Arnsberg/Winterberg. Im Fall um den Tod eines Jungen (2) hat der Verteidiger einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt. Das Verfahren stand auf der Kipppe.

Der Verteidiger zieht auch die letzte Karte im komplizierten und langwierigen Verfahren um Haft oder Bewährung für eine zehnfache Mutter aus dem Raum Winterberg.

Stephan Lucas ist der Ansicht, die fünfköpfige Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Richterin Dorina Henkel im Landgericht Arnsberg ist befangen. Über den Antrag, den er am Montagmorgen gestellt hat, muss eine andere Kammer entscheiden. Würde sie dem Anwalt recht geben, müsste das komplette Verfahren noch einmal bei Null anfangen - mit neuen Schöffen und Berufsrichtern. Alle bisherigen 18 Verhandlungstage hätten dann kein Urteil gebracht.

Mehr als sechs Stunden beraten

Nach mehr als sechsstündiger Beratung hat eine Kammer am Landgericht das Ablehnungsgesuch von Verteidiger Lucas als unzulässig verworfen. Es sieht keine Gründe für eine Befangenheit der Schwurgerichtskammer u. a. keinerlei Interessenskollision in Bezug auf die Vorwürfe gegenüber Verteidiger Brock.

Bis 19.40 Uhr ist die Sitzung unterbrochen. In der Zeit möchte Verteidiger Lucas mit seiner Mandantin weiter beraten. Die Kammer hat unterdessen auch alle am 12.April eingereichten weiteren Beweisanträge abgelehnt. Morgen könnte es vielleicht zu einem Urteil kommen - aber diese Prognose mag niemand abgeben.

Darum geht es in dem Verfahren

Der Vorwurf in dem Verfahren: die 40-jährige Frau soll zu spät reagiert haben, als zwei ihrer Kinder viel zu wenig gegessen und getrunken hatten. Der 2014 fast zweijährige Sohn starb in einem Krankenhaus; seine jüngere Schwester wurde gerettet. Seit September und bis heute bleibt aber zumindest Verteidiger Lucas dabei: „Das, was da passiert ist, ist ganz schlimm. Und es vergeht kein Tag, an dem meine Mandantin nicht an diese Sache denkt. Aber man kann ihr doch keine Absicht unterstellen.“ Der 40-jährigen Angeklagten wird Körperverletzung mit Todesfolge und Körperverletzung zur Last gelegt. Und genau jenen Vorsatz wollte das Amtsgericht Medebach nicht ausschließen, weshalb das Verfahren nun in Arnsberg gelandet ist - und einen juristischen Rattenschwanz ohne Ende ausgelöst hat:

Vor dem Amtsgericht Brilon ruht ein Verfahren gegen den Ex-Lebensgefährten und Vater von ursprünglich neun gemeinsamen Kindern. Ihm wirft die Frau u.a. Vergewaltigung vor; ein Sohn hatte in diesem Verfahren weitere schwere Vorwürfe gegen den in Bremen lebenden Man erhoben. Er soll dem Jungen einen Gürtel um den Hals und ihn daran hochgezogen haben, auch von Schlägen mit Stock und Faust ist die Rede.

Ermittlungen gegen Mitarbeiterin des HSK Jugendamtes

Der Prozess in Medebach hatte Ermittlungen gegen eine Mitarbeiterin des HSK Jugendamtes ausgelöst. Ihr wird vorgeworfen, die Familie nicht streng und engmaschig genug kontrolliert zu haben. Vor fast genau einem Jahr war die 29-jährige wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Noch im Gerichtssaal hatten ihr Verteidiger Thomas Mörsberger - der in diesem Prozess ständiger Beobachter ist - und Staatsanwalt Klaus Neulken Berufung eingelegt. Einen Termin für das Berufungsverfahren gibt es noch nicht.

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