Brilon/Bluefield. Die Scharfenbergerin Melanie Kersting verbringt zurzeit ein Auslandsjahr in den USA. Das Ganze läuft über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm des Bundestags.

. „Almost heaven, West Virginia“ – jeder kennt den Song „Country Roads“ von John Denver. Genau in diesem Landstrich der USA verbringt die Scharfenbergerin Melanie Kersting ein Auslandsjahr. Zustande gekommen ist dies über das Parlamentarische Patenschaftsprogramm (PPP) und hier ganz konkret über den Briloner Bundestagsabgeordneten Dirk Wiese. Die 21-Jährige hat erst ihren 10B-Hauptschul-Abschluss gemacht, ist dann zum Gymnasium gegangen und hat eine Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert.

Noch bis zum 31. Juli bleibt sie in den Staaten. Sie lebt in einer Gastfamilie in Bluefield. Das ist eine Stadt mit etwa 10 000 Einwohnern. Dort gibt es die „Hostmum“ Jennifer (also die Gastmutter), ihre Gastschwester Jasmine und zwei Katzen.

Frage: Wie haben Sie von dem Parlamentarischen Patenschaftsprogramm erfahren und wie lief das weitere Procedere ab?

Melanie Kersting: Ich wollte schon immer ein Jahr im Ausland verbringen, wollte aber gerne nach meiner Ausbildung weiter Berufserfahrung sammeln. So habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, um beides zu kombinieren. Auf der Internetseite vom Bundestag bin ich auf das Parlamentarische Patenschaftsprogramm gestoßen. Das PPP gibt es einmal für Schüler und für junge Berufstätige. Das Programm für junge Berufstätige sieht den Besuch für ein Semester am College mit berufsbezogenen Klassen und ein sechsmonatiges Praktikum vor. Der letzte Monat steht zur freien Verfügung und wird meist fürs Reisen genutzt. Das war genau der perfekte Auslandsaufenthalt für mich.

Und da kann jeder mitmachen?

Leider nicht, je nach Alter und Berufsfeld kann die Teilnahme versagt werden. Jedes Jahr bewerben sich etwa 1000 junge Berufstätige und nur 75 werden ausgewählt Das Bewerbungsverfahren ist sehr aufwendig und langwierig. Schon im Mai 2013 habe ich angefangen mich zu bewerben. Neben vielen Motivationsschreiben muss jeder Bewerber Urkunden, Belege und Empfehlungsschreiben einreichen. Mit etwas Glück wurde ich im November 2013 zu den Vorstellungsgesprächen in Bonn eingeladen. Dort warten dann auf jeden Teilnehmer ein Englisch- und Allgemeinbildungstest, Gruppenarbeiten und Einzelgespräche. Die gesammelten Informationen werden an die teilnehmenden Bundestagsabgeordneten, die als Paten für das Programm fungieren, weitergeleitet. Die Paten wählen die Teilnehmer für den jeweiligen Wahlkreis gegen Ende Januar aus. Ich hatte schon nicht mehr mit einer Zusage gerechnet, als Anfang Februar doch ein großer Umschlag im Briefkasten lag. Auch wenn das Bewerbungsverfahren am Anfang abschreckt, kann ich nur sagen, dass sich eine Teilnahme lohnt.

Beschreiben Sie doch mal, wie Ihr Tagesablauf aussieht?

Nachdem ich ein Semester das Bluefield-State-College besucht habe, arbeite ich seit Januar für die City of Bluefield. In meiner Freizeit besuche ich das Fitnessstudio und gehe zum Shagdance jeden Montag. Jeden zweiten Donnerstag findet bei meiner Gastfamilie Thursday-Nights statt. Da kommen viele internationale Studenten mit ihren Gastfamilien zum Essen zusammen. Das hat mir geholfen, gleich am Anfang schon Freundschaften zu schließen.

Wenn einmal alle zu Hause sind, kochen wir abends zusammen und schauen gemeinsam TV.

