Brilon. . Eurofighter der Luftwaffe reißen am Samstag Menschen im Sauerland aus dem Schlaf. Sie sollten Kontakt mit ägyptischer Linienmaschine aufnehmen.
Einen großen Schrecken und viel Unsicherheit gab es am Samstagmorgen in weiten Teilen von Sauerland, Wittgenstein und auch im benachbarten Nordhessen. Gegen 7.45 Uhr rissen zwei ohrenbetäubende Knallgeräusche und heftige Druckwellen innerhalb weniger Sekunden unzählige Menschen aus ihrer Wochenendruhe. Viele befürchteten eine Gasexplosion oder Böllerschüsse. Es gab zahlreiche Anrufe bei den Polizeistellen, Unfälle oder Schäden wurden jedoch nicht gemeldet.
Zwei Bundeswehrkampfflieger: „Alarmrotte“ im Einsatz
Die Lösung kam zwei Stunden später aus Oberbayern: „Nix passiert“, meldete die Polizei aus Unterfranken per Twitter. Die Schläge stammten von zwei Bundeswehrkampffliegern, die mit Überschall geflogen waren.
Ein Sprecher der Luftwaffe in Berlin bestätigte auf Nachfrage der WP, dass am Samstagmorgen der Funkkontakt zu einem ägyptischen Linienflugzeug auf dessen Weg nach Düsseldorf abgebrochen sei. Gegen 7.30 Uhr stieg daraufhin eine „Alarmrotte“ aus zwei Eurofightern vom Luftwaffen-Stützpunkt Neuburg in Oberbayern auf. Ab Bamberg flogen diese Eurofighter mit mehr als Schallgeschwindigkeit, was über hunderte von Kilometern zu lauten Knallgeräuschen und Druckwellen führte. Der ägyptische Flieger hatte seinen Funk schnell wieder unter Kontrolle, so dass der Einsatz abgebrochen werden konnte.
Schneller als der Schall
Der Schall breitet sich mit einer Geschwindigkeit von rund 1200 km/h in Wellen rund um seine Geräuschquelle aus. Ein Flugzeug, das sich mit weniger als dieser Geschwindigkeit nähert, kann man daher schon hören, bevor man es sieht. Fliegt ein Flugzeug mit hohem Tempo, verdichtet sich der Schall vor ihm. Wenn es schneller wird als der Schall, also „Überschall“ fliegt, durchbricht es die Schallwellen und zieht sie – wie ein schnelles Schiff im Wasser – in kegelförmigen Kreisen hinter sich her.
Treffen solche Schallwellen auf Menschen und Tiere, werden sie als Knall mit einer Druckwelle erst dann wahrgenommen, wenn das Flugzeug schon vorbeigeflogen ist. Der Knall entsteht nicht nur in dem Moment, in dem die Schallgeschwindigkeit durchbrochen wird, sondern er zieht sich in bis zu 80 Kilometer breiten Kegeln hinter dem Flugzeug her.
So lässt sich erklären, dass die Eurofighter auf dem Weg nach Düsseldorf von Bayern über Hessen bis in Teile von NRW zu hören waren. Die Eurofighter-Piloten selbst hören diesen Knall nicht, weil sie quasi vor ihm herfliegen.
Viele Menschen erinnern sich gut, dass es bis in die 1990er Jahre hinein regelmäßig durch Bundeswehrübungen zu Überschall- oder Tiefflügen mit der entsprechenden Lärmbelästigung kam. Heute sind solche Flüge samt Geräuschkulisse selten geworden, was die am Samstag entstandene Unruhe begründet.
Der deutsche Luftraum ist in 80 Sektoren unterteilt. Überfliegt ein Pilot eine Sektorengrenze, wird ihm von einem Lotsen der Flugsicherung, die alle Flüge überwacht, eine aktuelle Funkfrequenz zugeteilt. Kommt der Kontakt im neuen Sektor nach fünf Minuten nicht zustande, setzt der Lotse eine Meldung ab.
Die Nato hält in Deutschland zwei Alarmrotten (eine in Neuburg an der Donau, eine im niedersächsischen Wittmund) mit je zwei Eurofightern rund um die Uhr in Bereitschaft. Innerhalb von 15 Minuten sind zwei Piloten in der Lage, gleichzeitig aufzusteigen und ein auffälliges Flugzeug zu verfolgen. Einer der Eurofighter fliegt so nah an dieses Flugzeug heran, dass sowohl das Cockpit eingesehen als auch Blickkontakt mit dem Piloten aufgenommen werden kann.
Aus Flugrichtung drängen und zum Landen zwingen
Durch international standardisierte Sichtzeichen verständigen die Flieger sich, ob ein Fehler vorliegt, es sich um einen Notfall oder gar um eine Entführung oder einen Anschlag handelt. Kann der Fehler nicht vom Piloten selbst behoben werden, begleiten die Eurofighter das Flugzeug zu einem Flughafen. Sie könnten es im Ernstfall auch aus seiner Flugrichtung drängen und zum Landen zwingen oder es bis zur Landesgrenze geleiten und da an eine Alarmrotte aus einem anderen Staat übergeben, so der Luftwaffensprecher.
Fehlender Funkkontakt und 15 bis 20 Mal im Jahr
Zu Eurofighter-Einsätzen aufgrund fehlender Funkkontakte komme es rund 15 bis 20 Mal im Jahr. Der Luftraum in Süddeutschland sei dabei deutlich häufiger betroffen, weil er stärker frequentiert sei als Norddeutschland. Ernsthafte Vorfälle im deutschen Luftraum habe es schon länger nicht mehr gegeben. Im Januar 2003 hatte ein Mann einen Motorsegler in Südhessen gekapert, kreiste damit über Frankfurt und drohte damit, in das Gebäude der Europäischen Zentralbank zu fliegen. Der Stadtverkehr und der Flughafen wurden daraufhin gesperrt, viele Hochhäuser geräumt. Zwei Phantomjäger der Bundeswehr konnten den Flieger schließlich nach zwei Stunden zwingen, auf dem geräumten Frankfurter Flughafen zu landen, wo er verhaftet wurde. Menschen wurden dabei nicht verletzt.
Anschläge vom 11. September 2001 in den USA
Die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA und dieser Vorfall in Frankfurt führten im Sommer 2003 dazu, dass in Uedem am Niederrhein das „Nationale Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum (NLFZ SiLuRa)“ eingerichtet wurde. Vertreter der Luftwaffe, der Bundespolizei, des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe und der Flugsicherung koordinieren hier mit den zuständigen Ministerien Verkehr, Inneres und Verteidigung eventuelle Gefahren-Einsätze im deutschen Luftraum und entscheiden über notwendige Schritte.
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