Altkreis. Die Gründe für einen Kirchenaustritt können sehr unterschiedlich sind. Ein Blick in die Kirchenstatistik zeigt, dass auch vor Ort immer mehr Christen ihrer Kirche den Rücken kehren.

Auch bei uns im Sauerland kehren immer mehr Menschen der Kirche den Rücken. Das macht ein Blick in die aktuelle Statistik der ev. und der kath. Kirche deutlich. Das Erzbistum Paderborn verzeichnet 2014 insgesamt 10 471 Kirchenaustritte; im Dekanat Hochsauerland Ost traten 243 Katholiken aus ihrer Kirche aus, der Ev. Kirchenkreis Arnsberg verlor im vergangenen Jahr 333 Gemeindeglieder durch Austritt. Hinzu kommen der Demografische Wandel und Wegzüge aus der Region, was in beiden Kirchen zu weiteren Mitgliederverlusten führt.

Problem: Einzugsverfahren geändert

Deutschlandweit zu Diskussionen hatte vor einigen Tagen die Präsentation der Kirchenstatistik 2014 durch die Deutsche Bischofskonferenz geführt. Darin heißt es unter anderem: „Erneut kritisch ist die Zahl der Kirchenaustritte, die auf 217 716 angestiegen ist.“ Zum Vergleich: 2013 wendeten sich 178 805 Katholiken von ihrer Kirche ab.

Ein Trend, der auch im Erzbistum Paderborn feststellbar ist. Im Vergleich zu 1990 (4807) hat sich hier die Zahl der jährlichen Austritte mehr als verdoppelt.

Ägidius Engel, Pressesprecher des Erzbistums Paderborn, erklärte dazu auf Anfrage der WP: Die Kichenaustrittszahlen gingen 20 Jahre (bis 2007) kontinuierlich zurück. In den Folgejahren gab es dann starke anlassbezogene Austrittswellen (2008 Holocaust-Leugnung des ehemaligen Pius-Brüder-Bischofs Williamson, 2010 Missbrauchsskandal, 2013 die Finanzaffäre des Bistums Limburg.

Für 2014 sieht Ägidius Engel die Änderungen beim Einzugsverfahren bei der Kirchenabgeltungssteuer als die Hauptursache für die gestiegene Zahl der Kirchenaustritte: „Wir haben nicht genügend vermitteln können, dass dieser Teil der Kirchensteuer schon immer bestand.

Viele Gläubige dachten und denken, die Kirche hätte hier auf Kapitalerträge eine neue Steuer erhoben und ginge den Menschen jetzt auch noch ans Sparbuch. Dem ist mitnichten so.“ Auch Kathrin Koppe-Bäumer, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Ev. Kirchenkreis Arnsberg, sieht hier einen deutlichen Zusammenhang. Neben solchen anlassbezogenen Kirchenaustritten sieht Ägidius Engel aber auch „Bereinigungsaustritte“: „Schmerzliche persönliche Erfahrungen mit der Kirche, die wir sicher zutiefst bedauern, führen irgendwann dazu, sich aus der Gemeinschaft der Kirche zu verabschieden. In meinen Augen sind viele dieser Menschen noch gläubig, aber wir erreichen sie nicht mehr mit unserer Botschaft und bieten ihnen mit unseren Angeboten keine Heimat mehr.“

Moderne „Geh-Hin-Pastoral“

Mit Blick auf die Zukunft der Kirche im Erzbistum erklärt Ägidius Engel: „Im neuen pastoralen Zukunftsbild sind die Herausforderungen offen gelegt und ehrlich beschrieben worden. Das Gemeindeleben vor Ort verändert sich und ist in Bewegung, so wie sich die Gesellschaft derzeit in einem tiefen Umbau befindet. Ich bin davon überzeugt, dass eine moderne Geh-hin-Pastoral im Gegensatz zu einer schicksalhaften unfreiheitlichen Komm-her-Kirche neue Bindungen an den Glauben und die Kirche ermöglicht.“

Ev. Kirchenkreis Arnsberg

Im Kirchenkreis Arnsberg gab es 2013 217 Austritte, 2014 waren es 333. Insgesamt ist die Zahl der Gemeindeglieder im vergangenen Jahr um 569 gesunken.

„Hauptursache dafür ist das negative Verhältnis von Taufen und Eintritten zu Beerdigungen und Austritten: 836 Beerdigungen und Austritte zu 354 Taufen und Eintritten“, erklärt die Ev. Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer. Im westfälischen Vergleich liege der Kirchenkreis Arnsberg mit einem Verlust von 1,32 Prozent in der unteren Hälfte. Zum Kirchenkreis Arnsberg gehören die Städte Wickede, Neheim, Hüsten, Sundern, Arnsberg, Meschede, Olsberg-Bestwig, Brilon, Marsberg und Medebach. Allein 70 Mitglieder sind in diesem Raum im vergangenen Jahr durch Wegzug verloren gegangen.

Die Statistik zeigt, dass die EV. Kirchengemeinden vor Ort kontinuierlich kleiner werden. Kathrin Koppe-Bäumer sucht nach den Gründen für diese Entwicklung: „Grundsätzlich nehme ich neben der demografischen Situation: mehr Beerdigungen als Taufen, als Hauptgrund den Traditionsbruch wahr. Kirche gehört bei vielen Menschen nicht mehr zum Leben der Menschen, Gottesdienste sind keine Treffpunkte mehr. Kirchliche Angebote konkurrieren mit großem Freizeitangebot. Viele sagen, Kirche sei rückständig. Da sie aber nicht an Gottesdiensten teilnehmen, wissen sie oft gar nicht, wie Gottesdienste heute sind, worüber Pfarrer/innen predigen.“

Neue Wege gehen

Gleichzeitig hat sie aber auch die Erfahrung gemacht, dass kirchliches Handel im diakonischen Bereich (Schuldner-, Ehe, Familien, Suchtberatung und Flüchtlingsarbeit) und auch die persönliche Seelsorge von den Gläubigen sehr gewürdigt werden. Sehr positiv aufgenommen werden ihrer Ansicht nach auch Angebote, bei denen die Kirchengemeinden etwas Neues versuchen, neue Gottesdienst-Formen ausprobieren und aktiv auf die Menschen zugehen.