Wittgenstein. Wie steht es um das Ehrenamt und um den Nachwuchs in Wittgenstein? Wir haben abseits von „König Fußball“ nachgefragt. Die Lage seit der Pandemie: prekär.
Es sind diejenigen, die das Vereinsheim in Schuss halten, die Würstchen braten, den Rasen trimmen und dafür sorgen, dass die Kasse stimmt: Ohne das Ehrenamt kann kein Verein der Welt existieren. Es ist die Bindung zwischen den ehrenamtlichen Helfern und den Sportlern, die ein Vereinsleben erst möglich macht. Doch in den vergangenen Monaten wurde immer deutlicher, dass diese Bindung immer mehr verloren geht. Nicht nur auf den Fußballplätzen, doch die sind diesmal außen vor. Wir blicken auf die Sportarten, die es ohnehin schwer haben, das Ehrenamt und die Jugend zu mobilisieren.
Tennis
Jörg Hochdörffer kennt die Probleme der Tennisvereine. Der Spieler des TC RW Laasphe und Präsident des Westfälischen Tennis-Verbandes hat eine Vermutung, woran es liegt, dass die Motivation zum Ehrenamt immer weiter schwindet. „Es ist schwieriger, jemanden zu finden, der Aufgaben übernimmt. Corona hat viel verändert. Die Leute sind unzuverlässiger geworden und auf der anderen Seite egoistischer als früher. Es geht immer mehr in Richtung bezahlter Sport. Im Fitnessstudio zahle ich Geld, muss aber keine Thekendienste mehr machen. Das merken alle Vereine und Sportarten“, führt Hochdörffer aus.
Früher habe es aufgrund familiärer Verbindungen eine andere Struktur gegeben. So auch in der Geschäftsstelle des WTV. „Früher saßen zwei oder drei Leute in der Geschäftsstelle, das wurde alles vom Ehrenamt gemacht. Heute brauchen wir überall Leute, die die Vereine betreuen, weil der Tennisverband so breit gefächert ist. Die Tendenz geht immer mehr in Richtung Hauptamt.“ Das Ehrenamt, sagt Hochdörffer, werde „von außen“ nicht mehr wertgeschätzt. Am Ende gehe es nicht um eine Entlohnung, sondern um die fehlende Wertschätzung.
Diese Wertschätzung sei nicht erst während Covid verloren gegangen, doch die Pandemie habe der Sache einen gewaltigen Schub gegeben. „Da ist alles eingeschlafen. Ich habe während Corona so viel Tennis gespielt wie 20 Jahre lang nicht mehr. Was die Gemeinschaft angeht, war Corona eine Katastrophe. Aber die Leute haben gemerkt, dass man den Tag auch ohne Ehrenamt rumkriegen kann.“
Turnen
Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch im Turnsport ab, wie Udo Weber vom TuS Elsoff erzählt. „Es hat sich vieles verändert in den vergangenen Jahren. Was uns Probleme macht, das ist der Nachwuchs. Zum einen, weniger Kinder, zum anderen weniger interessierte Kinder. Es wird immer schwieriger, hier regional Übungsleiterlehrgänge zu machen. Da fühlt man sich als Verein im Stich gelassen. Wir hatten sieben auf einen Streich, das ist aber 15 Jahre her. Das sind die Dinge, wo der Schuh drückt. An Turnen ist nicht mehr zu denken, aber Leichtathletik, die boomt.“
Der Vorsitzende Pierre Hoffmann ergänzt: „Wir hoffen, dass das noch über viele, viele Jahre hier weitergeht. Heutzutage ist aber viel Ablenkung da. Die Jugendlichen werden durch andere Medien und andere Vereine abgelenkt. Man kann sich nicht an einem Abend mit zwei Vereinen beschäftigen. Bei uns sind aber die wenigsten nur in einem Verein. Ob Schützenverein oder Burschenschaft, man ist Vereinsmensch. Solche Voraussetzungen sind für das Ehrenamt nicht gut. Ich kann nicht bei zwei Veranstaltungen gleichzeitig unterstützen.“
Handball
Auch wenn die HSG Wittgenstein in den vergangenen beiden Jahren eine Handvoll ambitionierter Jugendspieler als Zuwachs für den Herrenkader verbuchen konnte, sieht es im Großen und Ganzen relativ schwierig mit Nachwuchs aus, wie Christian Dohle, Trainer des A-Ligateams der Handballer erklärt: „Wir haben zwar noch zwei Jugendmannschaften, aber schon seit Jahren sieht es mit Jugendspielern sehr, sehr schlecht aus.“ Derzeit meldet die HSG eine C- und eine E-Jugend und hat damit nicht mal einen direkten A-Jugendunterbau für die Herren.
Die Suche ehrenamtlichen Helfern, die sich um den Wurstverkauf, Hallenpflege kümmern oder generell Aufgaben um die Mannschaft herum unternehmen, gestaltet sich für Wittgensteins letzte Handballmannschaft als schwierig: „Freiwillige zu finden ist von Woche zu Woche eine Aufgabe. Man muss aktiv die Leute ansprechen und einbinden.“ Besonders in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Lage laut dem Übungsleiter erneut zugespitzt, aus seiner Sicht spielen dabei zwei Gründe eine maßgebliche Rolle: „Seit der Schulreform vor einigen Jahren und durch Corona ist das ganze nochmal schwieriger.“
Schützenverein
Auch wenn der Schießsport bei weitem nicht die Popularität verbuchen kann wie der Breitensport Fußball, so erfreut er sich in Wittgenstein vielerorts doch einer langen Tradition. Besonders der SV Berghausen, der bis vor kurzem noch in der Verbandsliga geschossen hat, blickt auf eine lange Historie zurück, hatte aber auch zum Ende der 2010er Jahre zumindest eine personelle Flaute zu verbuchen. Laut Niels Althaus, dem Sportlichen Leiter der Berghäuser Schützen, zeigt der Trend in der jüngeren Vergangenheit wieder nach oben: „Nachdem wir wieder auf unserer eigenen Anlage schießen, haben wir nochmal einen deutlichen Zuwachs bekommen, sodass derzeit zwischen zehn und fünfzehn neue Kinder und Jugendliche bei uns regelmäßig mittwochs trainieren.“
Die Folge ist, dass der Verein nun erstmals seit einigen Jahren mehrere Jugendmannschaften zu Rundenwettkämpfen und in Ligawettkämpfe schicken kann. Auch um die sportliche Leitung hat sich ein Helferteam von rund zehn Leuten geholfen, die sich um den reibungslosen Ablauf der Wettkampftage sowie den Verkauf von Kaffee und Getränken kümmern, zusätzlich gibt es ein Trainerteam, von dem bei jeder Einheit drei bis vier Übungsleiter im Einsatz sind. Mit Freude blickt Althaus auf die nahe Zukunft: „Wir freuen uns sehr, dass wir in diesem Jahr endlich die Stadtmeisterschaft auf unserer Anlage austragen können.“