Warstein.
Dieser Mensch wirkt mit 70 Jahren noch genauso verrückt wie früher, wenn es um Pferde geht: Peter Rathmann. Ein Kieler Junge, der mit dem Reitsport-Zirkus durch die weite Welt gezogen ist. Seine größten Sporen hat er sich als Turnierveranstalter erworben. Von ihm kam vor elf Jahren der Impuls zur Warsteiner Champions Trophy.
Herr Rathmann, wie ist Ihre Verbindung zur Warsteiner Brauerei eiigentlich entstanden?
Peter Rathmann: Das liegt weit über 20 Jahre zurück. Erst bin ich bei einer Anfrage auf Ablehnung gestoßen. Dann habe ich ein Fax an Herrn Cramer persönlich geschickt. Daraufhin hat er mich nach Warstein eingeladen. Albert Cramer ist als Sponsor bei meinem Turnier in Kiel eingestiegen. Bis heute ist die Brauerei ununterbrochen dabei. Eine ganz große Geste.
Im Gegenzug haben Sie die Warsteiner Champions Trophy ins Leben gerufen?
Rathmann: Das kann man so sagen. Ich wurde Repräsentant der Warsteiner Brauerei in allen Reitsportfragen. Die Champions Trophy ist mir ans Herz gelegt worden. Da ist sehr viel Herzblut dabei und enorme Ehrlichkeit. Ich liebe dieses Turnier. Es macht mir bis heute großen Spaß.
Sie haben großes Vertrauen zur Familie Cramer?
Rathmann: Absolut. Ich verwalte deren Sponsorengelder als wenn sie mein eigenes Geld wären. Ich habe nie mein Budget überschritten. Und Albert Cramer habe ich versprochen: Ich leite das Turnier solange es meine Gesundheit zulässt. In Kiel will ich ab 2013 als Turnierleiter kürzer treten und dann in den Aufsichtsrat der Baltic Horse Show wechseln. Die Nachfolge sollte bis dahin geregelt sein. So ein großes Turnier, das ich über 20 Jahre organisiert habe, kostet schon Nerven. In Warstein gab es dagegen nie Probleme was die Organisation anbelangt.
Warum?
Rathmann: Weil ich von Anfang mit Seppel Albersmeier und Uwe Wendt zwei absolute Profis an meiner Seite hatte. Sie sind ein starker Rückhalt, wenn ich von Kiel aus bei den Turniervorbereitungen agiere. In monatlichen Workshops halten wir das ganze Jahr über persönlichen Kontakt. Backstage sind zudem immer zwei Damen aus meinem Unternehmen – einer Druckerei – dabei. Sie wickeln viele Dinge hinter den Kulissen ab.
Reiter der Luftwaffe
Peter Rathmann, Jahrgang 1941, geboren in Kiel, ist gelernter Schriftsetzer und Chef der elterlichen Druckerei. Ein kaufmännisches Studium ebnete ihm den Weg als Turnier-Manager im Reitsport. Mit Pferden in Kontakt kam er erstmals auf einem Dreiergespann, das einen Mähdrescher zog. Es war das Schlüsselerlebnis in seinem Leben: „Ich saß in der Mitte mit einer Badehose und habe mir durch den Schweiß der Pferde den Oberschenkel verbrannt.“
Dies geschah auf einem Bauernhof an der dänischen Grenze, wohin seine Großeltern nach dem 2. Weltkrieg evakuiert wurden. Den ersten Reitunterricht bekam Rathmann mit zehn Jahren auf einem Gestüt nahe Flensburg: „Ich musste die Stallgasse fegen und ausmisten. Dafür erhielt ich die Reitstunden.“ Als Jugendlicher folgten die ersten Turnierauftritte in den 50er Jahren. Von 1961 bis 1963 ritt er in seiner Militärzeit für den Führungsstab der Luftwaffe bei NATO-Turnieren in Rom, Paris und Wien.
Den zweiten Frühling seiner aktiven Laufbahn erlebte Peter Rathmann im fortgeschrittenen Alter in der Seniorentour. Die großen Reitstadien in Rom und Barcelona sind unvergessene Stationen. Rathmann: „Das war Abenteuer pur. Eine wunderbare Zeit.“ Meriten als Turnierleiter folgten in Elmshorn, Hannover-Langenhagen, Leipzig, Flensburg, Warstein und Kiel. 22 Mal hat der heute 70-jährige Reitsport-Enthusiast die Baltic Horse Show in der Ostseehalle organisiert.
Hat sich jemals ein WCT-Teilnehmer über die Bedingungen beschwert?
Rathmann: Das gibt es auf jedem Turnier. Wenn ein Reiter im Parcours zwei oder drei Fehler macht, dann lässt er das an der Organisation aus. Aber der kriegt von mir sofort einen richtigen Einlauf. Ich sage jedem Nörgler klipp und klar: Leute, seid froh, dass es diese tolle Anlage wie in Warstein gibt. Seid dem Inhaber dankbar, dass ihr hier reiten dürft.
Sie haben in der Vergangenheit viele Reiterpersönlichkeiten begleitet. War das die größte Herausforderung Ihres Lebens?
