Die Willinger Party geht weiter - Erinnerungen an alte Zeiten
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Willingen. . Einzigartige Stimmung beim Skisprung-Weltcup, auch wenn die ganz wilden Groupie-Zeiten lange zurückliegen. Massenschlägerei abseits der Schanze.
Einzigartige Stimmung beim Skisprung-Weltcup.
Die ganz wilden Groupie-Zeiten liegen zurück.
Massenschlägerei abseits der Schanze
Einzigartige Stimmung beim Skisprung-Weltcup.
Die ganz wilden Groupie-Zeiten liegen zurück.
Massenschlägerei abseits der Schanze
Früher war es verrückter, wilder und größer. Erzählen alle. Wer es nicht miterlebt hat, muss es sich immer wieder vorsagen. Denn so ein Skisprung-Weltcup-Wochenende in Willingen ist auch heute ziemlich verrückt, wild und groß. Genau das lockt die besten Skispringer ins Sauerland: die Stimmung, die wieder an die 40 000 Fans an der Mühlenkopfschanze verbreiteten. Besucher aus NRW, Hessen, Holland, Niedersachsen und Thüringen machen Party. Die Atmosphäre erinnert an eine Kirmes. Und wenn die deutschen Adler dann noch weit fliegen, kennt die Begeisterung wenig Grenzen.
So wirkt es. Aber die Zuschauerzahl von einem ganzen Wochenende schaffte Willingen einst an einem Tag. Das war um die Jahrtausendwende, als Sven Hannawald alle vier Springen der Vierschanzentournee gewann und Martin Schmitt zweimal den Gesamtweltcup, als RTL das Skispringen zur Formel 1 des Winters erklärte und die beiden deutschen Erfolgsathleten präsentierte wie Popstars.
„Wir wurden regelrecht überrannt“, erinnert sich Christian Trögeler, Präsident des Ski-Clubs Willingen von 1992 bis 2008, auch wenn er die 100 000 Besucher, von denen immer die Rede ist, stets für etwas übertrieben hielt. Bürgermeister Thomas Trachte spricht von „unbeschreiblichen Ausmaßen“. Und es kam eine ganz neue Art von Fans: junge Mädchen, Teenager ab 12, 13 Jahren. „Die hielten Schilder hoch, auf denen stand ,Martin, ich will ein Kind von Dir’, erzählt Tourismus-Direktor Ernst Kesper:
„Die warteten schon vor Sonnenaufgang, um nahe bei ihren Idolen zu sein.“ So hat es Trögeler erlebt: „Sobald das Schanzengelände geöffnet wurde, stürmten sie los, um direkt an die Bande zu kommen. Und damit sie ihren Platz den ganzen Tag über nicht verlassen mussten, trugen sie Pampers.“ Der Skiclub versorgte sie wenigstens mit heißem Tee.
Mädchenalarm
Abseits der Schanze war es nicht anders: „Wir hatten die Zugänge zu den Fluren abgetrennt, trotzdem hat sich ein Mädchen vor Zimmer 217 gelegt, in dem Martin Schmitt immer übernachtete“, berichtet Volker Slowek, Direktor des Hochsauerland-Hotels, in dem die deutsche Mannschaft noch heute absteigt. Jetzt ist die Sicherheit wegen Terror erhöht, nicht wegen wilder Mädchen. „Fans stehen abends immer noch vor der Tür“, sagt Slowek. Heute allerdings im sportüblichen Rahmen. „Damals haben die Mädels andächtig den Speiseraum besichtigt, nachdem die Sportler gegessen hatten und Zettel an den Plätzen ihrer Lieblinge versteckt.“
„Einige von damals sind heute noch dabei“, hat Werner Rabe beobachtet. Der ehemalige Sportchef des Bayerischen Rundfunks stammt aus Willingens Nachbarort Korbach und engagiert sich seit Jahrzehnten für das Weltcup-Springen in seiner Heimatregion. Die inwzwischen erwachsenen Frauen benehmen sich allerdings weniger hysterisch. Die weiblichen Besucher seien inzwischen auch vernünftiger gekleidet, lobt Trögeler: „Früher kamen viele in Rock und Pumps, heute haben sich stabile Schuhe und ein sportliches Outfit durchgesetzt.“
Sachlicher
Es geht ja schließlich auch um Sport. Und warum sind dann heute nicht alle aus dem Häuschen, wenn Severin Freund so erfolgreich springt? Sind sie durchaus. Aber der nüchterne Niederbayer ist nicht so der Groupie-Typ, mag keinen Rummel und tummelt sich ungern auf dem Boulevard. Und das öffentlich-rechtliche Fernsehen berichtet heute sachlicher.
Obwohl Rabe heute zugeben kann: „RTL hat das damals toll gemacht, mit 38 statt 15 Kameras. Das ist jetzt Standard. Und Günter Jauch hat super moderiert. Aber die haben eben auch Sven Hannawald bis auf die Toilette begleitet und dafür andere Springer gar nicht gezeigt.“ Hoteldirektor Slowek weint dem Kölner Privatsender nicht nach: „Die kommen uns nicht mehr ins Haus. Die haben sich schlecht benommen.“
Einzelspringen in Willingen 2016
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Gutes Benehmen ist aber leider nicht immer und überall selbstverständlich in Willingen. Der Ruf als Ballermann des Sauerlands hat Gründe. „Getränkeorientierte Erlebnisgastronomie“ nennt Touristiker Kesper den Klub-Tourismus. „Wir bewerben das nicht“, sagt der Bürgermeister und freut sich, dass der Skisprung-Weltcup seit 1995 werbewirksam ein anderes Image transportiert. Auch im berühmt-berüchtigten Hotel Sauerlandstern ist Party laut Marketingchef Stephan Nüse längst nicht mehr das Hauptgeschäftsfeld: „Wir sind deutschlandweit führend bei komplexen Firmenveranstaltungen.“
Massenschlägerei von Hooligans am Samstagabend
Aber dann gibt es eben doch Krawall: 45 betrunkene Hooligans aus Hannover und Bielefeld lieferten sich Samstagabend eine Massenschlägerei mit mehreren Verletzten und sieben Festnahmen. Mit dem Skispringen hatte das allerdings nichts zu tun. Das interessierte die jungen Männer gar nicht. Im Festzelt an der Schanze mussten dagegen lediglich drei Platzverweise ausgesprochen werden, berichtet die Polizei.
Das Festzelt ist etwas, das Willingen in die Skisprung-Szene eingeführt hat. „Wie beim Schützenfest eben“, sagt Trögeler. Und später in der Nacht geht es dann eben im Ort weiter. Die Infrastruktur ist ja vorhanden: 450 Etablissements bescheren angeblich die größte Kneipendichte Deutschlands. Willingen ist eben speziell. Mit allen Vor- und Nachteilen.
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