Hochsauerland. . In der Nacht von Samstag auf Sonntag werden die Uhren wieder umgestellt. Vielleicht zum letzten Mal? Was macht dieser Zeitsprung mit unserem Körper?
Wer hat an der Uhr gedreht? Heute Nacht werden die Zeiger wieder von Sommer- auf Winterzeit umgestellt. Nochmal ganz deutlich: Um 3 Uhr geht’s eine Stunde zurück, wir können länger schlafen. Aber die Uhr tickt. Denn für die Umstellung könnte bald das letzte Stündlein geschlagen haben. Nach einer Umfrage der EU-Kommission wollen viele Europäer das Procedere abschaffen.
Die Politik
Auf EU-Eben macht sich der heimischen Europaabgeordnete Dr. Peter Liese (CDU) für die Abschaffung der Umstellung stark: „Ich persönlich habe keine Probleme damit. Als Abgeordneter muss man ohnehin viel reisen, auch in andere Zeitzonen. Aber mich haben viele Zuschriften erreicht. Und wenn eine große Mehrheit eine Änderung will, dann darf uns das als Politiker nicht egal sein“, sagt Liese. Nach seinem Kenntnisstand haben sich in einer repräsentativen Umfrage 78 Prozent der Menschen für die Abschaffung ausgesprochen, wobei die Mehrheit für die dauerhafte Sommerzeit sei.
„Persönlich finde ich wichtig, die Meinung der Wissenschaftler zu berücksichtigen. Danach ist es für den Menschen sehr wichtig, morgens etwas Licht ab zu bekommen, um einen gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus zu haben. Das spräche für die dauerhafte mitteleuropäische Normalzeit“, sagt Liese. Er möchte, dass die Zeitumstellung noch vor der Europawahl am 26. Mai 2019 auf den Weg gebracht wird. „Die Kommission hat vorgeschlagen, dass dann tatsächlich schon in 2019 die Zeitumstellung abgeschafft wird. Die Mitgliedstaaten plädieren für eine Verschiebung auf 2021. Vielleicht ist 2020 ein realistischer Kompromiss.“
Nur noch eine feste Zeit
Es ist richtig, dass die EU-Kommission die lästige Zeitumstellung endlich abschaffen möchte.
Ich denke mit Grauen ans Frühjahr, wenn Ende März die Zeiger nach vorne gedreht werden. Das raubt eine Stunde Schlaf. Das lähmt und macht müde. Das fördert bei manchen Menschen Depressionen. Das steigert auch das Herzinfarktrisiko. Selbst Tiere – Nutztiere und Haustiere – leiden unter der Zeitumstellung.
Das ist es wirklich nicht wert.
Und im Herbst? Der Zeiger wird zurückgedreht – und schlagartig wird es gefühlt mitten am Tag dunkel. Der Biorhythmus wird ein zweites Mal durcheinander gewirbelt.
Nein, danke! Die Zeitumstellung ist aus der Zeit gefallen.
Ob Winterzeit oder Sommerzeit eingeführt wird ist zweitrangig. Wenn ich mit entscheiden dürfte, wäre mir zwar die Sommerzeit näher. Der langen und lauen Sommernächte wegen. Hauptsache ist aber, dass Schluss ist mit diesem Herumgedrehe an der Uhr. Boris Schopper
Die Medizin
Laut repräsentativer Umfrage der DAK berichteten im vergangenen Jahr 20 Prozent der Befragten (insbesondere Frauen), aufgrund der Zeitumstellung schon einmal gesundheitliche Probleme bekommen zu habe. „Das betrifft vor allem Menschen im mittleren Lebensalter. Vermutlich, weil es ihnen ihre Tagesstruktur – bedingt durch Berufstätigkeit, Kinder, feste Termine usw. - weniger als Jüngeren oder Älteren ermöglicht, flexibel auf die Zeitumstellung zu reagieren“, sagt Priv.-Doz. Dr. Stefan Bender. Er ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Ärztlicher Direktor der LWL-Kliniken Marsberg für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Typische Beschwerden seien Müdigkeit, Schlaf- und Verdauungsstörungen sowie Herz- und Kreislaufprobleme. Dr. Bender: „Hauptsymptom ist, dass die Betroffenen sich nach der Zeitumstellung für längere Zeit schlapp fühlen. Manchmal kommt es infolge der Umstellung auch zu kurz dauernden depressiven Verstimmungen.“
Dies sei aber nicht zu verwechseln mit einer Winterdepression. Dr. Bender: „Das ist etwas ganz anderes. Denn dabei kommt es für Wochen oder Monate zu gedrückter Stimmung, Interessenverlust, Antriebslosigkeit oder vermindertem Selbstwertgefühl. Wenn die Beschwerden mehrere Wochen andauern, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Depressionen können heute sehr gut behandelt werden.“
Mangelndes Tageslicht
Mangelndes Tageslicht in den Wintermonaten kann auch zu einem „Winterblues“ führen, einem vorübergehenden Auftreten von schlechter Laune, Antriebsmangel und Müdigkeit. Diese Störung ist laut Dr. Bender harmlos und etwas anderes als eine Winterdepression.
Ja, den Wechsel beibehalten
Das Tageslicht besser nutzen und dadurch Energie sparen – das war der Grundgedanke, als 1980 in Deutschland die Sommer- und Winterzeit eingeführt wurden. Die erhoffte Einsparung blieb aus. Trotzdem bin ich für den Beibehalt der „zwei Jahreszeiten!“
Ich habe mich daran gewöhnt und auch mein Biorhythmus kommt in der Regel nach ein, zwei Tagen wieder in den richtigen Tritt. Es ist einfach herrlich, im Sommer noch lange draußen zu sitzen und die letzten Sonnenstrahlen des Abends zu genießen. Die blaue Stunde ist ein Geschenk, das ich nicht missen möchte. Und im Winter ist’s ohnehin Essig mit Balkon, lange Draußensein und Frühstück im Freien.
Dem menschlichen Körper und Geist werden heutzutage ganz ander Dinge abverlangt, als zweimal im Jahr eine Stunde länger oder kürzer zu schlafen. Ich drehe weiterhin gerne am Rad - zweimal im Jahr am Uhrenrad. Thomas Winterberg
Hauptverantwortlich für Probleme bei der Zeitumstellung und für negative Einflüsse auf die Stimmung ist übrigens eine kleine Drüse in unserem Gehirn, die so genannte Zirbeldrüse. Dr. Bender: „Sie steuert unsere innere Uhr und den Schlaf-Wach-Rhythmus. Bei geringem oder fehlendem Lichteinfall auf die Netzhaut des Auges schüttet sie das ,Schlafhormon‘ Melantonin aus. Im Gegenzug wird automatisch weniger vom so genannten ,Wohlfühlhormon‘ Serotonin produziert.“
Die Arbeitswelt
In der Arbeitswelt bedeutet die Zeitumstellung heute Nacht eine Stunde mehr Maloche: Wer z.B. im Krankenhaus oder bei einer Fabrik im Schichtdienst arbeitet, wird wohl eine Stunde dranhängen müssen.
Das gilt wohl auch für den Freund und Helfer: „Die Nachtschicht dauert dadurch eine Stunde länger. Es gibt die entsprechende Nachtschichtzulage und eine Stunde mehr auf dem Überstundenkonto“, sagt Polizeisprecher Holger Glaremin.
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