Manila. Deutschland ist Weltmeister. Mit dem 83:77-Sieg gegen Serbien endet eine makellose WM. So gelang der Sprung an die Spitze.
Im Moment des größtmöglichen Triumphs ruhte Gordon Herbert in sich. Man kennt den 64-jährigen Bundestrainer als erstaunlich ruhigen, ja fast schon stoischen Mann, der sich anscheinend durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Und nun das: Die Spieler der deutschen Basketball-Nationalmannschaft sprangen nach dem Sieg über Serbien auf dem Feld herum, lagen sich in den Armen, jubelten laut und weinten dann hemmungslos vor Glück. Herbert stand nur da, blickte auf die Anzeigetafel, auf das 83:77, das dort in großen leuchtenden Ziffern belegte, was vor diesem Turnier wohl kaum einer für möglich gehalten hätte: Deutschland ist Weltmeister.
„Wir hatten zu keiner Sekunde das Gefühl, das Spiel heute zu verlieren“, sagte Centerspieler Johannes Voigtmann, als das Sommermärchen auf den Philippinen mit einem Coup zu Ende gegangen und ein Traum wahr geworden war.
Nowitzki ist begeistert
Historisch war schon der Einzug ins Finale und die sichere Silbermedaille. Und doch war dies für die deutschen Basketballer nicht genug. „So eine Möglichkeit gibt es vielleicht nur einmal im Leben. Lasst sie uns nutzen“, hatte Herbert seinem Team mit auf den Weg gegeben, um nach EM-Gold 1993, WM-Bronze 2002, EM-Silber 2005 und Bronze bei der EM in Berlin im Vorjahr den bedeutendsten Erfolg deutscher Basketball-Historie zu erreichen. Und tatsächlich: „Weltmeister!!! Unfassbar! Was für ein Team!“, schrieb Deutschlands Basketball-Ikone Dirk Nowitzki in den Sozialen Medien.
Es war das Finale, mit dem kaum einer gerechnet hatte. Die USA, diesen Basketball-Giganten, hatten die meisten Fans im Endspiel gesehen. Aus purer Selbstverständlichkeit. Doch da war Halbfinalgegner Deutschland, der den individuell besseren Gegner durch die bessere Teamleistung in die Knie zwang. Die starken Kanadier wurden von vielen als Finalgegner auserkoren, doch sie stolperten im Halbfinale über Serbien. Jenes Team, das ohne NBA-Superstar Nikola Jokic angereist war und in Abwesenheit des derzeit wohl besten Basketballers der Welt trotzdem eiskalt ins Endspiel preschte. „Ich habe mir dieses Finale gewünscht, und es ist so gekommen“, hatte Serbiens Trainer Svetislav Pesic vor dem Sprungball in der mit 12.0222 Zuschauern gefüllten Mall of Asia Arena in Manila gesagt. Vor jenem Spiel, in dem sich für den 74-Jährigen ein Kreis schloss.
Welten prallen aufeinander
Vor 30 Jahren wurde Svetislav Pesic als Bundestrainer so sensationell wie überraschend Europameister mit Deutschland, vor 21 Jahren Weltmeister mit dem damaligen Jugoslawien. Nun trafen Pesics Welten auf dem 28 mal 15 Meter messenden Spielfeld aufeinander, seine Heimat Serbien und seine Wahlheimat Deutschland. Im größtmöglichen Spiel überhaupt. Eine absurde Fügung des Schicksals. Fast schon kitschig.
Auf dem Spielfeld aber ging es weniger gefühlsklebrig zu, es entwickelte sich ein knallhartes Duell, in dem beide Teams noch einmal unterstrichen, weshalb sie zurecht im Finale standen. Dennis Schröder gab erneut den Anführer, schnitt mit seiner unglaublichen Geschwindigkeit und einer Mischung aus Selbstvertrauen und Wahnsinn zum Korb, traf aus der Distanz und setzte seine Mitspieler in Szene. In den entscheidenden Augenblicken übernahm er Verantwortung: Schröder versenkte 21,4 Sekunden vor der Schlusssirene einen ganz wichtigen Korbleger zum 81:77. Am Ende hatte er 28 Punkte erzielte, wurde zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt (MVP). Franz Wagner, 19 Finalpunkte, demonstrierte einmal mehr sein Ausnahmetalent durch seine Variabilität, sei es mit Treffern aus der Distanz oder den langen Schritten zum Korb, bei denen so mancher Gegenspieler nach den plötzlichen Richtungswechseln den Anschluss verlor. Andreas Obst strahlte stets Gefahr von der Drei-Punkte-Linie aus, Daniel Theis und Johannes Voigtmann arbeiteten weiter wie ein Abrissunternehmen unter dem Korb.
Diese WM, die in den sieben Spielen zuvor so viele überragende Momente einzelner Spieler wie Maodo Lo (gegen Australien), Isaac Bonga (gegen Slowenien) und Andreas Obst (gegen die USA) gesehen hatte, wurde nun von einer erneut überragenden Leistung von Dennis Schröder gekrönt.
Mit klarer Mission angereist
Serbien leistete den erwartet großen Widerstand. NBA-Spieler Bogdan Bogdanovic spielte stark, und seine Nebenleute waren der erwartet unbequeme Gegner ohne die ganz großen Namen, dafür aber mit knallharter Defensive und vielen Dreierwerfern.
Das deutsche Team fand wie in den sieben ungeschlagenen Spielen zuvor aber Lösungen. Schröder und Co. waren mit einer klaren Mission zur WM gereist. Motiviert und zusammengeschweißt vom Glauben, dass da noch mehr möglich ist als EM-Bronze im vergangenen Sommer. Funktionierend als Einheit, in der selbst das einstige Riesen-Ego Schröder auf die Stärken seiner Nebenmänner vertraut. Und nun: Weltmeister! „Es war nicht ein Spieler“, stellte Dennis Schröder im Jubelrausch noch einmal klar. „Es war die ganze Mannschaft. Das macht uns aus.“