Altkreis. . Die Polizeileitstelle koordiniert 39 000 Einsätze zwischen Arnsberg und Züschen. Die Mitarbeiter leisten Vorarbeit für Beamte vor Ort.

Schwerer Verkehrsunfall, Geiselnahme, Banküberfall, Flugzeugabsturz oder auch die alte Dame, die sich an Weihnachten einsam fühlt. 15 000 Mal klingelte allein im vergangenen Jahr das Notruf-Telefon bei der für den gesamten HSK zuständigen Leitstelle der Polizei in Meschede. Was hier tagtäglich an Anrufen aufläuft, verändert für viele Menschen deren Welt – nicht aber für die 17 Polizeibeamten. Für sie ist das Alltag, muss das Routine sein. Sie arbeiten jeweils zu Dritt in Früh-, Spät- oder Nachtschicht.

„Alle Kollegen auf dieser Position sind dienst-erfahren, auf Extremsituationen geschult, haben psychologisches Geschick, eine Affinität zu Technik und sind belastbar“, erklärt Dieter Zerbs (53). Der Erste Polizeihauptkommissar ist Leiter des Führungs- und Lagedienstes und damit auch zuständig für die Leitstelle.

Früher machten das die Wachen vor Ort. Seit 1992 gibt es diese Kommandozentrale, die kreisweit alle polizeirelevanten Un- und Vorfälle aufnimmt und die Einsatzkräfte koordiniert. 39 000 Einsätze waren es allein in 2015: vom schweren Unfall bis zur Vollstreckung eines Haftbefehls. Gelenkt und gesteuert wird all das aus einem überschaubaren Raum im Mescheder Polizeigebäude. Drei Schreibtische sind voll gepackt mit Bildschirmen, Rechnern, Telefonen, Funkgeräten, Lautsprechern und Schaltknöpfen. Mit dem Fuß bedient Ralf Kriehn, einer von drei Dienstgruppenleitern, ein Pedal, das den Funk einschaltet und ihm ermöglicht via Headset mit dem Anrufer zu sprechen. „Notruf- der Polizei, Kriehn, was kann ich für Sie tun?“

Noch während des Gesprächs öffnet der Hauptkommissar ein Formular auf seinem Rechner und gibt die ersten Daten ein. „VU“ steht für Verkehrsunfall und selbst die geografisch nicht korrekte, aber im Volksmund gebräuchliche Bezeichnung „Rösenbecker Höhe“ erkennt das System sofort. Dort hat es wieder mal geknallt. Im Nu klappt auf dem Bildschirm eine virtuelle Landkarte auf und der Polizeibeamte arbeitet die berühmten sieben „W“s ab: Wer, wie was, wann, warum, womit und wo?

Kollege hört mit

„Wer von meinen beiden Kollegen nicht gerade selbst einen anderen Notfall auf einer der sechs Leitungen bearbeitet, der hört mit und kann zum Beispiel parallel zur Unfallaufnahme schon den Rettungsdienst informieren“, erklärt Ralf Kriehn. Binnen von zwei Minuten sind ein Streifenwagen und der Notarzt unterwegs. „Sichern Sie sie die Unfallstelle ab, leisten Sie Erste Hilfe, die Kollegen sind auf dem Weg zu Ihnen, bleiben Sie für uns telefonisch erreichbar“, beruhigt der Polizist den Zeugen. Denn der ist das einzige Bindeglied zum Einsatzort. Ihn möglichst lange am Draht zu halten und viele Informationen zu bekommen, ist wichtig. Der Anruf samt Einsatzorder wird protokolliert, bekommt eine Art Aktenzeichen, ist nach dem Abspeichern nicht mehr änderbar und macht so auch später noch den Vorgang haarklein rekonstruierbar. „Menschen, die einen Unfall oder eine Straftat melden, stehen oft unter Schock oder besonderem psychischen Druck. Daher versuchen wir erstmal, sie zu beruhigen, sie mental zu stabilisieren“, ergänzt Dieter Zerbs.

