Biedenkopf/Karlsruhe. . Es ist der emotionale Höhepunkt einer fast unbeschreiblichen Saison: Felix Wiemers stellt sich der „weiß-schwarzen Wand“ entgegen, greift zum Megafon und schreit, während sich seine Teamkollegen hinter ihm versammeln, die „Titanen“-Hymne der große Biedenkopfer Fangemeinde entgegen, die sofort mit einstimmt – ein gemeinsamer Chor, aus Hunderten Kehlen, bestimmt für einige Augenblicke das Geschehen in der Europahalle. Applaus brandet auf, bei Turnern und Fans fließen Tränen.
Dabei hatten die Turner aus dem Hinterland erst wenige Minuten zuvor das Finale gegen die Favoriten TV Wetzgau verloren. Doch inmitten der Euphorie über die Silbermedaille, bleibt kein Platz für Enttäuschung. „Das ist der größte Tag meines Lebens“, schwärmt Thore Gauch, während Fabian Hambüchen und Fabian Lotz zunächst die Worte fehlen: „Unbeschreiblich“, findet es der eine, „einfach überwältigend“ der andere – und alle sind der Meinung, dass der TV Wetzgau ein verdienter Sieger ist.
Nur eine Woche nach dem eher unspektakulären und einseitigen Duell beider Mannschaften, das Wetzgau mit 59:29 am siebten Wettkampftag der Bundesliga gewann, stehen sich diesmal zwei Gegner auf Augenhöhe gegenüber und liefern sich einen bis zum letzten Gerät hochspannenden Zweikampf.
Wetzgau eröffnet das Finale am Boden. Nationalturner Andreas Toba legt vor, Fabián González kontert mit seiner bisher stärksten Übung in dieser Saison. Doch mit dem letzten Überschlag in den geplanten sicheren Stand, verliert González das Gleichgewicht und stolpert vorn über mit den Händen auf die Bodenmatte. Die Folge: Ein Scorepunkt für Toba. Als danach noch Helge Liebrich und Bart Deurloo je drei Punkte gegen Felix Wiemers und Fabian Lotz einsammeln, kann auch Fabian Hambüchens „Fünfer“ gegen Dominik Pfeifer die Niederlage am ersten Gerät nach Scorepunkten – denn nach Wettkampfpunkten siegten die Hessen knapp mit 56,0 zu 55,4 – nicht mehr abwenden.
An Pferd und Ringen, beides Paradegeräte der Wetzgauer, vergrößern die Schwaben ihren Vorsprung auf die Biedenkopfer erwartungsgemäß und führen zur Pause mit 23:13.
Am Sprungtisch bietet die KTV-Riege dem TV Wetzgau zwar erneut stark Paroli, doch können auch die Punkte von González (2) und Hambüchen (3) den Geräteverlust gegen acht Zähler der Kontrahenten nicht abwenden. Dann aber beweist Obere Lahn Stärke: Am Barren übertrumpfen zunächst Likhovitskiy und Lotz die Vorlagen von Liebrich und Toba, der den Abgang verpatzt und auf den Hosenboden fällt. Danach lässt Hambüchen dem Rumänen Andrei Muntean keine Chance. Acht Punkte sammelt das Trio, drei verliert Thore Gauch.
Stolz auf die Vizemeisterschaft
Vor dem letzten Gerät führen die Bronzemedaillengewinner des vergangenen Jahres nur noch mit 34 zu 26. Und als erster Turner geht Fabian Hambüchen an das Reck und bringt die mit 15,5 Punkten stärkste Übung des Abends in den sicheren Stand. Kaum einen Zuschauer hält es noch auf den Plätzen, als vier „rote Scores“ über die Anzeigetafel flimmern und die KTV den Rückstand auf vier Punkte verkürzt. Toba kann im Zweikampf mit Lotz kontern: Er gewinnt drei „blaue“ Zähler. Die Entscheidung fällt aber dann schon, bevor Schlussturner Thore Gauch einen Punkt verliert – nämlich als Andrey Likhovitskiy gegen den starken Niederländer Deurloo „nur“ ein Unentschieden verbucht.
Trotzdem: Die Biedenkopfer jubeln. „Wir haben gekämpft. Es hat nicht ganz gereicht, aber daran brauchen wir nicht denken: Wir sind Vizemeister!“, betont Hambüchen. Und Trainer Albert Wiemers lächelt: Gerade sei er einfach „sehr stolz“.