Winterberg. . Auswanderung, Fluchtursachen, Migrationspolitik – Barbara Ortweins Texas-Trilogie ist ein Spiegel des 19. und des 21. Jahrhunderts

„Es muss doch irgendwo etwas darüber zu lesen geben“, dachte Barbara Ortwein, als sie bei einem USA-Besuch vor 18 Jahren von der Geschichte der deutschen Auswanderer in Texas erfuhr. Zehntausende Menschen waren Mitte des 19. Jahrhunderts in den Süden der Vereinigten Staaten ausgewandert. Bis heute ziehen sich ihre Spuren durch die Region des German Belt, des Deutschen-Gürtels. „Die Einträge im Telefonbuch, die Orts- und Straßennamen – oft könnte man glauben, in Deutschland zu sein.“

Doch zurück daheim stellte sie fest: Es gab kaum Informationen über diese Menschen. Ortwein begann zu recherchieren. Über die Jahre ist sie zu einer Art lebender Enzyklopädie zum Thema geworden. „Wahnsinn, was sich ergibt, wenn man sich in ein Thema kniet“, ist sie selbst überrascht. Ihre Erkenntnisse hat sie in einer Roman-Trilogie zu Papier gebracht, deren dritter Band vergangenes Jahr erschienen ist. Sie verfolgt darin die Lebenswege einer fiktiven Auswandererfamilie aus Nordhessen, die in Texas Fuß zu fassen versucht. Ortwein hat dabei viel Wert auf historische Genauigkeit gelegt, auch wenn die Hauptfiguren erfunden sind.

Deutsche und amerikanische Sicht

In unzähligen Lesungen hat die inzwischen pensionierte Lehrerin die Bücher präsentiert, auch in den USA und sogar vor amerikanischen Ureinwohnern. Dabei hat sie festgestellt, dass Amerikaner und Deutsche sich aus unterschiedlichen Gründen für die Geschichte interessieren. Die Amerikaner seien meist auf der Suche nach ihren Wurzeln, nach der Geschichte der Familie. „Die Sehnsucht nach Deutschland ist noch vorhanden, auch 160 Jahre nach der Auswanderung der Vorfahren.“

Lesung am Dienstag im Kump

Am Dienstag Abend um 19 Uhr liest Barbara Ortwein im Hallenberger Kump aus Band 3 ihrer Trilogie: „Am Ende des Weges: Texaner für immer!“

Zur Lesung singt und spielt Ortwein thematisch passende Lieder

Auch eine Ausstellung mit Infos zu historischen Hintergründen, Fotos der Romanschauplätze und Schiffslisten ist zu sehen.

Viele Amerikaner, sagt sie, kauften die Bücher als eine Art Vermächtnis der eigenen Familie, um ihren Nachkommen deren Geschichte zu näherzubringen. Heute stünden sie zu ihren deutschen Wurzeln und interessierten sich dafür – das sei im Lauf der Geschichte oft anders gewesen.

Deutsche hingegen gingen zwar auch gern auf die Suche nach bekannten Namen auf den Schiffslisten, die bei den Lesungen aushängen. „Aber viele suchen auch eine neue Perspektive auf die Flüchtlingskrise.“ Denn schon nach kurzer Beschäftigung mit Romanen und Historie fallen Parallelen zwischen damaliger und heutiger Welt auf.

Migration als politisches Thema

Dazu gehören Fluchtursachen wie Armut, Unterdrückung und Perspektivlosigkeit. Dazu gehört auch die Sehnsucht nach dem Herkunftsland der Vorfahren, möglicherweise dessen Verklärung durch die Nachkommen von Auswanderern. Und, dass Gedanken an eine Rückkehr umso verlockender scheinen, je mehr sich im Herkunftsland die Lage verbessert und je schwieriger sie zugleich im Aufnahmeland wird.

„Ebenso wie Deutschland sind die USA derzeit tief gespalten in Sachen Einwanderung und Einwanderungspolitik. Nicht zuletzt sorgt dafür ein deutschstämmiger Präsident.“ Deshalb verbindet Ortwein, die einst mit der Recherche begann, weil ihr eine spannende Geschichte über den Weg gelaufen war, längst auch eine politische Absicht mit ihren Büchern und Lesungen. „Den Amerikanern möchte ich hauptsächlich vermitteln, dass sie nahezu ausnahmslos von Einwanderern abstammen - Einwanderern, die in ganz ähnlichen Umständen lebten wie heutzutage beispielsweise die Hispanics. Die Deutschen möchte ich daran erinnern, dass auch aus unserem Land früher viele Menschen fliehen mussten. Sie hätten wenig Chancen gehabt ohne hilfsbereite Menschen im Aufnahmeland.“ Eine gelungene Migrationsgeschichte sei eben ein Geben und Nehmen.

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