Brilon/Arnsberg. . Im Rösenbecker Hammerschlag-Prozess skizziert der Angeklagte einen Unfall in einer Notwehrsituation. Zeugen und Gutachter zeichnen ein anderes Bild´
- 49 Jahre alte Frau aus Rösenbeck wird ein Pflegefall bleiben
- Anwalt der Nebenklage: Mordversuch in Betracht ziehen
- Nachbarn und Polizist sagen am ersten Prozesstag aus
Es sind entsetzliche Bilder, die am Donnerstag auf dem Bildschirm im Gerichtssaal 3 am Landgericht Arnsberg gezeigt werden. Sie machen auf einen Blick das verheerende Ausmaß des mutmaßlich schrecklichen Verbrechens vom 8. März dieses Jahres im Flur einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses in Rösenbeck bei Brilon deutlich. Das Opfer, eine 49 Jahre alte Frau aus Rösenbeck, wird ein Pflegefall bleiben: Gewaltige Narben ziehen sich über ihren gesamten Kopf. Röntgenaufnahmen zeigen die geborstene Schädeldecke und ein mit einem Hammer in den Schädel geschlagenes Loch. Im Gerichtssaal ist es fast still. Nur der Angeklagte schluchzt.
Die Staatsanwaltschaft klagt den Mann wegen versuchtem Totschlag und schwerer Körperverletzung an. Er soll der Frau mit einem Hammer einen Schlag auf den Kopf versetzt haben, den er so heftig ausgeführt haben soll, dass der Schädel brach. Anschließend soll er der am Boden liegenden Frau ein Kissen auf den Kopf gedrückt haben, um sie zu ersticken.Der 53 Jahre alte Mann aus Guinea skizziert am ersten Verhandlungstag einen tragischen Unfall in einer Notwehrsituation. Rechtsanwalt Oliver Brock, der die Nebenklage vertritt, gibt am Ende des ersten Prozesstages den Hinweis, dass die Kammer auch versuchten Mord in Betracht ziehen solle. Er sehe Mordmerkmale aus allen drei Fallgruppen erfüllt. „Ich behalte mir eine Antragstellung vor.“
Der Angeklagte
Um 9 Uhr wird der Angeklagte in Handschellen in den Saal geführt. Ein schmächtiger Mann, gepflegt, leicht gebückte Haltung, anthrazitfarbener Anzug, Brille. Er faltet die Hände im Schoß: „Es tut mir leid, was ich getan habe.“
Mehr als eine Stunde erzählt er von seinem Leben in Guinea. Er wächst in komplizierten familiären Verhältnissen auf, geht zur Schule, studiert Wirtschaftswissenschaften, heirat Anfang 2000 gegen den Willen seiner Mutter. Und gerät schließlich während einer Demonstration in die Fänge einer Gruppe, die einen seiner Freunde erschießt, ihn foltert und dazu triebt, das Land zu verlassen – offenbar der Auswuchs ethnischer Konflikte im Land. An dem Tag, an dem er in Deutschland seinen Asylantrag stellen will, habe er erfahren, dass sein Sohn in Guinea bei einem Unglück verbrannt sei. „Ich wollte alles hinter mir lassen in diesem Moment“, gibt der Mann zu Protokoll. Er lügt bei seinen persönlichen Daten, fälscht seine Identität und gibt an, 1977 geboren zu sein. In bisherigen Verlautbarungen seitens Staatsanwaltschaft und Polizei war daher bis zuletzt von einem Mann Ende 30 zu lesen, der als dringend tatverdächtig gilt.
2004 lernt der 53-Jährige in Ostwestfalen eine Frau kennen und heirat sie 2006. Im Juni 2013 wird die Ehe geschieden. Ein Jahr später lernen sich der Angeklagte und das Opfer kennen. Sie heiraten wenige Monate darauf. Im Januar 2016 war das Paar erstmal in einen heftigen Streit geraten. Nachbarn hatten die Polizei gerufen. Gegen den 53-Jährigen wurde ein Rückkehrverbot in die Wohnung ausgesprochen. Auch damals sei er mehr Opfer als Täter gewesen, sagt er.
Ebenso am 8. März. Er habe ein Anti-Viren-Programm für seinen PC haben wollen, sei deshalb in die ehemals gemeinsame Wohnung zu seiner Frau gegangen. Da sie finanziell chronisch klamm gewesen sei, habe ihr als Art Dank später Lebensmittel vorbeibringen wollen. Sie habe ihn in die Wohnung gelassen. Dort sei es zum Streit gekommen. Er habe darauf gedrängt, die Wohnung zu verlassen. Sie habe ihn vehement gehindert und gedroht, ihn festzuhalten, bis die Polizei komme. Auf einer Kommode im Flur habe der Hammer gelegen. „Ich habe ihn genommen, weil ich Angst hatte, dass sie ihn nimmt.“ Seine Frau habe ihn dazu gebracht, den Hammer wegzulegen – und ihn sich dann selbst geschnappt. „Sie hat mich geschlagen“, sagt er, habe seine Hände und seine Unterlippe getroffen. Dann habe er ihr den Hammer entrissen. „Ich wollte ihr auf die Schulter schlagen“, sagt er. Sie habe eine Kopfbewegung seitlich zurück gemacht. „Da habe ich sie am Kopf getroffen.“ Die Frau sackt zusammen. Er habe Panik bekommen, um Hilfe gerufen, habe aus dem Schlafzimmer ein Kissen geholt, um es unter ihren Kopf zu legen. „Ich habe gedacht ,Oh Gott, Du hast einen Menschen umgebracht’.“ Dann habe er große Mengen Schlaf- und Schmerzmittel genommen und sei vor der herbei geeilten Polizei über den Balkon geflohen. „Ich wollte nicht, dass sie mich finden, bevor ich sterbe.“ Die Polizei verhaftet ihn in unmittelbarer Nähe des Tatorts.
Die Zeugen
Der Polizist, der als erster die Wohnung betritt, sagt aus, dass er das Opfer im Flur liegen sieht. Auf ihrem Kopf habe ein Kissen gelegen. „Links und rechts war es heruntergedrückt“, sagt der Beamte – als ob jemand das Kissen kurz zuvor aufs Gesicht gedrückt habe.
Ein Nachbar hatte die Polizei alarmiert. Er habe Hilferufe der Frau gehört, die so eindringlich und laut gewesen seien, dass er am Telefon, um Eile gebeten habe.
„Die Frau lag in einer Blutlache“, sagt die Notärztin. Mit dem Finger habe man das Loch im hinteren Schädelbereich ertasten können. „Es war Hirnmasse ausgetreten.“
Das medizinische Gutachten
Die Gutachterin zeigt Bilder. Stumpfe Gewalt gegen den Kopf, stumpfe Gewalt gegen mehrere Körperstellen. Blutergüsse, Kratzspuren an den Armen und am Hals. Es gibt mehrere Schädelverletzungen. Fünf am Hinterkopf, zwei an der Stirn. „Es ist wahrscheinlich, dass mehrere Schläge auf den Schädel erfolgt sind“, sagt sie. Die Blutspritzer an der Wand, die rund 40 Zentimeter oberhalb des Fußbodens zu sehen sind, deuteten darauf hin, dass wahrscheinlich auch auf das schon auf das am Boden liegende Opfer eingeschlagen wurde.
Der Prozess wird heute fortgesetzt.
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