Brilon. . Angelika Weber, Vorsitzende der Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte in Brilon, über sichtbare Geräte und Herausforderungen bei der Arbeit.

  • Angelika Weber, Vorsitzende Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte, über Vorurteile gegen Hörgeschädigte
  • Das Hörgerät unterstützt das fehlende Gehör – ersetzen ist nicht möglich.
  • Infoveranstaltung für Hörgeschädigte und Schwerhörige am 17. März in Brilon

Im Alltag kann es für Hörgeschädigte zu Herausforderungen kommen. Sei es im beruflichen Meeting oder beim Verabreden mit Freunden. Angelika Weber, Vorsitzende der Briloner Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte, erklärt, wie man damit umgeht.

„Stell doch mal dein Hörgerät lauter!“ Wie reagiere ich als Hörgeschädigter richtig darauf?
Angelika Weber ist Vorsitzende der Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte. Foto: privat Angelika Weber: Hier kommt es auch auf die Situation an. Befinde ich mich gerade mit einem Bekannten oder Angehörigen zu Hause, kann in Ruhe aufgeklärt werden, dass auch mit einem Hörgerät das natürliche Gehör nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Das Hörgerät unterstützt das fehlende Gehör – ersetzen ist nicht möglich. Defizite im Sprachverstehen werden bei einem Hörverlust fast immer bleiben. Befinde ich mich in einer Situation mit einer Person, die ich nicht gut kenne und ist eine Aufklärung nicht möglich, kann geantwortet werden, dass ich trotz Hörgerät nicht alles sofort verstehen kann. Dies drückt aus, dass Verstehen nicht immer möglich ist.

Gibt es noch Hemmungen zuzugeben, dass man schlecht hört? Wie kann man diese überwinden?
Oh ja, Schwerhörigkeit erscheint eher als Makel für den Betroffenen. Die Tatsache, dass der Hörverlust für immer ist, ist für Betroffene schwierig zu akzeptieren. Erst einmal muss für sich selber erkannt und eingestanden werden, dass eine Hörschwäche vorliegt. Dann kann man mit der Verarbeitung beginnen. Das Hörgerät ist oft eine große Hemmschwelle. Zum einen werden Töne, die schon lange weg waren, wieder gehört: es ist ungewohnt, wieder neu, fast störend. Zum anderen ist das Sichtbarmachen dieser Schwäche, die nun Teil von einem ist und Selbstvertrauen voraussetzt, ein schwieriger Schritt. Doch der Nutzen des Hörgerätes überwiegt eindeutig: Sobald sich der oder die Hörgeschädigte überwindet, eine Hilfe zu tragen und sich nach einiger Zeit an die neuen und alten Töne gewöhnt hat, ist es eine große Bereicherung wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Selbst einfache Unterhaltungen, die vorher eine große Herausforderungen waren, können nun mit weniger Mühe stattfinden. Helfen kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen. Es ist immer wieder schön für mich zu erfahren, dass auch andere die gleichen Probleme kennen. So fühle ich mich nicht mehr alleine.

Ist das für Jüngere schwerer als für Ältere?
Das ist unterschiedlich. Mein Eindruck ist, dass eher jüngere weniger Probleme damit haben, schwerhörig zu sein. Gerade die Personen, die von klein auf mit der Schwerhörigkeit leben, kennen die Situation nicht anders und leben damit. Ältere haben ihr ganzen Leben lang alles hören dürfen. Das ist dann nicht mehr der Fall.

