Berlin. Mit 70 Jahren beim Jubiläums-Marathon in Berlin zum 30. Mal ins Ziel kommen - so erfüllte sich Karl Steiner seinen großen Läufertraum.
Eigentlich hatte er seine Laufschuhe schon zur Seite gelegt. Diverse Verletzungen schienen Karl „Carlos“ Steiner dazu zu zwingen, sich von seinem liebsten Hobby zu verabschieden, nachdem er eineinhalb Jahre quasi keinen Meter gelaufen war. Doch da war noch was, da war noch ein Ziel in seinem Kopf: Mit 70 Jahren beim 50. Berlin Marathon seinen 30. Berlin Marathon laufen!
Entlastung für die ramponierten Knie
Noch im Sommer war das für den TuS Deuz startende Läufer-Urgestein aus Netphen-Salchendorf von diesem 42,195-Kilometer-Vorhaben weit entfernt. Doch dann setzte sich der Ehrgeiz durch, sein Wille, beim Jubiläums-Marathon in der Hauptstadt unbedingt dabei zu sein, gemeinsam mit der Weltrekordzahl von rund 55.000 Läuferinnen und Läufern aus aller Herren Länder. Steiner nahm sieben Kilo ab, entlastete damit seine durch tausende Laufkilometer ramponierten Knie, fand plötzlich wieder Spaß am Laufen. Auch ein glimpflich ausgegangener Radsturz an der Obernautalsperre im August konnte sein Vorhaben nicht stoppen.
Zusammen mit weiteren Läuferinnen und Läufern des TuS Deuz ging die Reise also wieder nach Berlin, dorthin, wo Karl Steiner 1984 seine Premiere gefeiert und fünf Jahre später mit 2:41 Stunden seine persönliche Berlin-Bestzeit gelaufen hatte. 1990 führte der Marathon erstmals auch durch den Ostteil der Metropole. „Damals durch das Brandenburger Tor zu laufen, war ein unvergessenes Erlebnis“, erinnert sich Karl Steiner.
„Mein Körper scheint offenbar zu wissen, wann ich in Berlin laufe.“
Dieses Glücksgefühl, die berühmteste Sehenswürdigkeit Berlins wenige hundert Meter vor dem Zieleinlauf zu passieren, genoss Karl Steiner in diesem Jahr ganz besonders intensiv, denn für ihn war es keine Frage, seinen 30. Berlin-Marathon zu beenden. „An Aufgabe habe ich nie gedacht. Für mich spielte die Zeit überhaupt keine Rolle“, sagt Karl Steiner, „solche Strapazen spielen sich nämlich mehr im Kopf als in den Beinen ab. Du musst mit Schmerzen umgehen können und ein Kampfschwein sein. Mein Körper scheint offenbar zu wissen, wann ich in Berlin laufe.“
Moderates Tempo gelaufen
Unterwegs saugte er, bei nach kühlen Temperaturen am Start inzwischen optimalen äußeren Bedingungen sein moderates Tempo laufend, die „unglaubliche Stimmung“, die einen durch die Stadt trägt, auf, gab es viele emotionale Momente und besondere Begegnungen auf und neben der Strecke. Als einer von denjenigen, die in Berlin mindestens zehnmal ins Ziel gekommen sind, hat Karl Steiner ein Startrecht auf Lebenszeit und eine feste Startnummer, nämlich die 1161. Nach 5:38:11 Stunden und Platz 183 in der AK 70 lief Karl Steiner strahlend und keineswegs entkräftet über die Ziellinie und wurde dort von anderen Deuzern empfangen.
Schnellster mit der starken Zeit von 2:45:02 Stunden war Rainer Bonn (Platz 128 in der AK45) vor Christian Becker (2:47:21/Platz 322 in der AK40). Stephan Heidrich (AK 35) brauchte 3:39:44 Stunden, Iris Hähner kam mit 3:28:32 Stunden auf Rang 442 in der AK 30.
Unfassbarer Werner Stöcker
(Fast) alle in den Schatten aber stellte mal wieder einer, der schon jetzt als „Laufwunder“ gilt: Werner Stöcker (LG Wittgenstein). Der 84-jährige Erndtebrücker schmiedete im vergangenen Spätsommer den Plan einer Premiere beim Berlin Marathon, bevor seine Lauf-Karriere irgendwann enden wird. Gesagt, getan. Über „Vitamin B“ war ein fester Startplatz schnell gebucht. Und Stöcker lieferte mal wieder eine Leistung ab, die über alle Maßen respektabel war: Mühelos erreichte er das Ziel, brauchte für die 42,195 km sensationelle 4:17:32 Stunden, die den 30.340 Rang in der Gesamtwertung und Platz eins in der Altersklasse 80 bedeuteten.
Ein tolles Rennen lief auch die Fischelbacherin Conny Wagener (LC Diabü Eschenburg). Obwohl sie bei Kilometer 27 stürzte und ihre Brille verlor, biss sie auf die Zähne. 3:35:11 Stunden nach ihrem Start stoppte im Ziel die Zeit, Rang 14.900 gesamt und Platz eins in der AK 65.