Hochsauerlandkreis. . Neues Buch „Krieg im Wald“ vermittelt geschichtlichen Überblick zu Wilderei und Waldkonflikten. Auch für den Altkreis eine blutige Geschichte.

Über Jahrhunderte hinweg wurde um Fleisch und Holz ein erbitterter und zuweilen blutiger Kampf geführt – auch im Altkreis Brilon. Ein brutales Kapitel der regionalen Sozialgeschichte, dem Theologe und Schriftsteller Peter Bürger sein neues Werk „Krieg im Wald“ widmet.

In einigen Ihrer Publikationen setzen Sie sich kritisch mit einer schönfärberischen Geschichtsschreibung auseinander. Trifft das auch auf das kürzlich von Ihnen herausgegebene Werk „Krieg im Wald“ zu?

Peter Bürger: Durchaus. Ich möchte zeigen, dass das Kapitel Wilderei sich keineswegs in eine harmlose Heimat-Romantik einfügt. Es geht im Buch um die Beschaffung von Fleisch und Holz, um knallharte Verteilungskämpfe in der nahen Geschichte.

Der am 27. Juli 1919 auf einer „Wildererstreife“ nahe Brilon erschossene Förster Hugo Birkenfeld aus Rüthen.
Der am 27. Juli 1919 auf einer „Wildererstreife“ nahe Brilon erschossene Förster Hugo Birkenfeld aus Rüthen. © Archiv Peter Bürger

Im kurkölnischen Sauerland betrachteten die Adeligen das Jagen als ihr Vorrecht – wie verhielt es sich denn mit den Waldflächen des heutigen Regionalforstamts Oberes Sauerland?

Die gehörten zu dem Gebiet, in dem vor allem Adel und auch Klosterherren das Wild erlegen wollten, während die Bauern aufgrund von Feldschäden das Nachsehen hatten. 1794 schrieb dann sogar die Hofkammer von Brilon aus, das passe nicht mehr zu aufgeklärten Zeiten.

Wieso haben Sie für das Werk den Titel „Krieg im Wald“ gewählt?

Ausschlaggebend war der Buchbeitrag von Werner Neuhaus. Der Titel passt in mehrfacher Hinsicht. Menschen schießen auf ihresgleichen. Die Preußen setzten – zum Beispiel im Raum Marsberg – auch Militär zur Jagd auf Wilddiebe ein. In Nachkriegszeiten hatte das Wildererhandwerk immer Hochkonjunktur.

Was waren es denn für Leute, die im „Waldkrieg“ gegeneinander kämpften und sogar ihr Blut vergossen haben?

Die Wilderer, auch wenn sie für gewerbsmäßige Netzwerke jagten, waren fast immer arme Schlucker. Die beteiligten Forstbediensteten gehörten aber ebenfalls nur selten zu den Bessergestellten.

Peter Bürger über sein neues Buch
Peter Bürger über sein neues Buch "Krieg im Wald" © Privat

Kommen in Ihrem Buch rund um Wilderei und Waldkonflikte auch Schicksale von Menschen aus dem Altkreis Brilon zur Sprache?

Sehr viele, auch wenn eine systematische Durchsicht des „Sauerländer Anzeigers“, Brilon 1851-1904, bestimmt noch zahllose weitere Funde erbringen würde. 1821 wurde in Brilon Förster Lüke von Holzfrevlern erschlagen und 1838 kam ein Briloner Holzdieb zu Tode; 1896 erschossen zwei Madfelder Wilddiebe den Forstlehrling Karl Düssel aus Padberg. 1919 kam es zum doppelten Förstermord nahe Brilon.

1869 traf eine Soldatenkugel den Handwerker Johann Lohoff aus Oesdorf, der als Gefährte des legendären Klostermann wilderte. 1923 wurde der erst 20-jährige Heinrich Kuhn aus Winterberg-Langewiese als Helfer des illegal jagenden Vaters vom Förster verfolgt und durch einen Schuss in den Rücken getötet. Ich nenne diese tragischen Fälle nur als Beispiele.

Zur Person

Peter Bürger ist 1961 in Eslohe geboren, studierte in Bonn, Paderborn und Tübingen. 2006 gewann er den Bertha-von-SuttnerPreis für friedensbewegte Medienstudien, 2016 den Rottendorf-Preis für Verdienste um die Erforschung plattdeutscher Literatur. Seit 2014 läuft sein Projekt „Friedenslandschaft Sauerland“ , aus dem die Bücher „Sauerländische Friedensboten“ und „Sauerländische Lebenszeugen“ hervorgegangen sind.

Sie haben sich in vergangenen Veröffentlichungen zum Beispiel mit Mundart, sauerländischem Widerstand gegen den Nationalsozialismus und Friedensbewegungen beschäftigt – wieso war es Ihnen ein Anliegen, über Waldkonflikte zu forschen?

Das Thema gehört wie Armut und Amerika-Auswanderung zur Sozialgeschichte der sauerländischen Landschaft, aus der man viel lernen kann – auch für heute. Gerechte Verhältnisse – im Kleinen und global – sind nötig, damit Menschen nicht aufeinander schießen.

Gibt es ein neues Projekt, zu dem Sie uns schon etwas verraten können?

Nach den Titeln „Hermann Klostermann“ und „Krieg im Wald“ arbeite ich mit Hans-Dieter Hibbeln an einem dritten Band über Wilddiebe. Etwas ganz anderes: Ein kleines Buch über den lateinamerikanischen Märtyrerbischof Oscar Romero kommt hoffentlich noch vor dessen Heiligsprechung am 14. Oktober heraus.

  • Die zwei „Wilderer-Bücher“ sind überall im Buchhandel bestellbar: „Krieg im Wald. Forstfrevel, Wilddiebe und tödliche Konflikte in Südwestfalen“, 308 Seiten, 18,90 Euro, ISBN: 978-3-7460-1911-6; „Hermann Klostermann. Der populärste Wilddieb Westfalens und sein Fortleben in literarischen Mythen“, 412 Seiten, 19,90 Euro, ISBN: 978-3-7448-5055-1.
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