Ähnlich wie ein Fluglotse auf einem Airport, weiß der Leitstellen-Beamte genau, wo welcher Streifenwagen zurzeit im Einsatz ist und ob sich Kollegen in unmittelbarer Nähe zum Unfallort aufhalten. Oft muss er auch abwägen, welcher Fall welche Priorität hat, muss umdenken, neu koordinieren. Im Hintergrund hält Kollege Computer zusätzlich ein Auge auf die Einsätze. Hat sich die Streife nach einer bestimmten Zeit noch nicht gemeldet, signalisiert ein Symbol: Frag noch mal nach! Aber das hätte der Beamte auch von sich aus getan. Doch sicher ist sicher.

Nicht nur bei Unfällen leistet die Leitstelle an diesem wichtigen Koordinationsknoten viele Vorarbeiten für die Uniformierten vor Ort. Ein anderes Beispiel: Ein Zeuge meldet einen handfesten Streit. „Herr Müller“ hat ordentlich über den Durst getrunken und prügelt sich mit seinem Nachbarn im Garten. Blitzschnell hat der Leitstellen-Beamte exakt jenen „Herrn Müller“ in der Datenbank entdeckt. Dort steht auch, dass der Mann einen Waffenschein hat und dass er nicht das erste Mal durch seine Aggression auffällt. Wichtige Infos, die den Polizisten im Streifenwagen das Leben leichter und sicherer machen.

Der HSK istl ein Flächenkreis. Er ist so groß wie das Saarland 

„Der HSK ist nun mal ein Flächenkreis. Er ist so groß wie das Saarland. Daher ist die Leitstelle oft weit weg vom Einsatzgeschehen. Aber das kann auch durchaus von Vorteil sein. Letztlich ließe sich ein Einsatz im HSK auch von Köln aus steuern. Der Kollege hier behält aber stets einen klaren Kopf und die Übersicht. Er kann auf der Karte sehen, wie die geografischen Verhältnisse sind. Er kann entscheiden, ob wir zusätzlich einen Hubschrauber brauchen, einen Spürhund oder Verstärkung“, sagt Dieter Zerbs.

Bevor ein neuer Kollegen seinen Dienst bei der Leitstelle antritt, schaut er erfahrenen Mitarbeitern über die Schultern und arbeitet das Handbuch ab, das es eigens für den HSK gibt. „Aber das Leben schreibt oft die merkwürdigsten Geschichten und daher sind längst nicht alle Fälle vorhersehbar und planbar. Die Kollegen werden für viele Ernstfälle geschult – zum Beispiel auch für Geiselnahmen. Aber nicht jede Straftat oder jeder Unfall läuft nach dem gleichen Schema ab“, erläutert Dieter Zerbs. Das Flugzeugunglück über Elpe war so ein Fall, der nicht im Handbuch steht und bei dem auch später selbstkritisch analysiert wurde, ob alles richtig gelaufen ist.

Keine Scheu vor der 110

Niemand sollte sich scheuen die 110 anzurufen: „Selbst ein Ast auf der Straße kann eine Gefahr für andere darstellen und sollte daher gemeldet werden.“ Nachgelassen hat zum Glück die missbräuchliche Nutzung des Notrufs. „Mit dem Wegfall der Telefonzellen ist das deutlich weniger geworden. Alle anderen Nummern – auch die , die unterdrückt sind – lassen sich nachvollziehen und dann wird es unangenehm, denn das ist eine Straftat“, betont Dieter Zerbs.

Anders ist das natürlich, wenn – wie an einem Sonntagmorgen – dreimal nacheinander ein Notruf von ein und derselben Nummer eingeht, aber nur ein Kinder-Gebrabbel zu hören ist. „Wir haben dann mal zurückgerufen und hatten einen völlig überraschten Vater am Telefon. Seine kleine Tochter hatte immer wieder die Notruf-Nummer in Papas Handy eingetippt.“ Da haben die Freunde und Helfer dann ein Auge zugedrückt....

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