Brilon. . In der Stadt Brilon steht die Konzessionsvergabe an. 2012 hatten die Stadtwerke bereits das Gasnetz übernommen.

Die Namen wechselten zwar im Laufe der Jahrzehnte, die DNA blieb aber stets dieselbe. Seit 1929 liegt die Stromversorgung in Brilon in der Hand der VEW bzw. ihrer diversen verschmolzenen Nachfolger. Das kann sich 2021 ändern. Die Stadt Brilon bereitet die Vergabe der Stromkonzession vor.

Und da bringt sich auch die eigene Tochter ins Spiel: „Wir prüfen, ob wir uns auf eine Konzession bewerben.“ So der Vorstand der Stadtwerke Brilon, Axel Reuber, zur WP. Für die Stadt ist die Stromkonzessionsabgabe eine lukrative Einnahmequelle.

Für das nächste Jahr sind 900.000 Euro im Haushalt angesetzt. Für den Stromversorger ist das allerdings nur ein durchlaufender Posten. Das Geld zahlt über seine Stromrechnung ja doch der Verbraucher, also der Bürger. Laut Bundesnetzagentur liegt der Mittelwert bei 5,4 Prozent des Strompreises.

Die Stadt Brilon schreibt die Konzessionsvergabe für das Stromnetz aus. Hier ein Mast mit dem VEW-Schild aus längst vergangenen Firmentagen. Im Jahr 2000 ging die VEW in der RWE auf. Zurzeit betreibt die RWE-Tochter Innogy das Netz in Brilon
Die Stadt Brilon schreibt die Konzessionsvergabe für das Stromnetz aus. Hier ein Mast mit dem VEW-Schild aus längst vergangenen Firmentagen. Im Jahr 2000 ging die VEW in der RWE auf. Zurzeit betreibt die RWE-Tochter Innogy das Netz in Brilon © Jürgen Hendrichs

Rund 755 Kilometer lang ist das im Stadtgebiet betriebene Niedrig- und Mittelspannungsnetz für die Stromversorgung zwischen den Ortsteilen und zu den Verbrauchern; hinzu kommen rund 210 Kilometer Leitungen für die Straßenbeleuchtung. Zurzeit befindet sich das Stromnetz im Besitz der Innogy bzw. deren regionaler Tochter Westnetz. 2019 nun teilen sich die beiden Energie-Multis RWE und E.on den Strommarkt in Deutschland unter sich auf: RWE übernimmt die Produktion des Stroms, E.on die Verteilung und den Vertrieb.

Viele Ratsmitglieder befangen

Die Innogy-Mutter RWE AG ist zwar der sogenannte Grundversorger in diesem Gebiet, also der Anbieter mit der höchsten Kundenzahl. Aber gegen Entgelt kann jeder der über 1000 Stromanbieter, die sich in Deutschland auf dem Energiemarkt tummeln, seinen Saft nach Brilon liefern.

Wie etwa die Stadtwerke Brilon mit ihrer Tochter Stadtwerke Brilon Energie GmbH und deren „Brilon Strom“. Und die haben auch in diesem Jahr wieder kräftig zugelegt: um 20 Prozent auf derzeit rund 3600 Kunden. Damit, so Axel Reuber, betrage der Marktanteil in Brilon etwa 25 Prozent.

In der jüngsten Ratssitzung stellte Rechtsanwalt Dr. Wolf Templin von der auf Energiewirtschaft spezialisierten Kanzlei Boos, Hummel & Wegerich (Berlin/Köln) das auf die Stadt zukommende Verfahren vor. Dabei fiel das schöne Zitat aus dem jahrzehntelang gültig gebliebenen Energiewirtschaftsgesetz von 1935, dass die Energiewirtschaft „vor den schädlichen Auswirkungen des Wettbewerbs zu schützen“ sei.

Seit fast 100 Jahren Partner im Energiebereich

Die Innogy ist eine im April 2016 gegründete Tochtergesellschaft der RWE AG, dem früheren, in Essen angesiedelten Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE).

Die RWE AG hatte in 2000 die Anfang des vergangenen Jahrhunderts in Dortmund als Gegenpol zum RWE gegründeten Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) geschluckt.

In den 20er Jahren kauften sich die ehemaligen Kreise Büren, Brilon, Meschede und Arnsberg in die VEW ein.

Brilon hatte damals den mit Büren betriebenen Elektrizitätsverband Büren-Brilon gegen eine „angemessene Beteiligung an dem Gesellschaftskapital der VEW eingetauscht“ (Dt. Bergwerks-Zeitung am 4. September 1928).

Wie es in dem Artikel weiter heißt, hatten die Kreise Büren und Brilon bis dahin den Strom vorwiegend aus eigenen Wasserkraftwerken gewonnen oder aber den im Wasserkraftwerk Edersee und dem Dampfkraftwerk Bad Wildungen gewonnenen Strom der Preußischen Elektrizitäts AG, der Preußen Elektra, vertrieben.

Die wiederum fusionierte im gleichen Jahr, in dem sich auch RWE und VEW zusammenschlossen, mit der 1999 von Veba und VIAG gegründeten E.on.

Bisher bestand eine zehnjährige Bindung an den Netzbetreiber, künftig können es 20 Jahre sein. Die Stadt Brilon muss die Vergabe des Stromnetzes europaweit ausschreiben. Sollten sich die eigenen Stadtwerke an dem Verfahren beteiligen, wird es kompliziert. Dr. Templin: „Wer über den Vertrag entscheidet, darf nicht in den Organen des eigenen kommunalen Unternehmens mitwirken.“ Das heißt: Alle Ratsmitglieder, die dem Verwaltungsrat der Stadtwerke oder dem Aufsichtsrat der Stadtwerke Energie GmbH angehören, dürfen sich nicht an der Beratung und Entscheidung über den Konzessionsvertrag beteiligen.“ Damit wären 20 der 39 Ratsvertreter auf einen Schlag befangen.

Sollte es einen Wechsel geben, hat der neue Netzbetreiber einen gesetzlichen Übertragungsanspruch des gesamten Stromnetzes. Aber erst dann komme es zu einer Wertermittlung.

Als die Stadtwerke Brilon 2012 gemeinsam mit der Energie Waldeck Frankenberg von der RWE die Gasversorgung in Brilon übernahm, flossen für das rund 169 Kilometer lange Leitungsnetz und die damals insgesamt 3300 Hausanschlüsse mit 4100 Zählern rund 13 Millionen Euro. Heute haben die Stadtwerke Brilon rund 2500 Kunden und damit die Nummer 1 in ihrem Versorgungsbereich.

Rund 700 regionale Netzbetreiber

Dass der Netzbetrieb ein lukratives Geschäft für Investoren ist, daraus macht der Stadtwerke-Chef keinen Hehl. Bundesweit rühren rund 700 Netzbetreiber mit, darunter viele regional tätige Stadtwerke. Reubers Blick auf das anstehende Verfahren: „Ich gehe nicht davon aus, dass sich nur einer melden wird.“

Die Stadt will einen Arbeitskreis einrichten, der sich mit der Vorbereitung des Verfahrens befasst. Die Zahl der dafür infrage kommenden Ratsmitglieder ist, siehe oben, überschaubar geworden.

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