Rathmann: Es war eine außergewöhnliche Erfahrung. Ich habe von 1999 bis 2005 das bekannte Show-Jumping-Team von Ericsson geleitet und bin mit dem 45 Wochen durch die Welt geflogen. Dazu kam dann irgendwann das World-Team mit Rodrigo Pessoa, Willi Melliger, Jeroen Dubbeldam und Lars Nieberg. Im Ericsson-Team sind Franke Sloothaak, Markus Fuchs, Marcus Ehning, Jerry Smit, Maria Gretzer und Olivier Guillon geritten. Lauter Topleute. Von Asien, über Südamerika und Europa bis nach Australien bin ich mit ihnen unterwegs gewesen. In dieser Zeit habe ich viel gelernt.
Fällt Ihnen spontan das schönste Ereignis ein?
Rathmann: Das war ganz klar die Goldmedaille der deutschen Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Sydney, die ich zufällig miterleben durfte.
Wieso zufällig?
Rathmann: Da hatte ich gerade den Vertrag mit Rodrigo Pessoa für das World-Team abgeschlossen. Ich wurde vom Schweizer Teamchef plötzlich nach Australien geschickt. Dort brach Rodrigo im Einzelspringen furchtbar ein. Es war das traurigste Erlebnis, dass ich bei einem großen Reiter erlebt habe. Zwei Tage vorher hatte er mir den Vertrag unterschrieben.
Das spricht für die These, wie unberechenbar der Reitsport geworden ist. Selbst bei ländlichen Turnieren gewinnen nicht immer die Favoriten. Freut Sie das?
Rathmann: Ich will einfach, dass der Sport gewinnt. Früher habe ich immer gesagt, der Veranstalter braucht einen großen Namen. Damit der vielleicht den Großen Preis gewinnt. Das ist mir heute völlig egal. Der Erste muss der Beste sein. Das ist mir am liebsten im Reitsport.
An welche Anekdote bei der Warsteiner Champions Trophy erinnern Sie sich besonders gerne?
Rathmann: Die Begegnung mit Legende Hugo Simon war ein Highlight. Er kam damals nur nach Warstein, weil ich mir hier Zeit für ihn nahm. Einen Abend haben wir uns dann so die Birne am Tresen gegeben, dass er am nächsten Tag mit all seinen Top-Pferden versagt hat.
Mit Markus Fuchs teilen Sie auch ein kurioses Erlebnis?
Rathmann: Markus kam nach Warstein und hatte drei Pferde mit. Darunter auch Tinka’s Boy. Er wollte sie einreiten für die Weltcup-Station eine Woche später in Berlin. Doch in jedem Springen hatte er ein Hindernis am Bein. Nur 137 Euro Preisgeld standen ihm nach dem verpatzten Wochenende zu. Markus hat dann gesagt: Zahl mir das bitte in bar aus, damit ich außerhalb von Warstein noch tanken kann. Und in Berlin gewinnt der Bursche anschließend das Weltcup-Springen mit Tinka’s Boy. Das sind Erlebnisse, die vergisst man nie.
Champions Trophy in Warstein
Gab’s magische Momente in Warstein, die Sie berührt haben?
Rathmann: Eindeutig die beiden Jahre als Franke Sloothaak den Großen Preis gewonnen hat. Das ist ein enger Freund von mir. Ich freue mich immer, wenn Franke gewinnt. Wir hatten zudem eine sehr starke Dominanz von Holsteiner Reitern in Warstein. Philip Rüping hat im vergangenen Jahr im Großen Preis triumphiert. Und mit Thorben Köhlbrand und Jörg Kreutzmann waren noch zwei weitere Landsleute hinter ihm platziert.
Rechnen Sie in diesem Jahr wieder mit einer Holsteiner Vorherrschaft?
Rathmann: Schwer zu sagen. Wir haben dieses Jahr nicht so viele Holsteiner Reiter hier. Philip Rüping ist wieder dabei. Thorben Köhlbrand ist auch wieder am Start und Jörg Nebel eventuell. Wenn er nicht noch eine Startgenehmigung für Stuttgart bekommt, um dort Weltcup-Ranglistenpunkte sammeln zu können.
Verstehen Sie Kritiker, die glauben der Reitsport stinkt vor Geld?
Rathmann: Diese Meinung ist völlig antiquiert. Der große Turniersport kostet natürlich viel Geld. Das ist sehr oft auch Kundenmanagement von Firmen, die eine Affinität zum Reitsport haben. Das ist wie beim Fußball in der Loge. Aber die meisten Menschen, die dem Pferdesport nahe stehen sind einfache Lohn- und Gehaltsempfänger. Die pflegen den Breitensport im Reiten. Und diese Zahl von Pferdeleuten steigt immens. Das sind Menschen, die sich für ihr Hobby das Pferd, vom Mund absparen.
Ist das Thema Doping noch akut im Springreiten oder wird es verdrängt?
Rathmann: Es wird immer Doping geben solange Menschen nach mehr Leistung im Sport streben. Die Zahl der Fälle wird weniger, weil die Strafen dafür sehr hoch sind. Wenn ich als Veranstalter weiß, dass einer gedopt hat, dann hat er bei mir keine Chance mehr aufzutreten.
Weshalb darf dann der einst gesperrte Christian Ahlmann in Warstein reiten?
Rathmann: Weil seine Verurteilung an einem sehr seidenen Faden hing. Es war für mich kein Doping in der Form wie ich eigentlich Doping als Leistungsförderung sehe. Das, was ihm anhing, war für mich keine Straftat. Ich bin gegen die Nulllösung, aber ich habe kein Allheilmittel.