Wissinghausen. . Kirsten Backhausen-Hesse hat Stammzellen für einen schwerkranken Jungen gespendet. Ein passender Spender ist wie ein Sechser im Lotto

Es war auf einem Messebesuch in Hannover Ende 2005, als Kirsten Backhausen-Hesse einen Stand entdeckte, an dem eine Typisierungsaktion des Norddeutschen Knochenmark- und Stammzellspender-Registers (NKR) lief. Gesucht wurde ein Spender für einen schwer erkrankten Mann. Spontan ließ sich die junge Frau typisieren und registrieren. Und dann passierte lange Zeit nichts. Niemand konnte zu der Zeit ahnen, dass der spontane Entschluss tatsächlich einmal ein Leben retten würde – einem Patienten, der 2005 noch nicht einmal geboren war.

Zahlreiche Tests vorab

Im vergangenen Dezember lag ein Schreiben im Briefkasten in Wissinghausen, wo die studierte Tierärztin inzwischen mit ihrer Familie lebt. „Ich sollte mich dringend mit dem NKR in Verbindung setzen, hieß es.“ Das tat sie und bestätigte, dass ihre Angaben von 2005 noch stimmten und sie immer noch für eine Spende zur Verfügung stehe. Postwendend erhielt sie ein Blutentnahme-Set, mit dem sie zu ihrem Hausarzt gehen sollte. Ein solches Set hatte sie Jahre zuvor schon einmal bekommen und die Proben einsenden lassen – damals aber wurde nichts daraus. Ein häufiger Fall, denn die Untersuchung auf passende Gewebemerkmale wird von Runde zu Runde kleinteiliger und die meisten Kandidaten fallen früher oder später durchs Raster.

Doch diesmal war es bei Kirsten Backhausen-Hesse anders. Nach mehreren Bluttests wurde sie zu einer Bestätigungstypisierung eingeladen. Inzwischen war es Januar geworden. „Dann wurden noch einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Werte überprüft und auch meine Identität bestätigt“, erzählt sie. Am 16. Januar schließlich stand fest: Alles passte, sie war tatsächlich der genetische Zwilling eines schwerstkranken Menschen irgendwo auf der Welt.

Zwei weitere Monate gingen ins Land. Die Organisatoren müssen sowohl rasche als auch sorgfältigste Arbeit leisten. Spender und Empfänger müssen auf die Übertragung vorbereitet werden. Die Patienten erhalten Medikamente, die ihr Immunsystem unterdrücken, damit es die fremden Zellen akzeptiert. Am 13. März fuhr Kirsten Backhausen-Hesse nach Köln zur Voruntersuchung. „So einen großen Check kriegt man sonst nie umsonst“, lächelt sie. Fragebögen, Bestimmung zahlreicher Blutwerte, EKG, Ultraschall aller Organe – am Ende war sie komplett durchgecheckt. Alles gut.

Erfolgreiche Entnahme

Und dann wurde es ernst; der Termin für die Spende auf den 27. März festgesetzt. Ein paar Tage zuvor musste Backhausen-Hesse sich täglich zwei Spritzen ins Unterhautfettgewebe am Bauch setzen. Die sollten ihre Stammzellproduktion ankurbeln. Am Tag der Spende, wieder in Köln, nahm sie in einem Sessel Platz, bekam zwei Zugänge in die Armvenen und schaute zu, wie ihr Blut aus dem einen Arm in einen Separator lief, der die Stammzellen herausfilterte, und dann über den anderen Arm in ihren Körper zurückfloss. Nach zweieinhalb Stunden war es geschafft. „Ich fühlte mich etwas ausgelaugt und hatte eine Weile Gliederschmerzen, aber nicht so schlimm, dass ich die mitgegebenen Schmerzmittel gebraucht hätte. Das ist alles gut machbar.“

Wer ist der Empfänger?

Einen Tag später wurden ihre Stammzellen übertragen. Inzwischen weiß sie, dass ein noch nicht zweijähriger Junge in Russland der Empfänger war. Das sind die einzigen Daten, die man ihr mitgeteilt hat. Aus guten Gründen verläuft bis dahin alles völlig anonym. „Vorher zu wissen, dass es um ein kleines Kind geht, wäre extrem belastend für mich gewesen“, sagt Backhausen-Hesse, die selbst Mutter und Pflegemutter ist.

Infos zur Stammzellspende

Blutstammzellen kommen im Mark der großen Knochen vor. Sie sind der Ausgangspunkt für die Zellneubildung des Blutes und des Abwehrsystems. Ihre Transplantation ist für Leukämiepatienten oft die einzige Chance auf Heilung.

Für eine Transplantation müssen zehn Gewebemerkmale zwischen Spender und Empfänger übereinstimmen. Bei einer Ersttypisierung wird nur ein Teil der Merkmale bestimmt.

Bei mehreren Organisationen in Deutschland kann man sich als Spender registrieren. Alle leiten ihre Daten an das Zentrale Knochenmarkspender-Register Deutschland weiter.

Weitere Infos z.B. auf www.nkr-hannover.de oder www.dkms.de

Der unbedingte Wunsch zu helfen, könnte einen Spender auch dazu verleiten, Informationen zu unterschlagen, die ihn von der Spende ausschließen würden. „Spenderschutz geht immer vor Empfängernutzen und das handhabt das NKR meiner Erfahrung nach auch sehr streng“, sagt Backhausen-Hesse. Sie sei zu jeder Zeit sehr gut betreut und informiert worden. „Es wurde auch akribisch darauf geachtet, dass ich den Nachuntersuchungstermin beim Hausarzt wahrnehme.“

Wenn sie und die Familie des Patienten es möchte, kann in zwei Jahren die Anonymität aufgehoben werden. Dann wäre ein direkter Kontakt möglich, was Backhausen-Hesse freuen würde. Vier Monate nach der Spende hat sie die Nachricht bekommen, dass es dem Jungen gut gehe. Wohl wissend, dass dies eine Momentaufnahme ist. Seine Krankheit ist gefährlich und aggressiv, und auch nach einer Stammzellspende geht nicht jede Geschichte gut aus. Aber die Spende hat eine Chance eröffnet, wo vorher keine war.

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