Hallenberg. . Der Funke sprang beim ersten Lied über: Franziska Mause als Eliza und das Ensemble der Freilichbühne begeistern das Publikum.
Riesen-Theater in Berlin oder lieber kleines feines Theater in Hallenberg? NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der die Spielsaison der Freilichtbühne eigentlich eröffnen wollte, hatte am Sonntag keine Wahl und musste kurzfristig wegen der Asyldebatte zwischen CDU und CSU in die Hauptstadt reisen. Für ihn sprang der Landtagsabgeordnete Matthias Kerkhoff ein.
Bei der Entscheidung zwischen der Premiere des Musicals „My fair Lady“ und dem ersten WM-Spiel von Deutschland hatten die 1000 Besucher, die lieber zur Freilichtbühne Hallenberg gekommen waren, jedoch offensichtlich mehr Spaß als die Fußballfans.
Passivität und mangelnde Spielfreude wurde Jogis Nationalelf vorgeworfen – ganz im Gegensatz zu den 62 Darstellern der Freilichtbühne, die das Publikum in einer mitreißenden Vorstellung voll und ganz überzeugten. Schon beim ersten Chorstück sprang der Funke über, es wurde mitgesungen, mitgeklatscht, mitgelitten und mitgelacht.
Schnöseliger Sprachexperte
Thomas Knecht sollte den Zuschauern besser nicht verraten, wo sein Auto steht. Letztes Jahr noch in der urkomisch angelegten Hauptrolle als verkleidete Musikerin Daphne in „Sugar“, brilliert er in dieser Saison als selbstverliebter, arroganter, eloquenter Sprachexperte Henry Higgins. Frauen sieht er als überflüssige Fehlentwicklung der Evolution und duldet sie höchstens als wohldressiertes Stubenmädchen: „Kann eine Frau nicht sein wie ein Mann, kann eine Frau nicht sein wie ich?“ Wenn er seine sprachgewaltige Weltanschauung, gepaart mit perfekter Körpersprache und Mimik, süffisant über seinen Gegenpart Oberst Pickering (Stefan Pippel), sein Versuchsobjekt Eliza (Franziska Mause) oder sein stummes Heer an Bediensteten ergießt, vergisst man im Publikum förmlich, dass es sich nur um eine Rolle handelt, sondern ächzt bei jedem verbalen Frontalangriff auf die Weiblichkeit mit und freut sich diebisch, wenn Eliza sich nicht unterkriegen lässt und dem eitlen Schnösel einen Gegenschlag verpassen kann.
Großer Auftritt von Franziska Mause
Und überhaupt Eliza: Franziska Mause avanciert in ihrer ersten Hauptrolle zum absoluten Publikumsliebling. Im ersten Akt mimt sie das rotzige Blumenmädchen Eliza mit starkem Dialekt, das Professor Higgins von der Straße aufsammelt, um es für eine Wette in sechs Monaten zu einer feinen Lady umzuerziehen.
Diese Wette gewinnt er zwar, aber er kann Eliza nicht brechen. Franziska Mause spielt überzeugend eine junge Frau, deren Temperament zur Freude der Zuschauer immer wieder durchbricht und die sich auch als Dame nicht anpasst, sondern selbstbewusst ihren Weg geht. Sie spielt es und sie singt es mit einer derart glockenklaren Stimme und sauberen Intonation selbst in hohen Lagen, dass man kaum glauben kann, dass auf der Freilichtbühne ausschließlich Laien auf der Bühne stehen.
Debüt als Regisseur in Hallenberg
Profi hingegen ist Florian Hinxlage, der mit „My fair Lady“ sein Debüt als Regisseur gibt. Er habe im Vorfeld wie ein Wirbelwind alles auf den Kopf gestellt, neue Akzente gesetzt und den Hallenberger Schauspielern mit seinem Team aus Coaches für Sologesang, Chor und Tanz eine Menge abverlangt, wie er selbst sagt: „Es ist nicht zu hundert Prozent, sondern zu 110 Prozent inklusive Technik, Kulisse, Kostüm, Maske und allen, die an einer solchen Inszenierung mitarbeiten, geglückt!“
Vor der Aufführung noch glühend vor Lampenfieber („Es ist die Hölle. Aber wenn ich das nicht mehr spüre, gebe ich meinen Job dran.“), macht er seinen Darstellern anschließend ein Riesenkompliment: „Die Freilichtbühne hat sich in den letzten Monaten auch durch Fachabteilungen wie Tanzgruppe oder Männerchor so weiterentwickelt, dass in Zukunft Stücke möglich werden, an die man bisher nicht denken konnte.“
Unterhaltsames Sommertheater
Bildgewaltige Massenszenen auf der Straße, in der Kneipe, beim Pferderennen oder auf einem pompösen Ball wechseln sich bei „My fair Lady“ mit schwungvollen Tanzeinlagen ab, ohrwurm-verdächtigen Gesangsstücken und kammerspielartigen Passagen zu dritt, zu zweit oder allein auf der Bühne. Sommertheater, wie es unterhaltsamer nicht sein könnte.
Gibt es ein Happy End für Eliza und Professor Higgins? Zwei so verschiedene Charaktere können sich einfach nicht kriegen. Oder etwa doch?
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