Reinhard Sommer hört nach 34 Jahren als Vorsitzender der Partnerschaftsvereinigung Brilon auf. Er betont: Der Austausch ist wichtiger denn je.

  • Reinhard Sommer hört nach 34 Jahren auf und betont: Städtepartnerschaft wichtig wie nie
  • Ein Team wäre bereit, die Leitung zu übernehmen: Versammlung findet am 1. Februar statt
  • Schüleraustausch bleibt eine wichtige Säule in der Arbeit der Partnerschaftsvereinigung

Brilon. Donald Trump hat gerade angekündigt, nun in Sachen Mauerbau nach Mexiko ernst zu machen, als wir uns treffen: „Das sind interessante Zeiten“, begrüßt uns Reinhard Sommer, Vorsitzender der Partnerschaftsvereinigung Brilon. Er habe sich gefragt: „Gab es in den vergangenen 50 Jahren mal eine Phase, wo Städtepartnerschaft notwendiger war als jetzt?“ Antwort: „Ich glaube es nicht.“

In Brilon wird nach vorne geschaut. Nächste Woche gibt Reinhard Sommer bei der Mitgliederversammlung nach 34 Jahren den Vorsitz ab, verabschiedet sich aus dem Vorstand. „Es hat sich ein Team gefunden, das bereit ist, die Leitung für die nächsten Jahre zu übernehmen“, kann er mit dem Gefühl abtreten, dass auf jeden Fall einer weitermachen will.

Jungen Leuten interkulturelles Basiswissen vermitteln

Denn der Austausch liegt ihm am Herzen, gerade jetzt: „Wie empfinden Sie die Zeit? Also ich war noch nie so verunsichert“, blickt der 70-Jährige etwa auf Trump, AfD-Aussagen und vieles mehr. „Hinter Partnerschaften steckt letztendlich, schon ganz jungen Leuten interkulturelles Basiswissen zu vermitteln“, betont er. Austausch sei der Anfang von Offenheit gegenüber allem, was anders ist. „Die Schüler sehen, in Familien läuft es völlig anders als bei uns. Das zu begreifen, da sind wir bereits tief in dem Thema, das heute so intensiv diskutiert wird“, meint er die Flüchtlingsdebatte. Denn: „Austausch ist Friedensarbeit im besten Sinne.“

Selbst das Party feiern wird ganz anders angegangen

Mit dabei im Gespräch ist Melanie Nazarian, zurzeit WP-Praktikantin und rege beim deutsch-französischen Austausch zwischen Marienschule und dem Collège Notre-Dame dabei. Sie kann nur zustimmend nicken zu dem, was Sommer sagt. „Man merkt, dass die Franzosen vieles anders empfinden und angehen als wir Deutsche.“ Zum Beispiel sei ihr einmal für eine kleine private Schülerfeier direkt ein Kleid in die Hand gedrückt worden. Was soll’s, sie hat’s angezogen, neugierig, was passiert, und aus Respekt: „Sie hängen sich in solche Dinge so sehr rein. Das war schon erst überraschend. Die eigentliche Party war nicht viel anders als bei uns. Es war eher das Schema, wir machen jetzt eine Party und das wird so und so gemacht.“

Jetzt stimmt Reinhard Sommer zu: Auch er hat erlebt, wie wichtig so ein Festakt, das Offizielle, das Zelebrieren den Franzosen ist: „Bei uns gab es ein Buffet zum Feiern des Jubiläums, in Frankreich wäre das undenkbar.“ Also: Vier-Gänge-Menü und zwischendurch noch was Nettes zum Knabbern. Mindestens.

Das „in den Arm nehmen“ gehört einfach auch dazu

Ein Blick in eine doch etwas andere Kultur, in die man bei jedem Treffen etwas tiefer eintaucht. „Man knüpft viele Freundschaften und fühlt sich bei jedem Besuch immer wohler in seiner Umgebung. So fühle ich mich zumindest, wenn ich nach Hesdin fahre“, sagt Melanie.

„Und am Ende liegen sich alle in den Armen, drücken sich und wollen gar nicht, dass der Andere abreist“, ergänzt Sommer. Das alles könne kein soziales Netzwerk, kein Instagram-Kontakt ersetzen. „Stimmt“, meint auch Melanie dazu - und erinnert sich an die Szene, als sich alle deutschen Schüler im Herbst 2015 vor den Bus gesetzt haben und ihre Freunde einfach nicht abreisen lassen wollten.

Soziale Netzwerke helfen, den Kontakt besser zu halten

Aber für die Zeit zwischen den Austauschen seien soziale Netzwerke total gut. „Dort schreibt man sich schon öfter. Wir können so den Kontakt halten, das ist wichtig.“ 50 Jahre Partnerschaft im Dezember wurden herkömmlich gefeiert: Festakt, Vorträge, Musik - manchmal werde sowas unschön als „Prosit-Partnerschaft“ bezeichnet, weiß Sommer. Aber den Vortrag von Bürgermeister Dr. Bartsch hätten mal alle hören sollen, sagt er stolz. Den Höhepunkt setzten Schüler der Jahrgangsstufe 7 der Marienschule mit ihren französischen Freunden: Sie zeigten einen Film, den sie zum Thema Austausch produziert haben, und sprudelten nur so über vor Kreativität. Sommer: „Da waren 300 Leute erstmal platt.“

„ Ziel des Schüleraustausches ist doch, dass man Freundschaften behält- auch nach den drei Jahren - dass man allgemein weiter in Kontakt bleibt“, ergänzt Melanie.

Willkommen in der Partnerschaftsvereinigung, lieber Nachwuchs. Wir sprechen uns in, sagen wir mal, 34 Jahren wieder!

Sprache darf nicht ausschließend sein 

Es macht ihn traurig, wenn jetzt auch das Schengen-Abkommen in Gefahr gerät, wenn womöglich an jeder europäischen Grenze wieder ein Pass gezeigt werden muss. „Was wird dann aus den deutsch-französischen Beziehungen? Ich hab’s ja noch in den 70ern erlebt, als an der Grenze am Bus kontrolliert wurde, ob wir nicht zu viel Sprit nach Frankreich einführen“, sagt Reinhard Sommer. „Inzwischen war alles so offen, so frei und dann kommt der Terrorismus und macht alles kaputt.“ Wenn er in der nächsten Woche nach 34 Jahren den Vorsitz der Partnerschaftsvereinigung abgibt, bleiben ihm die besondere Momente. Das sind die Jubiläen mit ihren deutsch-französischen Wochen oder aber Neuland wie der Austausch der Landwirte.

Stadt Brilon steht voll und ganz hinter Partnerschaft

„Überhaupt funktionieren Partnerschaften nur, wenn Städte sie wirklich mittragen.“ Das sei in Brilon immer der Fall gewesen. Künftig müssten sich Partnerschaften sich thematischer ausrichten . Und auch das Thema Sprache dürfe nicht an erster Stelle stehen, damit schließe man zu viele aus, die eben „nur“ Englisch sprechen: „Die Landwirte etwa haben sich mit Händen und Füßen bis tief in die Nacht über das Höferecht ausgetauscht - und das jeweils ohne ein Wort Deutsch oder Französisch zu können.

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