Medebach/Dundee. . Der Medebacher Sven Lange lebt zurzeit in Schottland - einem Land, wo Weihnachten sogar 425 Jahre lang verboten war.
Noch ein Tag. Dann geht’s nach Hause. Im Koffer die Vorfreude auf die Familie und zwei Flaschen schottischen Whisky. Zweimal im Jahr kommt Sven Lange zurück nach Medebach: am Schützenfest und zu Weihnachten. Dann sind alle Freunde und Bekannten in der Heimat, dann ist die Familie zusammen. Der 28-Jährige lebt seit drei Jahren in Dundee und macht an einem großen Forschungsinstitut seinen Doktor in Biochemie. Vereinfacht gesagt löst er den Aufbau von Enzymen, erforscht ihre Funktion und erarbeitet die Grundlagen, um neue Medikamente zu entwickeln.
Erst seit 1958 offizieller Feiertag
Eigentlich lebt er in einem Land, von dem man glaubt, dass Weihnachten ein Hochfest sei. Kerzenschein, Dudelsack-Klänge, karierte Kilts, dicke Socken, Christbaumkugeln – all das könnte zusammenpassen. Aber Fehlanzeige! „425 Jahre lang war das Weihnachtsfest hier sogar vonseiten der Kirche verboten. Ich habe mich extra bei einer schottischen Mitbewohnerin schlau gemacht. Ich wusste das vorher auch nicht“, sagt Sven Lange, den wir spät abends nach einem langen Labortag am Telefon erreichen. Tatsächlich ist der 25. Dezember erst seit 1958 ein offizieller Feiertag in Schottland und auch der 26. Dezember gilt gerade einmal seit 1974 als Festtag. Da Weihnachten viele, viele Jahre nicht offiziell gefeiert wurde, übernahmen die Schotten vermutlich zahlreiche Bräuche aus anderen Ländern. „Ich glaube, dass Neujahr und Wintersonnenwende hier zuvor höher im Kurs sta nden“, sagt der Medebacher.
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Viele amerikanische Einschläge
Weihnachten in Schottland hat sehr viele amerikanische Einschläge: „Es hat wenig mit dem Glauben zu tun. Familie, gemeinsames Treffen, Essen und der kommerzielle Aspekt stehen im Vordergrund. Ich kenne niemanden, der einen Baum zu Hause hat. Ich will nicht ausschließen, dass es den Brauch gibt. Zumindest hier auf dem Marktplatz habe ich einen gesehen. Was mir auffällt, sind viele Menschen, die Christmas-Jumper tragen – das sind Pullover oder Sweatshirts mit Weihnachtsmustern, Weihnachtsmännern und Rentieren vorne drauf. Und die Einkaufsstraßen sind ähnlich geschmückt wie bei uns zu Hause auch.“
Mince-Pies und Whisky
Dass es im unmittelbaren Umfeld von Sven Lange nicht so richtig weihnachtlich zugeht, mag auch daran liegen, dass das Institut, an dem er beschäftigt ist, sehr international aufgestellt und besetzt ist. „Ich mache über Weihnachten ganz normal Urlaub, den ich anmelden muss. Es gibt aber auch Kollegen, die bleiben hier und arbeiten – aus Indien zum Beispiel. Die feiern dann wiederum ihr Lichterfest Diwali Ende Oktober. Die freuen sich aber auch auf Weihnachten, denn dann ist es hier im Haus eher ruhig.“ Natürlich gibt es auch in Schottland zu Weihnachten landestypische Spezialitäten. Aber es sind wenige: Mince-Pie, ein sehr süßes und würziges Küchlein, gehört dazu. Whiskey hingegen, den Sven hin und wieder mit Freunden in einer Bar probiert, ist eher ein Ganz-Jahres-Renner. Gleiches gilt für das sogenannte Short-Bread, ein mürbekeksiges Buttergebäck. Apropos Brot: „Das schmeckt hier überhaupt nicht. Es ist schrecklich. Ich habe daher selber angefangen, Brot zu backen.“
Gefüllter Schafsmagen ist nichts für jeden Magen
Überhaupt gelten die Schotten nicht unbedingt als Erfinder der hohen Kochkunst. „Es ist alles stark frittiert. Selbst Pizza und Marsriegel landen in der Fritteuse. Daher hält der Medebacher auch nicht allzu viel vom schottischen Nationalgericht Haggis. Das ist ein mit Herz, Leber, Lunge, Zwiebeln und Hafermehl gefüllter Schafsmagen. „Nee, ist nicht mein Ding. Man darf nicht nachdenken, was da reinkommt. Ich bin eh Vegetarier und habe das schon mal mit Haferflocken und Gewürzen gekocht. Das war o.k.“ Daher gibt es zu Hause für Sven Lange an Weihnachten auch nicht Gans, Ente oder Rinderbraten. „Ich mag Raclette oder Nussbraten.“
Nicht Fisch, nicht Fleisch
Nicht Fisch, nicht Fleisch ist auf der Insel derzeit auch die Haltung zum Ausstieg aus der EU. „Die Leute die ich kenne, sind sehr perplex und haben nicht für den Brexit gestimmt. Es gab erste Ansagen, sich vorsorglich als EU-Bürger eintragen zu lassen. Als unmittelbare Auswirkung habe ich festgestellt, dass immer mehr Doktoranden am Institut aus dem Inland kommen und weniger international sind. Ich selbst kann hier erstmal ein Bleiberecht beantragen. Ich denke aber auch, dass durch den Brexit einige Forschungsgelder aus der EU ausbleiben werden.“
Einkaufen bis spät in die Nacht, Ceilidhs (das sind schottische Tanzabende mit Fidel, Flöte und Gesang) und die sehr offenen und direkten Schotten, die auf freundliche, aber direkte Art ihre Meinung sagen – das sind Dinge, die Sven Lange an seinen vorübergehenden Landsleuten sehr mag. Vielleicht hängt er nach dem Doktor noch ein paar Jahre in der Forschung dran. Mal schauen. Aber an Weihnachten geht doch nichts über zu Hause sein, den Baum schmücken und mit der Familie zu feiern. „Nollaig Chridheil! Frohe Weihnachten!
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