Marsberg/Arnsberg. . Das Landgericht Arnsberg hat in einer am Mittwoch verkündeten Entscheidung den Anspruch eines unmittelbaren Zeugen des Unglücks zurück gewiesen.
- Ein bei dem Unglück traumatisierter Heranwachsender hat keinen Anspruch auf Entschädigung
- Nur Angehörige können laut gängiger Rechtssprechung sog. Schock-Schaden geltend machen
- Anwalt der Familie des getöteten Schützenkönigs steht noch mit Haftpflichtversicherung in Kontakt
Das Landgericht Arnsberg hat die Schmerzensgeld-Klage eines bei dem tragischen Böllerunglück traumatisierten Zeugen zurückgewiesen. Begründung: Der junge Mann sei nicht mit dem Opfer, dem tödlich verletzten Schützenkönig Andre B., verwandt. Das jedoch sei laut einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1971 Voraussetzung, um einen sogenannten „Schock-Schaden“ geltend zu machen, so Daniel Langesberg, Pressesprecher des Landgerichts Arnsberg, auf Anfrage der WP zu der am Mittwoch verkündeten Entscheidung.
Mit Bezug auf die herrschende Rechtsprechung hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg das traumatische Erlebnis auf dem Marsberger Schützenplatz dem allgemeinen Lebensrisiko zugeordnet.
Beschuldigte verweigern Aussage
Beim Anböllern des Marsberger Schützenfestes waren am 11. Juli 2015 zwei gusseiserne Kanonen der Historischen Schützen Obermarsberg detoniert.
Gutachterlich festgestellte Ursache: eine falsche, verbotene Befüllung der Rohre mit Sand.
Drei Mitglieder der Historischen Schützen hatten die Kanonen bedient. Alle drei machten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, so dass sich nicht feststellen ließ, wer die vorschriftswidrige Befüllung vorgenommen hatte.
Gegen zwei stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Übrig blieb ein 64-Jähriger, der die Kanonen gezündet hatte
Gegen ihn war ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet worden. Unmittelbar vor dem Prozess hatte der Mann zugegeben, die Kanonen gezündet zu haben, ohne sie vorher zu kontrolliert zu haben.
Daraufhin stellte das Amtsgericht Marsberg das Verfahren Anfang Juli wegen sehr geringer Schuld gegen Zahlung einer Geldbuße von 5000 Euro ein.
Der Kläger, ein Heranwachsender, hatte sich beim Anböllern des Marsberger Schützenfestes in unmittelbarer Nähe des Königs aufgehalten, als die beiden historischen Kanonen explodierten.
Ein dabei abgesprengtes Metallgussteil hatte den jungen Mann nur um Haaresbreite verfehlt.
Durch das hautnahe Miterleben des Unglücks sei bei seinem Mandanten eine „nachhaltige traumatische Schädigung“ verursacht worden, so Oliver Brock (Brilon), der Rechtsbeistand des Klägers. Bis heute befinde sich sein Mandant in Therapie.
Die Haftpflichtversicherung der Schützenbruderschaft Obermarsberg, der die Historischen Schützen angehören, hatte eine außergerichtliche Einigung mit seinem Mandanten abgelehnt, sagte Brock, obwohl sie, in einem Schriftsatz nicht verkenne, „dass das Erlebnis einschneidend war und seelische Spuren hinterlassen" habe. Es geht in dem Verfahren um einen mittleren vierstelligen Betrag.
„Seelische Spuren hinterlassen“
Nachdem über die Versicherung die Ansprüche nicht geltend zu machen waren, hatte Brock die drei beteiligten Schützen in die Pflicht genommen. Der Anwalt will jetzt die schriftliche Entscheidung abwarten und dann eine eventuelle Berufung prüfen.
Den in etwa gleich hohen wie hier geforderte Sachschaden an einem Pkw hat eine Haftpflichtversicherung längst anerkannt und beglichen.
In außergerichtlichen Schmerzensgeld-Verhandlungen mit der Haftpflichtversicherung der Historischen Schützen befindet sich Rechtsanwalt Andre Iske (Bad Arolsen), der die Familie des getöteten Schützenkönigs vertritt. Hier greifen andere rechtliche Voraussetzungen. Dabei, so Iske zur WP, „geht es nicht mehr um das ‘ob’, sondern um die Höhe“.
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