Hochsauerlandkreis. . Die EU will Plastikmüll reduzieren. Marcell Wiese vom Entsorgungsunternehmen sieht die Pläne positiv.
Wenn es nach der EU-Kommission geht, gibt es demnächst kein Wegwerfgeschirr aus Plastik mehr. Unter anderem mit einem Verbot vieler Einwegprodukte aus Plastik will sie in erster Linie das Müllproblem in den Meeren reduzieren - denn dort endet ein großer Teil des Plastikmülls aus Industrieländern.
Wir haben mit Marcell Wiese über die EU-Pläne gesprochen und ihn um eine Einschätzung gebeten. Wiese ist Geschäftsführer beim Entsorgungsunternehmen Stratman.
Die EU will unter anderem mit dem Verbot von Einweg-Strohhalmen und Einweg-Geschirr den Plastikmüll drastisch reduzieren. Was sagen Sie als Entsorger zu diesen Plänen?
Marcell Wiese: Das Verbot zur Herstellung von Einweg-Strohhalmen und Einweg-Geschirr soll dazu dienen, das Plastikaufkommen in den Weltmeeren zu reduzieren. Diese Anstrengungen sind sehr positiv zu bewerten. Allerdings haben sie eher symbolischen Charakter.
Wichtig ist, in allen Staaten funktionierende Entsorgungsstrukturen aufzubauen. Wir haben in Deutschland eine gute Sammlungs- und Sortierstruktur. Diese gilt es aber weiter auszubauen. Was früher Abfall war, ist heute ein Wertstoff. Wertstoffe sind so einzusammeln, zu sortierten und zu behandeln, dass diese zur Herstellung von neuen Produkten wieder eingesetzt werden können.
Was sind aus Sicht eines Entsorgers die größten Probleme. Teilen Sie die Bedenken der EU oder gibt es ganz andere Probleme, die hier eigentlich angepackt werden müssten?
Ich habe es selbst im Urlaub an der Nordsee gesehen, wie Plastikabfälle an den Strand gespült werden. Von daher teile ich die Bedenken der EU voll und ganz. Wir müssen an der Verschmutzung der Meere und Landschaften sowie der Verschwendung von Rohstoffen ganz dringend etwas ändern.
Wir tun gerade so, als hätten wir eine zweite Welt im Keller. Wir verfügen in der Entsorgungswirtschaft über hochmoderne, teilweise vollautomatische Sortieranlagen mit hoher Durchsatzleistung. Allerdings erschweren das heutige Produktdesign und die Materialzusammenstellung der Verpackungen eine sortenreine Sortierung. Beispielsweise können PET-Schalen für Obst aufgrund von unterschiedlichen Kunststoffarten (Mulitlayer) derzeit nicht recycelt werden.
Wenn bei einer Plastikflasche die Oberfläche aus einem anderen Material als die Verpackung besteht, dann wird automatisch falsch sortiert. An dieser Stelle könnte man viele Beispiele nennen, die eine sortenreine Sortierung erschweren. Verpackungen haben in erster Linie auch eine Marketingfunktion.
Wir müssen uns selbst an die Nase fassen und fragen, ob wir weiterhin auf die Marketingtricks reinfallen wollen. Müssen wir die Süßigkeiten in einer Box kaufen, in der jeder einzelne Schokoladenriegel wiederum separat verpackt ist? Auf der einen Seite sind die Hersteller und Verpackungsdesigner gefordert, recyclingfähige Verpackungen herzustellen.
Auf der anderen Seite müssen die Verbraucher aufgeklärt werden. Die Einstellung muss sich ändern. Heute liegt sogenanntes ,Convenience Food’ voll im Trend. Das ist eine schöne Umschreibung von vorgefertigte Lebensmittel in Portionsgröße, weil man heute zu bequem ist und anscheinend nicht mehr viel Zeit hat.
Was macht Plastikmüll so problematisch?
Es gibt Berichte, dass mit den Mengen an die Plastiktüten, die in Deutschland in nur fünf Tagen verbraucht werden, sich die Münchener Allianz Arena bis zum Rand mit Rohöl vollgießen ließe. Mit diesem Beispiel zeigt sich: Plastikabfälle sind nicht nur eine riesengroße Verschwendung, sondern sind auch eine große Verschmutzung.
Zudem existieren für jeden Anwendungsbereich unterschiedliche Kunststoffarten und Verbindungen. Neben der Erfassung und Sortierung müssen Kunststoffverbindungen, wenn technisch überhaupt möglich, wieder voneinander getrennt werden. Insgesamt stehen wir vor großen Herausforderungen.
Was geschieht im besten Fall mit meinem Plastikmüll, wenn ich ihn ordnungsgemäß entsorge?
Wenn die Kunststoffverpackung über den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne entsorgt wird, wird diese einer Sortieranlage zugeführt. Die Sortieranlage sortiert und trennt nach Kunststoffarten.
Nach der Sortierung wird die Verpackung in einem spezialisierten Recyclingbetrieb behandelt (z. B. gewaschen und granuliert), um anschließend als Ausgangsstoff für ein neues Produkt wieder eingesetzt zu werden.
Grüne und Umweltschützer bemängeln, dass die Pläne der EU nicht weit genug gehen. Letztlich helfe nur konsequentes Recycling. Was sagen Sie dazu?
Wie bereits angeführt, funktioniert ein konsequentes Recycling nur so gut, wie die Sortier- und Recyclingfähigkeit der Kunststoffabfälle es hergeben. Das beginnt schon bei der Herstellung des Materials.
Es müssen ausschließlich sortenreine Materialien verwendet werden. Um Anreize für ein konsequentes Recycling zu geben, sollten Hersteller verpflichtet werden, Rezyklate bei der Herstellung neuer Produkte einzusetzen.
Ich bin kein Freund davon, gesetzliche Regelungen vorzugeben. Die Wunschvorstellung wäre es, der Verbraucher würde durch seine Kaufentscheidungen Hersteller dazu verpflichten, umweltfreundliche Produkte zu vertreiben.
>>>> INFO: 9 386Tonnen gelbe
Säcke im HSK gesammelt
Im Kampf gegen die Flut von Plastikmüll plant die EU-Kommission drastische Maßnahmen: Plastikbesteck oder Wattestäbchen für den privaten Gebrauch sollen verboten werden. Für andere Plastikprodukte, wie Luftballons zum Spielen oder zur Dekoration, sollen auffällige Warnhinweise vorgeschrieben werden, die über die Umweltrisiken aufklären.
460 Kilogramm Abfall produziert im Durchschnitt jeder Einwohner im HSK im Jahr, 178 Kilo davon entfallen auf Haus- und Sperrmüll, 60 Kilo entfallen auf den „Gelben Sack“. 9386 Tonnen „gelbe Säcke“ wurden 2017 im HSK gesammelt.
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