Wittgenstein. Die JSG Lahntal erklärt ihren Verzicht auf Fußballtraining, andere Vereine legen los. Es gilt gewichtige Argumente gegeneinander abzuwägen.
Es hätte in dieser Woche wieder losgehen sollen, in etlichen Telefonaten war die Rückkehr der jüngsten Fußballer auf den Sportplatz vorbereitet worden. Daraus wurde nichts, am Montag gab die Jugendspielgemeinschaft Feudingen/Laasphe/Niederlaasphe/Puderbach eine „Elterninformation zur aktuellen Situation“ heraus. Ihr Inhalt: Die Absage des Trainings für Kinder bis 14 Jahren, das laut Coronaschutzverordnung wieder erlaubt ist. Mancherorts rollt das runde Leder schon seit Gültigkeit der neuen Coronaschutzverordnung, also seit dem 8. März wieder. Warum also nicht im Lahntal?
„Aufgrund der steigenden Inzidenzwerte und zum Schutz der Spieler, Trainer und Eltern. Die Gesundheit geht einfach vor, mit den neuen Corona-Mutationen gibt es auch bei Kindern häufiger schwere Verläufe“, fasst Florian Roschitz, Jugendvorstand des FV Niederlaasphe, den Grund grob zusammen. Binnen weniger Tage stieg die 7-Tage-Inzidenz in Nordrhein-Westfalen von 60 auf über 80, im Kreis Siegen-Wittgenstein liegt sie bei knapp 120. Eher kurz- als mittelfristig, so die Vermutung, wäre der Spaß auf dem Fußballplatz ohnehin durch Platzsperren und Kontaktbeschränkungen ohnehin wieder vorbei.
„Uns war wichtig, eine klare, gemeinsam Entscheidung zu treffen und den Trainern und Eltern diese schwierige Entscheidung abzunehmen“, sagt Roschitz, der auch mit seiner privaten Torwartschule den Betrieb weiter ruhen lässt.
Mit seinen JSG-Amtskollegen Dustin Völkel (SV Feudingen), Benjamin Sauerwald (FC Laasphe) und Armin Schäfer (FSV Puderbach) hatte Roschitz in Telefonaten mit Eltern und Behörden akribisch auf den Re-Start hingearbeitet.
Sorge auch vor hohen Strafgeldern
Nun ist der Frust groß. „Es ist alles so undurchsichtig, es ändern sich ständig die Paragrafen und nicht immer sind sie klar formuliert“, sagt der 26-Jährige. „Das ist Wahnsinn, du hast das Gefühl, dass du es nicht richtig machen kannst. Im Zweifel kostet es dich dann richtig Geld.“
Leicht sei dem JSG-Vorstand die Entscheidung nicht gefallen. „Viele haben uns gefragt, wann es wieder losgeht. Aber dann hatten wir auch Trainer bei uns, die darauf verwiesen haben, dass ihr Kind noch nicht mal wieder in der Schule war.“ Der Grundsatz, dass die Schule immer vorgeht, wäre Kindern bei der Aufnahme des Training noch vor dem Präsenzunterricht schwierig zu vermitteln. Immerhin: „Die Eltern akzeptieren unseren Weg.“
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Den gleichen geht der TuS Erndtebrück, der einzig das semiprofessionell arbeitende Oberliga-Team der Seniorenfußballer ausklammert. „Der Vereinsvorstand hat sich aufgrund der Zahlen über 100 entschieden, den Platz vorerst nicht freizugeben, weder für Jugendfußball noch für Leichtathletik. Die Risiken sind zu groß“, fasst Mattias Gewalt, Jugendleiter des Pulverwald-Clubs die Situation zusammen. Leicht sei die Entscheidung nicht gewesen, zumal andere Teams schon wieder losgelegt haben.
Dazu zählt beispielsweise die Jugendspielgemeinschaft des VfL Bad Berleburg und der Sportfreunde Edertal. „Bei uns herrschte große Verwirrung, was nun überhaupt erlaubt ist“, sagt Jugendleiter Manuel Rath. Inzwischen ist klar, dass auch „normal“, also mit Zweikämpfen trainiert werden darf – worauf aber teilweise verzichtet wird.
Die JSG lässt es vorsichtig angehen: Statt, wie sonst, zwei Teams darf nur eines auf den Platz. Gruppen werden nicht gemischt, die Kabinen bleiben zu und Eltern sind angehalten, im Auto bleiben. „Wir wollen kein Treiber der Pandemie sein“, sagt Rath, der froh ist, dass die JSG sich zum Trainings-Re-Start durchgerungen hat: „Die Freude der Kinder war riesengroß, ähnlich wie bei der Rückkehr in die Schule. Viele von ihnen lieben den Vereinssport. Aber jetzt diskutieren wir wegen der Entwicklung auch schon wieder, alles zu stoppen. Das kann von heute auf morgen passieren.“
Mischform im Banfetal
Eine „Mischform“ gibt es bei der JSG Banfe/Banfetal, wo den einzelnen Jugendbetreuern das Trainingsangebot freigestellt ist. „Einige Eltern wollen ihre Kinder nicht zum Training schicken, weil sie das Risiko scheuen. Das bedarf auch keiner Entschuldigung“, betont JSG-Leiter Carsten Roth, der aber ohnehin mit einem baldigen Stopp von gesetzlicher Seite rechnet.
„Jeder Tag, an dem die Kinder sich an der frischen Luft die Köpfe freimachen können, ist Gold wert“, sagt der Familienvater, der aber auch die Argumente gegen Fußball in der Pandemie kennt und versteht: „Das alles abzuwägen, ist eine sehr schwierige Entscheidung.“