Winterberg/Hochsauerland. . Gerhard Mohnke ist Leiter der Außenstelle Hochsauerlandkreis des Weißen Rings. Er ist beinahe rund um die Uhr erreichbar.

Er ist beinahe rund um die Uhr erreichbar. „Und falls nicht, rufe ich schnellstmöglich zurück.“ Das Ehrenamt von Gerhard Mohnke erfordert ­hohen Einsatz. Mit sieben weiteren Ehrenamtlichen im HSK arbeitet er für die Opferorganisation Weißer Ring. Seit rund einem Jahr ist der Züschener Leiter der Außenstelle Hochsauerlandkreis.

Initiative von Eduard Zimmermann

Der Weiße Ring wurde 1976 auf Initiative von Eduard Zimmermann („Aktenzeichen XY ungelöst“) gegründet.

Deutschlandweit gibt es 18 Landesverbände, 420 Außenstellen und rund 3000 Ehrenamtliche

Im HSK gibt es acht Ehrenamtliche: drei in Arnsberg, zwei in Meschede und jeweils einen in Schmallenberg, Winterberg und Marsberg

Der Weiße Ring kümmert sich um Opfer von Straftaten. Denn diese bleiben oft mit den Folgen einer Tat allein. „Das Opfer spielte lange Zeit eine sehr untergeordnete Rolle“, weiß der pensionierte Hauptkommissar aus eigener Erfahrung. Heute gibt es auch bei der Polizei Opferschutzbeauftragte. „Seitdem hat sich schon viel verbessert.“ Von diesen Beauftragten erhält der Weiße Ring die meisten seiner Fälle. Aber auch Angehörige und Betroffene selbst können sich melden.

Manchmal ist Soforthilfe nötig

Der Weiße Ring kennt verschiedene Hilfeformen. Dazu gehören Gespräche, Beistand leisten und das Vermitteln von Hilfsangeboten. Sehr oft geht es aber (auch) um Geld. Wer finanzielle Hilfe bekommt, muss zuvor seine Bedürftigkeit nachweisen.

Instrument 1 ist die Soforthilfe. Mohnke nennt ein einfaches Beispiel: „Eine alte Dame hat die Rente abgehoben, wird vor der Bank überfallen und das Geld ist weg.“ Maximal 300 Euro können in einem solch akuten Fall einmalig bar ausgezahlt werden. Über diese Summe kann der Leiter der Außenstelle entscheiden. Alles, was über die Soforthilfe hinausgeht, fällt unter die sogenannte Opferhilfe – Mittel dafür muss die Außenstelle bei der Bundesgeschäftsstelle in Mainz beantragen. Ein Beispiel: Eine Frau wird vom Partner geschlagen, kann aber allein keinen Umzug finanzieren.

Weitere Hilfen gibt es in Form von Beratungs- und Therapieschecks. Mit einem Beratungsscheck kann eine anwaltliche Erstberatung bezahlt werden. Der Therapiescheck öffnet traumatisierten Opfern eine Tür zu psychologischer Hilfe. „Manche Opfer sind nahezu handlungsunfähig“, sagt Mohnke. Sie trauen sich den üblichen Weg über den Hausarzt nicht zu, wollen nicht x-Mal ihre Geschichte erzählen. Andere haben generelle Vorbehalte. In all diesen Fällen kann ein Therapiescheck helfen, den Weg zu erleichtern. „Und manchmal sind die Wartezeiten bei Therapeuten auch nicht so lang, wenn der Weiße Ring anruft.“

In Ausnahmefällen gibt es Sonderhilfen. Das kann eine Beihilfe zu einem Urlaub sein oder zu einer Therapeutenrechnung, die von der Krankenkasse nicht anerkannt wurde. Jeder Einzelfall muss aber gut begründet werden.

Ehrenamtliche Arbeit

Im vergangenen Jahr haben die acht Ehrenamtlichen im HSK 54 Fälle bearbeitet. Am häufigsten, nämlich 18 Mal, ging es dabei um sexualisierte Gewalt; 14 Mal um häusliche Gewalt. „Das Sauerland ist kein Paradies zwischen 1000 Bergen“, stellt Mohnke klar. Auch auf dem Land, wo alles in Ordnung scheint, wird geschlagen und gequält. 2017 ging es außerdem für die Helfer vom Weißen Ring siebenmal um Körperverletzung, fünfmal um Raub, viermal um Mobbing und jeweils zweimal um Diebstahl und Tötungsdelikte.

Als Leiter der Außenstelle Hochsauerlandkreis ist Mohnke auch für Verwaltungsarbeiten zuständig. „Als ich das übernahm, dachte ich: ,So viel wird das schon nicht sein’.“ Aber inzwischen verbringt er jeden Tag eine bis anderthalb Stunden mit Organisation. Er nimmt neue Fälle an, verteilt sie an die Ehrenamtlichen vor Ort, telefoniert und mailt mit Betroffenen, Polizei, Therapeuten, Anwälten, Gerichten, bringt als Lotse Opfer und Hilfsangebote zusammen.

Wer sich für eine Mitarbeit beim Weißen Ring interessiert, muss zunächst Mitglied werden und dann als Anwärter bei mindestens drei Fällen einen erfahrenen Ehrenamtlichen begleiten. Es folgen ein eintägiges Infoseminar und ein Grundseminar an einem Wochenende. Das folgende halbe Jahr lang bearbeiten die Anwärter ihre ersten Fälle, bevor es zu einem zweitägigen Aufbauseminar geht, das im Abstand einiger Jahre wiederholt werden sollte. Fertig ausgebildete Ehrenamtliche können aus einem über 100 Seiten dicken Programm mit Fortbildungskursen wählen und sich auf Wunsch auch spezialisieren, z.B. auf Prävention oder die Arbeit mit Opfern sexualisierter Gewalt.

Wichtig: Vertrauen aufbauen

Die Helfer bekommen ganz klare Vorgaben, was ihre Aufgabe ist – und was nicht. „Ich musste meine Rolle im Vergleich zu meinem Berufsleben völlig ändern“, erzählt der pensionierte Polizeibeamte. Zuhören, Glauben schenken und helfen, das sind jetzt seine Aufgaben. „Wir ermitteln nicht. Wir therapieren nicht. Unsere Aufgabe ist es, Vertrauen aufzubauen. Wir drängen nichts auf, auch keine Hilfe.“ Fatal wäre es, wenn ein Helfer in seelischen Wunden herumpulen würde. „Wenn wir durch solches Verhalten einen Schaden anrichten, trifft uns die volle Härte des Gesetzes“, stellt Mohnke klar. Immer sind es die Opfer, die entscheiden, wo sie die Grenze ziehen.

Auch am Ende eines Kontakts muss der Helfer seine Neugier zurückstellen. „Bei den meisten Fällen weiß ich nicht, was daraus am Ende geworden ist. Ich will es auch nicht wissen. Wenn es gut ausgegangen ist, würde ich mich freuen. Wenn nicht, könnte ich nichts daran ändern.“ Loslassen können ist eine wichtige Fähigkeit für Helfer.