Medebach/Hochsauerlandkreis. . Im Fall eines verhungerten Jungen muss sich Jugendamts-Mitarbeiterin wohl vor Gericht verantworten. Vorwürfe: Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung.
- Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Jugendamtsmitarbeiterin.
- Sie hätte den Tod eines verhungerten Jungen verhindern können.
- Der Prozess gegen die Mutter war an das Landgericht Arnsberg verwiesen worden; Termine gibt es noch ncht.
Wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung hat die Staatsanwaltschaft Arnsberg eine Sozialarbeiterin des HSK-Jugendamtes angeklagt. Das Amtsgericht Medebach muss zwar noch entscheiden, ob tatsächlich ein Hauptverfahren eröffnet wird.
Allerdings ist es mehr als wahrscheinlich, dass sich die Mitarbeiterin vor dem Medebacher Gericht verantworten muss. Die Anklage jedenfalls wurde der Frau beziehungsweise ihrem Anwalt zugestellt. Das hat Amtsrichter Ralf Fischer gestern erklärt.
Ans Landgericht verwiesen
Zur Erinnerung: Fast genau vor einem Jahr hatte eine 39-jährige Mutter von damals neun und inzwischen zehn Kindern in Medebach auf der Anklagebank gesessen. Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung lauteten die Vorwürfe. Die Frau soll zwei ihrer Kinder derart vernachlässigt haben, dass der zweijährige Junge im Hüstener Karolinenhospital starb und die neun Monate alte Schwester in letzter Sekunde gerettet werden konnte. Der Junge war bis auf die Knochen abgemagert. Der damalige Chefarzt des Krankenhauses, Dr. Martin Rein, sagte damals vor Gericht: „In dem Ausmaß habe ich so etwas noch nicht gesehen.“
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Im Prozessverlauf gelangten Gericht und Staatsanwaltschaft zu der Ansicht, dass Körperverletzung mit Todesfolge und Körperverletzung unter „bedingtem Vorsatz“ in Betracht gezogen werde müssen. Damit musste der Prozess gegen die Mutter nach vier Verhandlungstagen ans Landgericht Arnsberg verwiesen werden. Dort, so Sprecher Johannes Kamp, liege noch kein konkreter Verhandlungstermin vor, weil erst dringendere Haftsachen an der Reihe seien.
Nebenschauplatz des Verfahrens
Damit rückt unter Umständen ein Nebenschauplatz des ganzen Verfahrens eher in den Mittelpunkt als der Prozess gegen die Mutter selbst. Gleich am ersten Verhandlungstag am 13. Januar 2016 war die Sozialarbeiterin des HSK als Zeugin gehört worden. Sie sollte den Kontakt zu der Familie halten. Staatsanwaltschaft Klaus Neulken geht inzwischen von einem hinreichenden Tatverdacht aus, dass die Jugendamtsmitarbeiterin es von Mitte Dezember 2013 bis zum 25. Februar 2014 fahrlässig unterlassen habe, sich in zeitlich engen Abständen davon zu überzeugen, dass das Wohl der Kinder nicht gefährdet war. „Und das, obwohl ihr die Kindeswohlgefährdung ausdrücklich von dem vorher zuständigen Jugendamt mitgeteilt worden war.“ So steht es in einer Presseerklärung des Medebacher Amtsgerichtes. Im Prozess hatte Richter Ralf Fischer gesagt: „Die Mitarbeiterin, die ein Auge auf das Wohl der Kinder haben sollte, hat ihre Pflichten grob fahrlässig verletzt. Wäre sie ihren Pflichten nachgekommen, wären der Tod eines Kindes und das Leiden von zwei Kindern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen.“
Angeblich nicht überlastet
Ohne dem Gericht vorgreifen zu wollen, rechnet Staatsanwalt Klaus Neulken fest mit der Eröffnung des Verfahrens: „Ich halte eine Verurteilung für wahrscheinlich. Eröffnen muss das Verfahren jedoch das Gericht.“
Verantworten muss sich lediglich die Mitarbeiterin, nicht das Jugendamt. Neulken: „Man kann in dem Fall keine ganze Behörde haftbar machen.“ Erschwerend kommt hinzu, dass die Mitarbeiterin bei dem Prozess in Medebach vor Gericht ausgesagt hatte, sie sei nicht überlastet, das Pensum sei zu schaffen gewesen.