Wittgenstein/Kaiserau. Westfalens Leichtathletik-Boss Peter Westermann sieht sich in der Zwickmühle. Titelkämpfe einer „geschlossenen Gesellschaft“ möchte er nicht.

Die westfälische Leichtathletik steckt in einer Zwickmühle. In einem Monat sollen mit den Landesmeisterschaften der Jugend (U20, U18, U16) im Rahmen der Ruhrgames in Bochum-Wattenscheid die ersten Titel der Sommersaison vergeben werden.

Theoretisch möglich wäre dies, sogar trotz der Bundesnotbremse – dann allerdings nur für Bundes- und Landeskader-Athleten. Selbst wenn die Corona-Inzidenzwerte massiv fallen würden und eine Öffnung für mehr Starter zulässig würde, gäbe es das Problem, dass im Vorfeld keine Möglichkeiten zur Qualifikation bestehen. In Siegen-Wittgenstein sind die Vereine zwar durchaus motiviert, etwas anzubieten, nur lässt die Rechtslage aktuell keine Wettkämpfe zu. Leistungen aus den vergangenen eineinhalb Jahren müssten herangezogen werden, um ein Starterfeld für die Westfälischen Meisterschaften zusammenzustellen, doch Sportler, die erst seit dem vergangenen Herbst einen Leistungssprung vollzogen haben, würden in die Röhre schauen.

„Die Situation ist ein großes Problem“, sagt Peter Westermann, Boss der Leichtathleten und Vizepräsident im Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW): „Im Grunde haben wir nur die Landeskader-Sportler, die vernünftig trainieren und teilnehmen können.“

Wettkämpfe einer mehr oder weniger geschlossenen Gesellschaft, bei denen sich zwei oder drei Athleten auf acht Laufbahnen verteilen, kann und will sich Westermann nicht vorstellen. „Das wären keine richtigen Meisterschaften und das macht auch keinem Athleten Spaß“, sagt der Bergkamener, der aber auch darauf verweist, dass eine Verlegung nicht ganz einfach sei.

Ein schwieriges Abwägen

Einerseits, weil die Jugendmeisterschaften am 5. und 6. Juni nicht isoliert stattfinden, sondern an die Ruhrgames und damit an verschiedene Vereinbarungen gebunden sind. Und, weil den teilnahmeberechtigten Sportler ein Vorbereitungswettkampf in Hinblick auf die Deutschen Meisterschaften fehlen würde. Aber auch, weil im Herbst die Termine eng werden könnten.

„Dann wollen auch die Kreise noch ihre Meisterschaften durchziehen, dazu sind dort noch weitere Westfälische Meisterschaften terminiert. Dass der Verband drei Wettkämpfe an einem Wochenende durchführt, bekommen wir aber nicht hin.“ Kampfrichter seien nur begrenzt zur Verfügung – und auch Trainer können sich nicht teilen.

Dennoch: Der FLVW strebt weiterhin an, für jede Altersklasse Titelkämpfe in diesem Sommer anzubieten. „Ich bin selbst etwas ratlos. Wir versuchen, für die Vereine und Athleten das beste zu machen“, sagt Westermann. „Nur, was ist das?“

Die Antwort fällt, je nachdem, wen man fragt, unterschiedlich aus. Zeit, über diese Frage nachzudenken und um die Stimmung an der Basis abzuklopfen, bleibt noch in dieser Woche. Dann tagt die Kommission Wettkampforganisation und am Dienstag, 11. Mai, der Verbands-Leichtathletik-Ausschuss.

Westermann selbst wäre eine Verlegung der Meisterschaften in den Herbst am liebsten, vorgreifen will er den Gremien allerdings nicht. Eine Ausschreibung hat der FLVW vorerst nicht veröffentlicht. Geht es nach Westermann, wird die Meisterschaft in den Herbst verlegt. Als Vorsitzender des VfL Kamen und Übungsleiter einer Trainingsgruppe weiß er um die Schwierigkeiten der Vereine. Damit, dass überall trainiert wird, rechnet er wegen der Umstände nicht.

Im Rahmen der „Notbremse“ ist Training in Fünfergruppen mit einem getesteten Übungsleiter möglich, allerdings muss es ein dokumentierter Test sein – und damit ist vor dem Training eine Fahrt zum Testzentrum oder zur Apotheke nötig. „Ob er das machen kann und will, muss jeder Übungsleiter für sich entscheiden“, so Westermann.

Schnelligkeit und Technik leiden

Auch die Trainingsqualität leide unter der Situation. „Ausdauer und Kraft kann jeder Athlet für sich zuhause trainieren, das funktioniert. Aber bei den schnellen Sachen und bei der Technik fehlt dann doch etwas“, stellt der 65-Jährige fest.

Für die Zukunft will er aus der Pandemie auch Lehren ziehen. „Wir haben gesehen, dass die Leistungen bei den wenigen Wettkämpfen, die es gab, sehr gut waren“, stellt Westermann fest: „Es lag wohl auch daran, dass die Athleten vergleichsweise motiviert waren. Aber wir müssen auch analysieren, ob die Wettkampfdichte in den Jahren zuvor nicht vielleicht zu hoch war.“