Brilon. . Die jüngste Aufführung beim Besucherring Brilon ging besonders unter die Haut. Schließlich sollten die Zuschauer selbst über Schuld oder Unschuld mit entscheiden.
- Gerichts-Drama „Terror“ im Bürgerzentrum aufgeführt
- Menschenleben opfern, um mehr Menschenleben zu retten?
- Publikum plädiert mehrheitlich auf Freispruche
„Was dachten Sie in dem Moment?“ will der Vorsitzende Richter (Johannes Brandrup) der Großen Strafkammer des Schwurgerichtes von Lars Koch (Christian Meyer), Major der Luftwaffe und des 164-fachen Mordes angeklagt, wissen. Der Moment, um den es geht, ist der Abschuss eines von Terroristen gekaperten Airbus 320. An Bord: 98 Männer, 64 Frauen und 2 Kinder.
Der Bestsellerautor und ehemalige Strafverteidiger Ferdinand von Schirach lässt in seinem Theaterstück „Terror“ am Samstagabend im Theater im Bürgerzentrum Kolpinghaus das Publikum über „schuldig“ oder „nicht schuldig“ entscheiden.
Lars Koch, Major und Anführer der Jagdfliegerrotte hat den Befehl, die Lufthansa-Maschine vom Kurs abzudrängen. Terroristen haben den Airbus entführt. Ihr Ziel ist es, ihn in die mit 70.000 Menschen gefüllte Allianz-Arena in München stürzen zu lassen. Der erste Warnschuss, den der Kampfjet abfeuert, bleibt ohne Wirkung. Das Passagierflugzeug ist schon im Sinkflug über München. Eigenmächtig entscheidet Lars Koch, die Maschine abzuschießen, um die Fußball-Fans zu retten. Alle 164 Airbus-Insassen sterben. Hat der Major diese Menschen zum Objekt gemacht und somit ihr Recht auf Menschenwürde verletzt? Ist er schuldig?
2005 wird das Luftsicherheitsgesetz verabschiedet, das einen solchen Abschuss erlaubt hätte. Ein Jahr später hebt das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz wieder auf, weil kein Leben gegen ein anderes abgewägt werden darf.
„Übergesetzlicher Notstand“
Der damalige Verteidigungsminister Jung erklärte aber, dass er sich im Falle eines „übergesetzlichen Notstandes“ über das Bundesverfassungsgericht hinwegsetzen werde. Die Plädoyers von Staatsanwältin Nelson (Annett Kruschke) und Verteidiger Biegler (Christoph Schlemmer) waren fesselnd und suggestiv eingängig.
Die Zuschauer sind als Schöffen in diesem interaktiven Gerichts-Drama gefordert. Sie müssen das Urteil fällen. Welche Entscheidung ist in so einem moralischen Dilemma zu treffen? Eine Frage nach der Würde des Menschen und dessen moralischer Verantwortung: Darf ein Mensch töten, um andere zu retten? „Ich habe an meine Frau und meinen Sohn gedacht“, antwortet Major Koch dem Vorsitzenden Richter auf die eingangs gestellte Frage. „Und daran, dass sich jetzt alles in meinem Leben ändern wird.“
Das Briloner Urteil:
„Freispruch“ so lautete das Urteil der Briloner Theaterbesucher am Samstagabend: 83 Schöffen hatten für „schuldig“ plädiert, aber 170 für „nicht schuldig“
Nach der Vorstellung verriet Verteidiger Biegler (Christoph Schlemmer) noch, dass in den allermeisten Fällen die Zuschauer für „nicht schuldig“ plädieren.