Arnsberg/Winterberg. Vor dem Schwurgericht Arnsberg wird für Freitag ein Urteil gegen eine zehnfache Mutter erwartet. Ihr wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgewofen.
- Letzter Verhandlungstag mit Gutachten und Plädoyers
- Zehnfache Mutter räumt Versäumnisse in der Versorung der Kinder ein
- Sohn starb mit 25 Monaten an massiver Unternernährung
Ja, sie habe gesehen, dass ihr Sohn viel zu dünn war. Aber sie habe mit ihren Möglichkeiten nicht vermocht, daran etwas zu ändern. Sie werde sich immer Vorwürfe machen. Was für den 25 Monate alten Jungen gilt, dürfte auch auf die damals neun Monate alte Schwester zugetroffen haben. Das Mädchen überlebte; ihr Bruder starb am 25. Februar 2014 gegen 23.25 Uhr. Er war massivst unterernährt und ausgetrocknet. Die Familie wohnte damals im Raum Winterberg.
An diesem Freitag – so ist es zumindest geplant – soll das Verfahren gegen eine zehnfache Mutter vor dem Arnsberger Schwurgericht in die letzte Runde gehen. Das psychiatrische Gutachten von Dr. Thomas Schlömer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, steht noch aus. „Danach sind die Plädoyers und das Urteil vorgesehen“, bestätigte der stv. Landgerichtssprecher Daniel Langesberg. Vergangene Woche hatte die 40-jährige Angeklagte eine Erklärung abgegeben und erstmals Versäumnisse in der Versorgung ihrer Kinder eingeräumt (WP berichtete).
In Medebach nahm das Verfahren seinen Anfang
Vor dem Amtsgericht Medebach war die damals neunfache Mutter Anfang 2016 wegen fahrlässiger Tötung des 25 Monate alten Jungens und wegen fahrlässiger Körperverletzung in Zusammenhang mit dem Mädchen angeklagt. Für fahrlässige Tötung sieht das Gericht eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Generell kann ein Einzelrichter an einem Amtsgericht eine Strafe von bis zu vier Jahren verhängen. In der Regel landen aber nur solche Fälle vor dem Einzelrichter, wenn von einem Strafmaß von maximal zwei Jahren auszugehen ist.
Was macht ein Schwurgericht?
Ein Schwurgericht ist mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Der Name stammt noch aus der Zeit (bis 1924), als ein Schwurgericht tatsächlich aus drei Richtern und 12 Geschworenen bestand. Gegen Urteile eines Schwurgerichtes ist nur eine Revision möglich. Dabei wird das Urteil lediglich auf Rechtsfehler überprüft. Anders als in einer Berufung werden dabei grundsätzlich nicht noch einmal die Umstände des Falls untersucht. Alle fünf Mitglieder des Schwurgerichtes sind bei der Urteilsfindung gleichermaßen stimmberechtigt.
In Medebach war das Verfahren nach vier Verhandlungstagen an das Landgericht Arnsberg verwiesen worden. Das Gericht teilte damals die Ansicht der Staatsanwaltschaft, dass ein hinreichender Tatverdacht bestehe, die Mutter könne zumindest unter „bedingtem Vorsatz“ gehandelt haben. Richter Ralf Fischer damals: „Sie wollten nicht, dass die beiden Kinder leiden. Aber Sie haben die Umstände erkannt, sie ignoriert und die Folgen daraus billigend in Kauf genommen.“
Warum das Schwurgericht jetzt zuständig ist
In Arnsberg ist die Frau nun u.a. wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Freitag ist der letzte Verhandlungstag. Sollte das Gericht zu einem solchen Urteil kommen, stünde eine Freiheitsstrafe von „nicht unter drei Jahren“ im Raum. Nur bis zu maximal zwei Jahre kann eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden; das würde bedeuten, dass die Mutter mit Freiheitsentzug rechnen müsste. Bei einem „minderschweren Fall“ allerdings sieht der Gesetzgeber ein Strafmaß von einem Jahr bis zu zehn Jahre vor. Hier könnte – sofern das Strafmaß nicht über zwei Jahre ginge - auch wieder eine Bewährung in Frage kommen.
Ein Fall mit vielen juristischen Nachspielen
Der Hungertod des kleinen Jungen und der Fast-Tod seiner Schwester werden die Justiz noch länger beschäftigen. Nach wie vor steht ein Termin für das Berufungsverfahren gegen eine Mitarbeiterin des HSK-Jugendamtes aus. Sie war vom Amtsgericht Medebach zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten und einer Geldzahlung in Höhe von 4200 Euro wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt worden. Verteidiger Thomas Mörsberger hatte fassungslos auf das Urteil reagiert. Er sprach von Rechtsfehler und Einschätzungen des Gerichtes, die nicht nachvollziehbar seien und hatte schon im Gerichtssaal Berufung angekündigt. Die hat aber auch die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil eingelegt, weil ihr das Strafmaß zu gering war. Staatsanwalt Klaus Neulken hatte neun Monate gefordert.
Für das Berufungsverfahren gegen die Jugendamtsmitarbeiterin wär es wichtig, dass das für Freitag erwartete Urteil des Schwurgerichtes Arnsberg auch tatsächlich rechtskräftig wird. Ansonsten könnte die zehnfache Mutter erneut von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Fraglich ist auch noch, ob nicht auch der neunfache Vater und Ex-Lebensgefährte der 40-Jährigen eine Mitschuld am Tod des Jungen bzw. an der Körperverletzung des Mädchens tragen könnte. Er hatte die Kinder immerhin um Weihnachten 2013 noch einmal gesehen. Gegen ihn ist außerdem ein Verfahren vor dem Amtsgericht Brilon ausgesetzt; seine Frau wirft ihm u.a. vor, die Kinder geschlagen und sie selbst vergewaltigt zu haben.
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