Siegen. Ausrastende Zuschauer: Das Kreissportgericht Siegen-Wittgenstein hat ein Exempel statuiert, dem Verein aber eine letzte Chance gegeben.

Anadolu Türk Spor Neunkirchen und das Verhalten eines Teils seiner Zuschauer bei den Heimspielen - das ist ein Kapitel für sich. Allerdings ein für den Verein sehr trauriges. Nach Zwischenfällen im Entscheidungsspiel gegen den SV Netphen Ende Mai in Freudenberg bereits zu „Geisterspielen“ für die Saison 2024/2025 verurteilt, brummte das Kreissportgericht Siegen-Wittgenstein dem Fußball-B-Ligisten in seiner Sitzung am Dienstagabend nun eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro auf und verhängte weitere Auflagen auf Bewährung.

Denn: Beim Anadolu-Heimspiel am 6. Oktober gegen die Sportfreunde Obersdorf/Rödgen (2:4) sollen sich zum wiederholten Mal Zuschauer daneben benommen haben. Der Vorwurf des KSG: unsportliches Verhalten. Diesen weit gefassten Begriff konkretisierte der Schiedsrichter aus Hessen in seinem Sonderbericht.

Kreissportgericht Siegen-Wittgenstein
Das Kreissportgericht Siegen-Wittgenstein tagte am Dienstag in der Besetzung Olaf Nelles, Maik Otto und Peter Füllengraben (von links). © Funke-Mediengruppe | Lutz Großmann

„Es haben sich nach dem Spiel Zuschauer vor mir aufgebaut und mich sogar aus 30 Zentimetern Entfernung mit Handys gefilmt. Ich bin eigentlich kein ängstlicher Typ, aber ich habe mich zum ersten Mal in meiner Schiedsrichter-Karriere bedroht gefühlt. Das war eine heftige Nummer, weil ich auch keine Ordner mit Binden gesehen habe“, sagte der erfahrene Referee, der in dieser erst ruhigen, gegen Ende aber hektischen Partie insgesamt zehn gelbe und zwei gelb-rote Karten gezückt hatte. Zu Schaden kam der Unparteiische nicht, verließ er die Sportanlage nach dem Duschen unversehrt.

Dieses Szenario bestätigte sogar einer der Zeugen von Anadolu Türk Spor Neunkirchen. „Es war chaotisch. Wäre ich Schiedsrichter gewesen, wäre ich zum Trainer gegangen, damit der mich in die Kabine begleitet“, gab der Zeuge zu Protokoll. Diese Aussagen reichten dem KSG als Beweis, wurde auf die Anhörung der beiden Vertreter der SF Obersdorf/Rödgen sogar verzichtet.

„Das, was von außerhalb kommt, ist euer Problem, nicht die Mannschaft.“

Maik Otto
KSG-Vorsitzender, an die Adresse von Anadolu Türk Spor Neunkirchen

Die 750 Euro Geldstrafe muss Anadolu Türk Spor Neunkirchen umgehend bezahlen. Sollte sich der Verein in einer zweijährigen Bewährungsphase vom 29. Oktober 2024 bis 29. Oktober 2026 wieder etwas zu Schulden kommen lassen - mehr als 100 Euro Geldstrafe oder mehr als vierwöchige Spielersperren - sind weitere 750 Euro fällig. Darüber hinaus müssen acht Anadolu-Spiele nach der am 17. November auslaufenden Zuschauersperre unter Kreisaufsicht ausgetragen werden - zu Hause und auswärts. Die Kosten trägt Anadolu. Damit nicht genug: Sollten sich bis zum Ende der Saison 2025/2026 (30. Juni 2026) erneut Zuschauer daneben benehmen, werden der ersten Mannschaft in der betreffenden Saison sechs Punkte abgezogen.

Kreissportgericht: Otto redet Verein ins Gewissen

KSG-Vorsitzender Maik Otto redete dem Verein ins Gewissen: „Das, was von außerhalb kommt, ist euer Problem, nicht die Mannschaft. Jetzt seid ihr gefragt, zu sagen: Stop! Bis hierhin und nicht weiter.“ Das KSG gab Anadolu Türk Spor Neunkirchen mit seinen bislang beispiellosen Urteilen noch eine, aber wohl die letzte Chance. „Es ist schade, dass wir das mit den Zuschauern nicht in den Griff bekommen“, übte der Anadolu-Vorsitzende Selbstkritik.

Die beiden vom Schiedsrichter jeweils mit Gelb-Rot vom Platz gestellten Anadolu-Akteure wurden freigesprochen, weil sich die im Sonderbericht erhobenen Vorwürfe, er sei beleidigt bzw. „bedrängt“ worden, nicht erhärten ließen. lgr