Brilon. . Im Interview spricht der Musiker über seine Zeit an der Seite von anderen großen Künstlern, die Inspiration von Woodstock, wie er Weihnachten feiert und den aktuellen Flüchtlingsstrom.

Volksmusiker jetzt mal weghören und Rockmusiker bitte aufhorchen! Carl Carlton kommt nach Brilon. Der sympathische, fast Zwei-Meter-Mann gilt als einer der bekanntesten Gitarristen und Produzenten. Er steht und stand mit Stars wie Robert Palmer, Eric Burdon, Joe Cocker, Udo Lindenberg oder Peter Maffay auf der Bühne oder im Studio. Am 19. Dezember beendet er seine Tour ab 20 Uhr mit einem Konzert im Bürgerzentrum Brilon. Das Sauerland kennt er nur von Früher vom Wandern, in Brilon war er bislang noch nicht.

Beide Eltern früh verloren, auf einem ostfriesischen Bauernhof aufgewachsen, war es nicht weit bis nach Holland, wo er ganz früh seine erste eigene Band gründete und bald tief in die Blues-Musik einstieg. Weil man „damit aber keine Miete zahlen kann“, wurde er gefragter Gastmusiker, Komponist und Produzent.

Was macht mehr Spaß? Als Carl Carlton auf der Bühne zu stehen oder zum Beispiel bei Maffay oder Lindenberg mitzuspielen?

Am liebsten arbeite ich an meinen eigenen Sachen. Obwohl ich bei den beiden anderen ja auch nie Mietmusiker gewesen bin. Ich war immer involviert in Produktionen – als Produzent oder als Komponist. Sonst hätte ich mich musikalisch unterfordert gefühlt. Mein eigener Anspruch geht etwas tiefer und woanders hin. Aber so macht man halt seine Jobs und mit meiner Musik allein kann ich nicht so viel Geld verdienen wie mit dem Mainstream. Du fragst ja nicht, ob mir Robert Palmer oder Joe Cocker lieber wären. Aber man kommt halt immer gleich auf Maffay oder Lindenberg, obwohl ich ja gar nicht in Deutschland lebe. Ich arbeite auch z.B. mit Donald Fagan, Chris Christofferson oder Larry Campbell zusammen.

Eine Juke-Box in der Dorfkneipe Ihrer ostfriesischen Heimat hat Ihnen das Fenster zur Musik geöffnet. Ihr aktuelles Tourprogramm heißt „Woodstock in wonderland“. Warum leben Sie heute u.a. dort?

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Das neue Album ist in Woodstock entstanden - jedenfalls die Inspiration und die ersten Titel. Ich meine damit aber gar nicht das Festival. Das hat 30 Meilen nebenan stattgefunden, aber die Plakate waren schon gedruckt und man konnte es sich nicht leisten, sie noch mal neu zu machen. Woodstock war schon seit über 100 Jahren eine Künstlerkolonie, wo sich Maler, Musiker und Schriftsteller niedergelassen haben. Der Ort hat etwas Inspirierendes. Für mich war es Bob Dylan, der in Woodstock lebte und dort mit seiner Band arbeitete. Das hat mich angezogen. Es gibt keine großen Märkte und ab und zu trifft man David Bowie im Rollkragenpullover beim Einkaufen.

„Toast to freedom“ ist ein Song, der Amnesty International gewidmet ist. Was hat Ihnen die Produktion bedeutet? Wie beurteilen Sie die aktuelle Flüchtlingssituation?

Die Arbeit mit Amnesty ist mir immer noch sehr wichtig. Ich bin nach wie vor musikalischer Leiter für Amnesty UK, Irland und USA. Jedes Jahr zum Human-Right-Award bin ich für das Konzert verantwortlich und arbeite zum Beispiel eng mit Bob Geldorf zusammen. Schon bei der Arbeit mit meinem Album „Lights out in wonderland“ war mir bewusst, wo wir da hinsteuern. Jetzt ist der große Migrationsfluss da. Er ist nicht mit Zäunen und nicht mit Bomben aufzuhalten. Wir haben die Dritte Welt über Jahrhunderte ausgebeutet, sie versklavt und selbst wie die Maden im Speck gelebt. Wir haben unseren Reichtum auf diesen Leuten aufgebaut. Es gibt jetzt zwei wichtige Dinge. Der Flüchtlingsstrom muss integriert werden und die Politik und die Wirtschaft müssen ehrlich werden und den Menschen dort ein lebenswertes Leben bieten, wo sie herkommen. Es geht doch nur um Rohstoff und Ölinteressen. Warum flüchtet Afrika? U.a. weil 80 Prozent der Wasserquellen privaten Firmen gehören – das ist doch krank. Das Schlimmste ist, dass die ganzen Sesselfurzer die Bürokratie der Anmeldung nicht hinkriegen. Die Menschen würden alles machen. Sie sind froh, dass sie dem Wahnsinn entkommen sind; sogar die Autobahnen würden sie schrubben. Aber sie dürfen nicht wochenlang in diesen Lagern rumhängen.

Wie sieht das Weihnachtsfest bei einem Weltenbummler aus, der auf der Insel Gozo bei Malta und in Woodstock zu Hause ist?

Es gibt viele Optionen. Ich habe keine Geschwister, meine Eltern sind schon lange verstorben, deren Geschwister auch – da bleibt nicht viel. Da ist meine Lebenspartnerin mit ihrer Familie und ich habe eigene Kinder. Aber die sind jetzt schon groß. Dieses Jahr werde ich ganz ruhig zusammen mit meiner Frau auf Gozo sein. Da schmeiß ich den Kamin an, wir gucken aufs Meer und ich versuche mal zwei Wochen nichts zu machen.

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Bei Stefan Raab waren Sie Jury-Mitglied einer Casting-Show, bei der u.a. auch ihr eigener Sohn Max dabei war. Was halten Sie von diesen Shows? Hätten Sie früher bei so etwas mitgemacht?

Nein, definitiv nicht. Ich hatte auch meinem Sohn von der Teilnahme abgeraten. Für jemanden, der wirklich Musiker werden will, ist das nichts. Danach wirst Du nicht mehr als Künstler ernst genommen. Du wirst ewig ein Interpret sein. Das ist ja nichts Eigenes. Ein Mann wie Bob Dylan wäre nicht mal in die Auswahlrunde gekommen. Da fehlt jede Eigenständigkeit oder Authentizität.

Sind Sie bei Peter Maffays Tabaluga-Projekt 2016 dabei?

Ich weiß es noch nicht genau. Aber ich habe so viele Titel für das Album geschrieben, dass ich dabei auf jeden Fall mitmachen werde. Ob in der Live-Produktion oder nur im Studio, das weiß ich jetzt noch nicht.