Wunderthausen/Hesborn. Bei Großkaliberschützen ist Körperbeherrschung in besonderem Maß gefordert. Der SSV Wunderthausen erklärt die Besonderheiten der Disziplin.
Der rote Faden zieht sich hier buchstäblich durch das sportliche Programm, zumindest wenn es um die Sicherheit geht. Und die steht bei den Großkaliberschützen der Schießgruppe Wunderthausen im Schieß- und Schützenverein Wunderthausen ganz vorne. Der rote Faden, von der Mündung bis zum Verschluss durch den Gewehrlauf gezogen, signalisiert: Keine Munition mehr im Gewehr, alles sicher!
Wenn sich die Ordonnanzgewehr-Schützen aus Wunderthausen auf der Schießanlage der Reservistenkameradschaft Hesborn treffen, wird schließlich scharf geschossen, mit Patronen von bis zu 8 Millimetern Durchmesser auf Scheiben in 100 Meter Entfernung. 100 Meter – da muss selbst der Rekord-Torschütze der Fußball-Bundesliga klein beigeben: Moritz Stoppelkamp traf vor acht Jahren für den SC Paderborn aus 82 Metern Entfernung ins Ziel auf der anderen Seite des Platzes.
„Die Faszination beim Schießen mit dem Ordonnanzgewehr macht der hohe Grad an Körperbeherrschung aus“, umschreibt Patrick Strackbein die sportliche Herausforderung. Die sei wichtig, „um mit diesem besonderen Sportgerät ein optimales Ergebnis zu erzielen“, sagt der Sportleiter der Gruppe. Der Rückstoß ist stark, den der Schütze mit der Schulter abfangen muss. Lederjacke oder Schießjacke und -hose sollen helfen, den Körper zu stabilisieren. Dabei gilt: je fester, desto besser für den genauen Schuss. Unabdingbar zudem: ein Gehörschutz.
Schweden-Mauser in Aktion
Erst ab einer Kraft mit 1500 Gramm am Abzug löst sich ein Schuss. „Da muss der Zeigefinger ganz schön trainiert sein“, betont Patrick Strackbein, „damit man nicht verzieht.“ Zum Vergleich: Bei einem Luftgewehr reichen 500 Gramm. Jeder Muskel, der verkrampfe, betont er, führe am Ziel vorbei. Es gibt spezielle Trainingsübungen nur für den Abzugsfinger.
Die jetzt als Sportgerät genutzten Waffen sind alte, originale Repetiergewehre, die bis 1963 bei Polizei und Militär im Einsatz waren. Das älteste Gewehr, mit dem die Wunderthäuser schießen, stammt aus 1900, ein so genannter „Schweden-Mauser“. Auch mit einem Nachfolger dieses Gewehrs aus dem Jahr 1937 treten sie bei Wettkämpfen an.
Neun von 70 Sportschützen sind in der Schießgruppe mit dem Ordonnanzgewehr aktiv. Die Disziplin könne nicht jeder ausüben, sagt Norbert Weller, der Sport sei teuer. „Ein Schuss kostet ungefähr einen Euro“, erklärt er. So komme man bei 45 Schuss in einem Wettkampf gleich auf 40 Euro.
Munition Marke Eigenbau
Dirk Jansohn stellt dagegen seine Munition selbst her, hat dafür eine besondere Genehmigung. „Das ist billiger“, erklärt der 2. Sportleiter, „und außerdem weiß ich dann genau, wie viel Pulver in einer Patrone ist.“ Sei zu viel darin, könne es gefährlich werden.
Norbert Weller ist regelmäßiger Teilnehmer bei Deutschen Meisterschaften, wie auch Stefan Benfer, Axel Benfer oder Marvin Julius. Zudem hat er in den vergangenen Jahren dreimal in Folge mit Marvin Julius und Stefan Bender den Landestitel mit der Mannschaft im Westfälischen Schützenbund gewonnen.
Die „Zehn“ in 100 Meter Entfernung zu treffen, ist immer wieder eine Herausforderung, auch wenn das Zentrum einen Durchmesser von immerhin 50 Millimetern hat. Die Schüsse könnten eine Abweichung von bis zu fünf Zentimetern haben, betont Sportleiter Patrick Strackbein. Gezielt wird durch ein Diopter oder über Kimme und Korn nicht direkt ins Zentrum, vielmehr lasse man die schwarzen Ringe optisch auf dem Visier aufliegen, schießt so eigentlich etwas nach unten auf die Scheibe. „Ich ziele immer etwas links höher“, erläutert der Vereinsvorsitzende Ralf Benfer, „das macht man so, wie das Gewehr eingeschossen ist.“
Schützenfest sorgt für Vorfreude
Dennis Müller ist mit 30 Jahren einer der jüngsten der Schießgruppe. Er sei Quersteiger, sagt er und lacht: „Ich habe Fußball gespielt.“ Über Vater, Bruder und Schwester sei er dann doch beim Schießen gelandet. Axel Benfer (24), Neffe des Vorsitzenden, und Nick Benfer (20), der Sohn, sind die Nachwuchskräfte. Junge Menschen für diesen Sport zu begeistern, sei schwer, betont Ralf Benfer. Dabei habe der Verein sogar drei Waffen, die er zur Verfügung stellen kann: „Dann kann man erstmal sehen, ob es einem gefällt oder nicht.“
Und wie halten es Ordonnanzgewehr-Schützen mit dem Brauchtum? Ralf Benfer war im Jahr 2000 selbst Schützenkönig und ist bis zum 100-jährigen Bestehen des SSV Wunderthausen im Jahr 2028 noch Jubelkönig. Und Müller freut sich bereits auf das Schützenfest im Juni: „Klar sind wir dabei, deshalb machen wir das ja hier.“