Wie mache ich meiner Umgebung klar, dass Sie Rücksicht auf mich und mein Gehör nehmen sollen?
Indem ich tatsächlich aufkläre, dass ich schwerhörig bin. Aufgrund der Tatsache, dass ein Hörgerät unterstützt und nicht ersetzt, bin ich auf Mithilfe meiner Gesprächspartner angewiesen. Hier muss ich dann genau sagen, was mir hilft, um eine Unterhaltung zu führen. Zum Beispiel eine ruhige Umgebung. Ist diese nicht da, benötige ich stets Augenkontakt und gute Lichtverhältnisse um von den Lippen ablesen zu können. Unterstützen kann auch, dass ich das Gesagte kurz wiederhole: Ich habe verstanden, dass... Das ist bei Terminabsprachen unerlässlich. Zu groß die Wut und die Trauer, wenn unterschiedliche Zeiten und Ziele verstanden wurden. Absprachen schriftlich zu treffen kann außerdem zusätzlich helfen.

„Stell doch mal dein Hörgerät lauter!“ – Infoveranstaltung im Caritas-Seniorenzentrum

Die Selbsthilfegruppe des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) trifft sich am 17. März um 17.30 Uhr im Caritas-Seniorenzentrum St. Engelbert in Brilon.

Bei dem Treffen soll es darum gehen, was gut Hörende über Schwerhörigkeit denken und wie Hörgeschädigte mit falschen Vorstellungen umgehen sollten.

Dazu gibt es einen Austausch über alle Fragen rund um die Schwerhörigkeit. Weitere Infos bei DSBBrilon@web.de und der AKIS unter 02931/9638105.

Wie mache ich effektiv und höflich auf mich aufmerksam, wenn ich in einer größeren Runde oder auf der Arbeit bin und niemand auf meine Schwierigkeiten beim Hören achtet?
Wichtig ist hier, dass im Vorfeld gesagt wird, dass eine Hörschädigung vorliegt. Eine Besprechung zum Beispiel kann dann mit dieser Person nur unter bestimmten Regeln stattfinden. Beispielsweise, dass bloß eine Person in dieser Runde spricht, normal spricht und kurze Pausen zwischen den Sätzen macht und der oder die Hörgeschädigte nach einzelnen Themen kurz zusammenfasst was er oder sie verstanden hat. Dies ist vorher mit den Vorgesetzten abzustimmen. Bei Besprechungen sollte ein Protokoll verfasst werden, damit das Gesagte nachgelesen werden kann. Da Hörgeschädigte das Protokoll selbst nicht verfassen können, weil allein das Hören sehr anstrengend ist, können sie andere Aufgaben übernehmen. So fühlt sich der Hörgeschädigte nicht als Belastung für die Kollegen. Von diesen Regeln profitieren alle, auch Guthörende.

Gibt es – besonders im Hinblick auf jüngere Menschen – schicke und kaum sehbare Hilfen?
Ja, natürlich gibt es schöne Exemplare. Bei meinen Hörgeräten habe ich Strasssteine auf meinen Ohrpassstücken. Es ist wichtig, dass das Gerät sichtbar ist. Schwerhörigkeit fordert eine Umstellung im Umgang miteinander. Oft vergisst unser Gegenüber, dass wir schwerhörig sind und Gespräche unter anderen Bedingungen stattfinden sollen. Da Schwerhörigkeit eher unsichtbar ist, ist es gut und wichtig, wenn das Gerät sichtbar ist.

Wie agiere ich am Besten, wenn ich Oma sagen will, dass sie schlecht hört?
Aus der Erfahrung einer Bekannten: Auf neutrale Personen hören sie eher als auf Nahestehende. Bzw. Nahestehende werden eher „angeblafft“. Das zeigt aber, dass die betroffene Person selber schon etwas gemerkt hat. Dann immer wieder mal ruhig darauf ansprechen und Lösungswege zeigen „Komm, wir gehen mal zusammen zu einem Akustiker“. Ansonsten wirkt der Kontakt zu anderen Hörgeräteträgern oft scheinbar Wunder, man gewöhnt sich an dieses Ausstattungsstück. Wenn Oma nicht mit zu den Gruppentreffen mit Gesprächskreis möchte, dann vielleicht, wenn sich die Gruppe zwangslos zu einem anderen Anlass trifft.

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