlich entfernt gelegenen Dallas. Lediglich im Norden schneit es hin und wieder. Zentral- und Süd -Texas bleiben vom Schnee verschont „Hier in Austin wäre man darauf überhaupt nicht eingestellt.“ Außerdem vermisst er vernünftiges Brot. „Hier gibt es nur labbrigen Toast.“ Und wie sind sonst so die Unterschiede zwischen Deutschen und Amerikanern?

„Wenn Feierabend ist, fällt der Hammer hier pünktlich. Keine Überstunden. Gesetzlich hat man hier nur zehn Tage Urlaub, je nach Firmenzugehörigkeit lässt sich da aber was machen. Ich bin seit zwölf Jahren im Unternehmen und habe 25 Tage im Jahr.“ Einige davon wird er nutzen, um mal wieder ins Sauerland zu kommen: „Meine Freundin will endlich mal ein Schützenfest kennenlernen.“ „Merry Christmas!“ nach Texas in den neuen vier Wänden!