Eine Jugendamtsmitarbeiterin soll nicht genau genug hingeschaut haben. Sie soll ihren Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen sein. Seit gestern muss sie sich dafür vor dem Medebacher Amtsgericht verantworten. Die Vorwürfe lasten schwer. Hätte die Frau den Tod des 25 Monate alten Jungen Anakin irgendwie verhindern können? Hätte sie durch ihr Eingreifen der zum Tatzeitpunkt neun Monate alten Schwester Serenity die fast tödlichen Qualen durch Hunger und Durst ersparen können? Falls das Gericht diese Fragen mit „Ja“ beantworten sollte, gibt es nichts zu beschönigen. Falls nicht, ist die junge Frau freizusprechen und von einer ungeheuren Last zu befreien. Ein ganz anderer Aspekt darf aber bei allem nicht aus dem Blickfeld geraten: In Medebach geht es „nur“ um einen Nebenschauplatz mit schlimmen und schweren Folgen. Viel wichtiger ist die Frage, ob die inzwischen zehnfache Mutter für den Tod bzw. die Körperverletzung ihrer beiden Kinder verantwortlich ist. Ob sie vielleicht sogar – so der Vorwurf – unter bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Eine Antwort darauf gibt es aber erst fünf Monate, nachdem der Jugendamtsmitarbeiterin der Prozess gemacht wird. Das hat allein vom ganz normalen, gesunden, menschlichen Rechtsempfinden einen faden Beigeschmack. Die Gerichtsmühlen mahlen langsam – zu langsam. Die zweite Kammer des Arnsberger Schwurgerichtes ist zum einen so überlastet, dass kein früherer Termin gefunden werden konnte. Haftsachen – also Fälle, bei denen die Angeklagten bis zum Prozess in Haft sitzen – haben Vorrang, weil binnen sechs Monaten das Verfahren eröffnet werden muss. Hinzu kommen offenbar Terminschwierigkeiten, weil der Anwalt der mehrfachen Mutter auch noch als Nebenkläger im NSU-Prozess in München auftritt. Vor 14 Monaten wurde das Verfahren gegen die Mutter von Medebach nach Arnsberg verwiesen. Wenn der Prozess am 6. September 2017 endlich aufgenommen wird, liegen zwischen dem vorgeworfenen Tatzeitpunkt und dem Verhandlungsbeginn mehr als dreieinhalb Jahre. Ob sich Angeklagte und Zeugen nach so langer Zeit noch an Einzelheiten erinnern - wollen oder können? Ein Satz zur aktuellen Verhandlung: Der Hochsauerlandkreis hat die Mitarbeiterin beim ersten Prozess im Januar 2016 ungeschützt und ohne Rechtsbeistand ins offene Messer laufen lassen. Er hat als Arbeitgeber in puncto Sorgfaltspflicht für Mitarbeiter nicht unbedingt geglänzt. Es bleibt nun abzuwarten, ob hier eine einzelne Person Schuld auf sich geladen hat, ob ein System bzw. eine ganze Institution versagt hat oder ob nur ein „Bauernopfer“ gesucht wird. (Thomas Winterberg)
Eine Jugendamtsmitarbeiterin soll nicht genau genug hingeschaut haben. Sie soll ihren Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen sein. Seit gestern muss sie sich dafür vor dem Medebacher Amtsgericht verantworten. Die Vorwürfe lasten schwer.
Hätte die Frau den Tod des 25 Monate alten Jungen Anakin irgendwie verhindern können? Hätte sie durch ihr Eingreifen der zum Tatzeitpunkt neun Monate alten Schwester Serenity die fast tödlichen Qualen durch Hunger und Durst ersparen können?
Falls das Gericht diese Fragen mit „Ja“ beantworten sollte, gibt es nichts zu beschönigen. Falls nicht, ist die junge Frau freizusprechen und von einer ungeheuren Last zu befreien.
Ein ganz anderer Aspekt darf aber bei allem nicht aus dem Blickfeld geraten: In Medebach geht es „nur“ um einen Nebenschauplatz mit schlimmen und schweren Folgen. Viel wichtiger ist die Frage, ob die inzwischen zehnfache Mutter für den Tod bzw. die Körperverletzung ihrer beiden Kinder verantwortlich ist. Ob sie vielleicht sogar – so der Vorwurf – unter bedingtem Vorsatz gehandelt hat.
Eine Antwort darauf gibt es aber erst fünf Monate, nachdem der Jugendamtsmitarbeiterin der Prozess gemacht wird. Das hat allein vom ganz normalen, gesunden, menschlichen Rechtsempfinden einen faden Beigeschmack. Die Gerichtsmühlen mahlen langsam – zu langsam.
Die zweite Kammer des Arnsberger Schwurgerichtes ist zum einen so überlastet, dass kein früherer Termin gefunden werden konnte. Haftsachen – also Fälle, bei denen die Angeklagten bis zum Prozess in Haft sitzen – haben Vorrang, weil binnen sechs Monaten das Verfahren eröffnet werden muss. Hinzu kommen offenbar Terminschwierigkeiten, weil der Anwalt der mehrfachen Mutter auch noch als Nebenkläger im NSU-Prozess in München auftritt.
Vor 14 Monaten wurde das Verfahren gegen die Mutter von Medebach nach Arnsberg verwiesen. Wenn der Prozess am 6. September 2017 endlich aufgenommen wird, liegen zwischen dem vorgeworfenen Tatzeitpunkt und dem Verhandlungsbeginn mehr als dreieinhalb Jahre. Ob sich Angeklagte und Zeugen nach so langer Zeit noch an Einzelheiten erinnern - wollen oder können?
Ein Satz zur aktuellen Verhandlung: Der Hochsauerlandkreis hat die Mitarbeiterin beim ersten Prozess im Januar 2016 ungeschützt und ohne Rechtsbeistand ins offene Messer laufen lassen. Er hat als Arbeitgeber in puncto Sorgfaltspflicht für Mitarbeiter nicht unbedingt geglänzt.
Es bleibt nun abzuwarten, ob hier eine einzelne Person Schuld auf sich geladen hat, ob ein System bzw. eine ganze Institution versagt hat oder ob nur ein „Bauernopfer“ gesucht wird. (Thomas Winterberg)