Brilon. . 29-Jähriger aus Marsberg soll 2014 eine Tankstelle überfallen haben. Er war damals Patient im Therapiezentrum am Bilstein. Aber: es fehlen Beweise. Die Verhandlung wurde vertagt.
Vier Polizeibeamte betreten den Saal im Amtsgericht Brilon. Zwischen ihnen der 29-Jährige aus Marsberg. Bei jedem Schritt klirren Fußfesseln an seinen Knöcheln. Still nimmt er auf der Anklagebank Platz, still wird er im Verlauf der Verhandlung vor dem Schöffengericht bleiben. Der Vorwurf: Er soll am 10. September 2014 in Marsberg eine Tankstelle überfallen und die Kassiererin bedroht haben.
Die Kassiererin
Es war kurz vor 22 Uhr, als die 44-jährige Angestellte an der Aral-Tankstelle in der Bredelaer Straße die Türen verschloss. Es klopfte. „Ein Mann stand da und ich öffnete die Tür, weil ich dachte, dass er bestimmt nur ein paar Zigaretten kaufen will“, erzählt die Zeugin. Sie habe gefragt: „Was darfs sein?“ „Alles aus deiner Kasse“, lautete die Antwort, akzentfreies Deutsch. Er war größer als die 44-Jährige, stabil gebaut, trug eine schwarze Mütze unter dem Kapuzenpulli und weiße Turnschuhe. Die Hände vergrub er in den Taschen.
„Wieso haben Sie dem Mann das Geld gegeben? Wieso haben Sie sich bedroht gefühlt?“, fragt Richter Schwens. „Ich war allein, ich war ängstlich, draußen war es dunkel. Ich dachte, vielleicht haut der mich um,“ sagt die Kassiererin. Gerade einmal ein halbes Jahr vorher war die Frau an gleicher Stelle schon Opfer eines Überfalls geworden. Damals war der Täter bewaffnet. Diesmal händigte sie dem Unbekannten 205 Euro aus.
Der Therapeut
Gerüchte machten in jenem September in der Maßregelunterbringung am Bilstein die Runde. Jeder Bewohner hatte den Zeitungsartikel und das Bild vom Überfall gesehen. „Mitarbeiter wollen ihn erkannt haben“, sagt ein Therapeut der Klinik im Zeugenstand. „Wir haben daraufhin die Polizei informiert.“ Wegen Drogen ist der 29-Jährige in der Einrichtung. Zum Zeitpunkt des Raubüberfalls lebte er in einer Außenwohngruppe, konnte selbstständig ein und aus gehen.
„Kein Musterpatient“, sagt der Therapeut über ihn. Als er in die Einrichtung kam, wurden eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und hohe Psychopathiewerte festgestellt. Der Angeklagte zeige keine Empathie. Er könne seine Impulse nicht steuern, nicht aus Fehlern lernen. Wegen Unregelmäßigkeiten wurde er unabhängig von dem Überfall wieder in den Innenbereich verlegt. Dabei entdeckte man zwei Kreditkarten, Handys und über 300 Euro Bargeld. „Er hatte uns zuvor um einen Vorschuss gebeten, weil er kein Geld mehr hatte“, erinnert sich der Therapeut. Die Patienten bekommen Pflege- und Taschengeld.
Einen Vorschuss bekam der Angeklagte nicht. Seine Erklärung für das Geld: Ein Geschenk der Mutter. „Wir haben das nicht überprüft, wir sind keine Ermittler.“
Der Patient
Im Raucherraum stellte ein 31-jähriger Mitbewohner den Angeklagten zur Rede. „Weißt du, was man für bewaffneten Raub kriegt?“, fragte er. „Es war ja kein bewaffneter Raub“, soll der Angeklagte geantwortet, sich damit verraten haben.
So steht es in der Zeugenaussage des Patienten, der lange auf der gleichen Station wie der 29-Jährige wohnte. Ob die Antwort wirklich so fiel, kann der 31-Jährige heute nicht mehr genau sagen. Allerdings hätten viele gesagt, dass das Bild von den Überwachungskameras eindeutig den Angeklagten zeige. „In so einer Einrichtung ist es langweilig, da geht die Stille Post rum“, erklärt der Zeuge und kann sogar fast den genauen Betrag nennen, den der Täter mitnahm. Woher er den weiß, kann er nicht mehr sagen. Er liefert eine zweite Aussage: „Weil er wusste, dass ich mich mit Computern auskenne, wollte er wissen, ob man orten könnte, wo sein Handy zur Zeit des Raubes war.“
Die Polizistin
Eine SMS und einen Anruf von nur vier Sekunden bekam der Angeklagte zu Tatzeit. Wie die Polizeibeamtin später herausfand, befand sich das Handy unmittelbar in der Funkzelle, in der auch die Tankstelle liegt. Wie sie auf den 29-Jährigen kam? Hinweise aus der Einrichtung. Bei einer Durchsuchung wurden aber weder weiße Turnschuhe, noch andere verdächtige Gegenstände gefunden. Geld und besagtes Handy fanden Mitarbeiter erst bei der Verlegung des Patienten.
Die Verteidigung widerspricht. Die Funkzelle reiche bis zur Einrichtung, der Angeklagte könne auch daheim gewesen sein. Und das Geld habe er mit einer Kreditkarte abgehoben. Mit dabei ein Mann. Er soll beim nächsten Termin als Zeuge gehört werden.
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