Marsberg. . In der Alterstraumatologie in Marsberg soll der Patient ganzheitlich behandelt werden - das senkt auch die Sterblichkeitsrate älterer Menschen mit Knochenbrüchen
Der 89-jährige ältere Herr hat bis jetzt noch allein in seiner Wohnung gelebt. Gestern Abend ist er gestürzt, hat sich den Oberschenkelhals gebrochen. Heute Mittag soll er operiert werden. Er bekommt ein künstliches Hüftgelenk. Vor einem halben Jahr hat er einen Herzinfarkt erlitten. Er nimmt zehn verschiedene Medikamente ein. Seine größte Sorge ist, dass er nach der Operation nicht mehr alleine zurechtkommt, ihm nur noch ein Platz im Pflegeheim bleibt. Die Angst wird ihm in dem neuen Alterstrauma-Zentrum am St.-Marien-Hospital genommen. Es ist das erste seiner Art im Hochsauerlandkreis. Der Senior ist dort Patient.
Am 4. Januar wurde die Alterstraumatologie mit zunächst 15 Betten eröffnet. Damit hat das Krankenhaus einen Versorgungsschwerpunkt speziell für ältere Unfallverletzte eingerichtet. Knochenbrüche werden versorgt und gleichzeitig individuell abgestimmte altersspezifische Therapien eingeleitet.
„Damit unterstützen wir den Heilungsprozess älterer Menschen noch besser, da wir schon vom ersten Tag an nicht nur den Bruch heilen, sondern den ganzen Menschen in den Blick nehmen und geistig wie körperlich in Bewegung halten“, verdeutlicht Dr. Ralf Beyer, Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie am St.-Marien-Hospital. „Unser Ziel ist, die Patienten schnell wieder in die Lage zu bringen, ihr Leben selbstständig, möglichst in ihren eigenen vier Wänden, wieder gestalten zu können“, fügt Dr. Norbert Bradtke an. Er ist Chefarzt der Inneren Medizin und Facharzt für Geriatrie.
Beide Chefärzte, Pflegekräfte und Rehabilitationsspezialisten arbeiten Hand in Hand auf der besonders ausgestatteten Station. Sie ist der Geriatrie angeschlossen und richtet sich speziell nach den Bedürfnissen älterer Patienten mit Knochenbrüchen oder anderen Verletzungen.
Behandlung ohne Verzögerung
Bisher wurden ältere Patienten mit Knochenbrüchen fünf bis acht Tage in der chirurgischen Abteilung behandelt. Im Anschluss bestand die Möglichkeit, auf der geriatrischen Station des Hauses die Anschlussheilbehandlung durchzuführen. Durch das Alterstrauma-Zentrum ist dies nun in einer integrierten Behandlung ohne Zeitverzögerung möglich.
Seit zwei Jahren gibt es die Geriatrie mit speziellen Therapieräumen am St.-Marien-Hospital. Behandelt werden dort ältere Menschen mit degenerativen Gelenkerkrankungen, Schlaganfall, Parkinson, Demenz, Lungenerkrankungen oder Mangelernährung. Viele von ihnen leiden an Osteoporose. Durch Vitamin-D-Mangel erweichen die Knochen und es kommt zu Knochenbrüchen. „Ein großer Teil der Patienten, etwa 20 Prozent, die auf unserer Geriatrie behandelt werden, hatten zuvor Knochenbrüche erlitten“, verdeutlicht Dr. Beyer.
Durch den demografischen Wandel erwartet er bis 2030 eine Verdreifachung der Zahl, bis 2050 sogar eine Verfünffachung. Dr. Beyer: „Heute schon sind bei uns 40 Prozent aller Patienten mit Knochenbrüchen älter als 65 Jahre.“ Rund 300 Patienten kommen jährlich aufgrund ihres Alters und ihrer Indikation für eine Behandlung im Alterstrauma-Zentrum in Frage.
Die Zahlen sprechen für den Unfallchirurgen und den Altersmediziner eine eindeutige Sprache. Sie bündeln ihre medizinischen Kompetenzen zu einem Großen und Ganzen und „reagieren damit von vornherein auf die demografische Entwicklung“, verdeutlicht Bradtke die Intention hinter der Gründung des Alterstrauma-Zentrums.
Im Vordergrund steht die ganzheitliche Behandlung unter traumatologischen und geriatrischen Aspekten in allen Phasen der Erkrankung. So leiden ältere Patienten oft unter unterschiedlichen Krankheitsbildern wie Bluthochdruck oder Diabetes. Kommt dann noch beispielsweise ein Oberschenkelhalsbruch hinzu, kann es nach der Operation zu Verwirrtheitszuständen kommen, die aber, so Altersmediziner Dr. Bradtke, oft behandelbar und heilbar seien.
Helfen kann da schon eine einfache Orientierungshilfe und eine wohnliche Atmosphäre. Auf beides wurde bei der Ausstattung des Alterstrauma-Zentrums großen Wert gelegt. Funktionsbetten können bis zum Boden abgesenkt werden.
Sterblichkeitsrate gesunken
Überall finden sich umlaufende Handläufe in altersgerechter Position, die Sicherheit geben. Im Speiseraum werden gemeinschaftlich die Mahlzeiten eingenommen. Jeder hat seinen eigenen Platz. Dr. Bradtke zählt noch einen weiteren nicht unwesentlichen Vorteil auf: „Nachweislich ist auch die Sterblichkeitsrate bei älteren Patienten mit Knochenbrüchen gesunken, die in einem Alterstraumazentrum behandelt werden.“
Die Behandlungsdauer beträgt etwa drei Wochen. Die Unfallchirurgen überprüfen den Therapieverlauf bei der täglichen Visite und jeden Tag führt das interdisziplinäre geriatrische Team Therapieeinheiten durch, wie Muskelaufbau, Gedächtnistraining, Sturzprophylaxe oder Ernährungsberatung.
Was noch:
Das Alterstrauma-Zentrum am St.-Marien-Hospital ist das erste im Hochsauerlandkreis. Derzeit läuft das Zertifizierungsverfahren. Die Zertifizierung ist für März vorgesehen.
Das Alterstrauma-Zentrum ist ein eigener, altersgerecht ausgestatteter Bereich mit 15 Betten. Die individuelle Pflege durch feste Bezugspersonen schafft Geborgenheit auch in einer zunächst fremden Umgebung.
Zum Team gehört neben den Ärzten der Fachrichtungen
Unfallchirurgie, Orthopädie und Geriatrie, die chirurgische und geriatrische Fachpflege, die Logopädie, Ernährungsberatung, Psychologie, Physiotherapie,
Ergotherapie und der Sozialdienst.
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