Wittgenstein. Bei der Fußball-EM dürfen nur noch die Kapitäne mit Schiedsrichtern diskutieren. Warum das wohltuend ist, beschreibt unser Kolumnist.
Die EM ist aus vielerlei Gründen wohltuend. Da sind nicht nur die Erfolge des Nationalteams oder die vielen tollen Begegnungen zwischen Europäern, sondern auch kleine, aber feine Dinge wie die Renaissance des Mannschaftskapitäns.
In den letzten zwei Dekaden war einem nicht so klar, wofür diese Rolle eigentlich (noch) steht. Da kommt es genau zum richtigen Zeitpunkt, dass die Uefa dem Kapitän wieder das Privileg einräumt, als Einziger mit den Schiedsrichtern zu diskutieren. Schlechtes Theater und Rudelbildungen mit noch schlechterer Schauspielerei haben so endlich ein Ende.
Urdemokratische Säulen
Dabei ist es mehr als eine sportliche Entscheidung. Der Kapitän ist im Bereich der Kulturwissenschaften eine hoch spannende Figur, ganz egal, ob dieser auf dem Rasen oder jener zur See. Mitspracherecht und Teilhabe sind urdemokratische Säulen, die eben nicht dadurch eingeschränkt werden, wenn Vertreter sie ausüben. Ob Kapitäne, Klassensprecher oder Gewerkschaftsbosse – wir legen unsere Wünsche und Ideen in ihre Hände und verleihen ihnen damit eine Lobby.
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Auch für den Nachwuchsbereich ist die Rückkehr des Kapitäns daher eine gute Nachricht. Die eigene Rolle an der Seite des Kapitäns zu akzeptieren und im Spiegel keine Diva zu sehen, die sich über jede Kleinigkeit hinwegsetzt, tut jeder Persönlichkeitsentwicklung gut. Das wird sich auch und vor allem auf den kleinen heimischen Fußball auswirken. Gerade in einer Zeit, in der Mannschaftsräte an Gewicht verlieren, sollte ein Kapitän wieder die Loyalität seiner Crew genießen und einfordern.