Arnsberg/Winterberg. . Der Prozess um den Hungertod eines Jungen aus Winterberg zieht sich weiter. Der Anwalt stellt erneut einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer.

Kein Urteil, zwei weitere Verhandlungstage, ein Nebenklägervertreter, der aus dem Prozess aussteigt und ein neuer Befangenheitsantrag gegen die Schwurgerichtskammer – das ist im Telegrammstil das Ergebnis des gestrigen 19. Verhandlungstages, der sich mit vielen Pausen von 9 bis 17 Uhr hinzog. Und dabei gerät immer mehr in Vergessenheit, dass es um den Hungertod eines zweijährigen Jungen geht und um seine jüngere Schwester, die noch gerettet werden konnte.

Das Verfahren gegen die 40-jährige, zehnfache Mutter aus dem Raum Winterberg, die wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Körperverletzung durch Unterlassen angeklagt ist, geht weiter.

Gestern Morgen gab Rechtsanwalt Oliver Brock aus Brilon eine Erklärung ab. Juristisch gesprochen ersuchte er das Gericht, seine Beistandsbestellung aufzuheben.

So geht es weiter

Der Prozess wird nun am Mittwoch, 9. Mai, um 15 Uhr fortgesetzt – jedenfalls sofern die Kammer nicht für befangen erklärt wird.

Wäre das der Fall, würde der Prozess platzen und müsste von komplett vorne aufgerollt werden.

Als übernächster Verhandlungstag ist der 12. Mai im Gespräch – übrigens ein Samstag.

Im Klartext heißt das: Er möchte den Ex-Lebensgefährten und Hauptbelastungszeugen der Angeklagten nicht weiter in diesem Prozess vertreten. Dem kam die Kammer nach. „Ich bin damals von vier Verhandlungstagen ausgegangen, mittlerweile sind wir bei neunzehn und mehr. Ein Ende ist nicht in Sicht. Viele andere wichtige Termine muss ich deswegen verschieben, meine ganze geordnete Kanzleistruktur leidet unter dieser Situation. Das ist nicht mehr hinnehmbar.“

Rückzug: Kein Zusammenhang mit Anträgen

Ausdrücklich betonte Brock, dieses Ersuchen habe nichts mit den Anträgen der Angeklagten bzw. ihres Verteidigers zu tun, die einen Interessenkonflikt gesehen hatten. Bevor Brock dem Ex-Lebensgefährten und Hauptbelastungszeugen der 40-Jährigen im August 2017 „beigestellt“ wurde, hatte er 2014 ein Gespräch mit der Angeklagten gehabt und Akteneinsicht beantragt.

Schwurgerichtskammer wird ungewohnt deutlich

Dies sei aber keine Mandatsübernahme gewesen, so der Nebenklägervertreter. Stephan Lucas hatte u.a. daraus einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer abgeleitet und beantragt, Brock in dem Verfahren zu „entbinden“. Dem kam der Anwalt durch sein Gesuch zuvor, das er auch damit begründete, dass er einem zügigen Verhandlungsablauf nicht entgegenstehen wolle. Brock versicherte, er werde für einen adäquaten Ersatz sorgen.

Rechtsanwalt Oliver Brock aus Brilon

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    Ungewohnt deutlich drückte die Schwurgerichtskammer danach aufs Gaspedal. Denn es wird zunehmend schwieriger Termine zu finden, an denen alle Verfahrensbeteiligten anwesend sein können. Und es geht um verfahrensrechtliche Fristen, die einzuhalten sind. Mehr als drei Wochen dürfen nicht zwischen den einzelnen Prozesstagen liegen.

    Zwischenzeitlich rückte ein Urteil in greifbare Nähe

    Daher schloss die Vorsitzende, Richterin Dorina Henkel, dann am Mittag auch die Beweisaufnahme; sie räumte aber ein, dass die Kammer weitere, begründete Anträge annehme. Staatsanwalt und Verteidiger bat sie allerdings, sich für den Nachmittag auf Plädoyers einzustellen. Es gab erneut eine 90-minütige Sitzungsunterbrechung und zwischenzeitlich rückte sogar ein Urteil in greifbare Nähe.

    Anwalt der Mutter kritisiert: Rolle eines Störers?

    Gegen 16 Uhr stellte Verteidiger Lucas dann aber im Namen seiner Mandantin den nächsten Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende und gegen die Kammer. Dass die Beweisaufnahme einfach so geschlossen werde, ohne danach zu fragen ob es noch weitere Anträge gebe, sei ein „überrumpelnder Beschluss“, der Zweifel an der Fairness der Kammer nähre. Das Gericht wolle den Prozess ganz offensichtlich schnell beenden und ihn in die Rolle eines Störers bringen.

    Wie schon am Montag muss auch über diesen Antrag eine andere Kammer am Arnsberger Landgericht beraten. Sie besteht aus drei Berufsrichtern. Das Ergebnis wird gleich zu Beginn des nächsten Verhandlungstages bekannt gegeben. Staatsanwalt Klaus Neulken sagte dazu: „Ich fand das Ende der Beweisaufnahme nicht überraschend, sondern folgerichtig. Daraus einen Befangenheitsantrag zu konstruieren, ist völlig überzogen.“

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