An welcher Stelle werden Sie durch Herrn Wiese bzw. das Programm unterstützt und was unterscheidet Ihren Aufenthalt z.B. von einem normalen Schüleraustausch?

Ich bin mit Herrn Wiese über das Jahr stetig im Kontakt. Ich bin sehr froh, dass ich so einen engagierten Paten habe, der sich für die Verbreitung des Programms einsetzt. Das PPP ist nicht nur einfach ein Schüleraustausch. Die Teilnehmer sind so genannte Junior Botschafter, die deutsche Werte und Vorstellungen in Amerika vertreten sollen und gleichzeitig neue Freundschaften und Kontakte knüpfen. Anders als andere Austauschprogramme ist das PPP eher ein Stipendium. Alle Flug-, College- und einen Teil der Unterkunftskosten werden vom Programm bezahlt. Auch werden alle Teilnehmer durch ein einwöchiges Seminar optimal auf das Auslandsjahr vorbereitet. Über das ganze Jahr ist jederzeit ein Ansprechpartner der Organisation verfügbar.

Was war für Sie die größte Umstellung in Ihrem Tagesablauf im Vergleich zu Deutschland?

Ich musste mich erst einmal dran gewöhnen, jeden Abend um 9 Uhr zu essen. Ich werde auch immer komisch angeguckt, wenn ich mal zu Freunden, die zwei Straßen weiter wohnen, laufe. Normalerweise laufen die Amerikaner nicht.

Welches Bild hat d e r Amerikaner von d e n Deutschen?

Viele Amerikaner, die ich kennengelernt habe, waren bereits einmal in Deutschland, entweder im Urlaub oder oft auch mit der Army. Auch mein Chef bei der City of Bluefield hat einige Jahre mit der Army in Deutschland verbracht. Er ist ein großer Deutschland-Fan und flucht auch noch stets auf Deutsch. Es gibt aber auch viele Amerikaner, die wenig über Deutschland wissen und sich Deutsche in Lederhosen oder Dirndl vorstellen. Autobahn, Bier und deutsche Autos sind Themen, die fast jedes Mal aufkommen, wenn ich mich neu vorstelle.

Warum glauben Sie, dass es wichtig ist, ein Auslandjahr einzulegen?

Es ist einfach super, mal aus seinem Trott rauszukommen und ein ganz neues Umfeld und eine neue Kultur zu erleben. Mir hat es ein viel größeres Verständnis eingebracht und ich urteile auch nicht mehr so schnell über Sachen, die mir fremd sind. Ich habe auf so viele Dinge eine neue Sicht bekommen und viel Neues gelernt. Ich würde das jederzeit wieder machen. Natürlich lernt man auch eine Sprache am besten, wenn man in einem Land lebt.

Wie ist das, wenn man sein gewohntes Umfeld für einen festen Zeitraum hinter sich lässt. Gibt es so etwas wie Heimweh?

Richtiges Heimweh hatte ich nie. Am Anfang, bevor das College angefangen hatte und meine Gastschwester noch in Deutschland war, habe ich mich etwas alleine gefühlt. Das ist aber ganz schnell vergangen, als ich die ersten Leute kennengelernt habe. Es hilft auch, dass ich genau weiß, wann ich wieder nach Hause gehe. Wenn ich an meine Familie und Freunde in Deutschland denke, weiß ich genau, dass ich sie im nächsten Sommer wiedersehe. Es ist auch unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht. Für mich ist es fast, als wäre ich erst gestern aus dem Flieger in New York gestiegen.

Was gefällt Ihnen in den USA besser als bei uns und was vermissen Sie?

Ich vermisse ein ordentliches Frühstück mit Brot und Brötchen, die nicht so labbrig sind, dass man eigentlich gar nicht kauen braucht. Auf der anderen Seite liebe ich das amerikanische Barbecue. Das haben die Amerikaner schon echt raus. Mit der Zeit habe ich mich auch an die amerikanische Bequemlichkeit gewöhnt und mir werden die ganzen Drive Throughs in Deutschland bestimmt fehlen. Dann heißt es wieder aussteigen, um Geld abzuheben!