Wittgenstein. In der Corona-Krise beginnen viele Menschen wieder mit dem Fahrrad fahren. Sportmediziner Jens Hinder gibt sechs Tipps, wie der Start gelingt.
Gerade in der Corona-Krise haben viele Menschen das Fahrradfahren wieder neu für sich entdeckt. „Wenn ich unterwegs bin, sehe ich einige alte Schätzchen, die aus dem Keller geholt wurden“, sagt Jens Hinder. Der Allgemeinmediziner und Vizepräsident des Radsportverbandes NRW rät, den Neustart nicht zu übereilen, um Verletzungen zu vermeiden.
Fahrrad fahren: Sportmediziner gibt 6 Tipps für Anfänger
1. Lieber kurz und oft, statt lang und selten: „Man sollte sich nicht überfordern“, betont der 53-Jährige. Sonst würde man schnell die Motivation verlieren. Er rät, am Anfang höchstens eine Stunde Rad zu fahren, um sich nach einer längeren Pause nicht völlig zu verausgaben. „Dann fährt man lieber zwei bis drei Mal pro Woche, dafür aber jeweils nicht so lange.“ Durch ein regelmäßiges Training könnten sich auch Anfänger schnell verbessern. „Wenn man das schafft, ist das ein richtiger Motor. Dann merkt man: Es tut sich etwas bei der Leistungsfähigkeit, der Gesundheit oder der Gewichtsabnahme.“
2. Langsam anfangen: Wenn Anfänger sich zu viel vornehmen, merken sie das schnell durch Muskel- und Sehnenschmerzen, so der Mediziner. Auch um einem Muskelkater zu vermeiden, sollten sie langsam und dynamisch anfangen. So könnten Anfänger vor der ersten Tour im Freien auch erst einmal auf dem Ergometer im Fitnessstudio trainieren. „Damit bereitet man den Körper vor. Wenn man auf die Strecke geht, kommen ja noch Schwierigkeiten, wie der Verkehr oder das Gleichgewicht, dazu.“
3. Nicht zu viel oder zu wenig treten: Die optimale Trittfrequenz liegt laut dem Sportmediziner bei 80 bis 90 Umdrehungen pro Minute. „Das ist nicht zu schnell.“ Vor allem E-Bike-Fahrer würden häufig zu einer geringeren Trittfrequenz verleitet.
4. Sicherheit geht vor: Die häufigsten Verletzungen beim Radfahren sind neben Schürfwunden vor allem Schlüsselbeinfrakturen, seltener Kopfverletzungen. „Einen Helm zu tragen, ist natürlich ein absolutes Muss“, sagt Jens Hinder.
5. Fahrrad richtig ausrichten: „Wenn das Rad gut eingestellt ist, vermeide ich das Risiko, dass ich nachher Beschwerden habe“, betont der Sportmediziner. Er empfiehlt daher ein „Bike-Fitting“ mit Vermessung beim Fachhändler. Hier können etwa die Sattelhöhe oder der Abstand zum Lenker optimal angepasst werden.
6. Nutzen prüfen: Bevor sich Anfänger ein neues Rad kaufen, sollten sie sich auch überlegen, wofür sie es nutzen wollen. So gäbe es Touren- oder Fitnessräder, Travel-, Mountain- und E-Bikes – alle für ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Hinder: „Man sollte ein Fahrrad kaufen, an dem man Spaß hat. Am besten, es sieht auch noch schön aus. Dann wird es nämlich viel mehr bewegt.“
E-Bikes: Sportmediziner hält sie für eine gute Alternative
Für viele sei auch ein E-Bike eine gute Alternative. „Durch den Motor kann man bei E-Bikes die Leistungsfähigkeit, die vielleicht nicht oder nicht mehr vorhanden ist, ausgleichen“, erklärt Jens Hinder. Gerade bei Strecken, bei denen es viel auf und ab gehe – wie häufig im Kreis Siegen-Wittgenstein – sei ein E-Bike sinnvoll. „Die positiven gesundheitlichen Effekte hat man auch mit einem E-Bike: Man ist viel an der frischen Luft und bewegt sich.“ Viele Paare würden so auch mehr Spaß am Fahrradfahren finden: „Das E-Bike kann zum Couple-Safer werden: So kann der weniger leistungsfähige Partner ein E-Bike nehmen und der andere ein gewöhnliches Fahrrad.“
Generell sei das Handling bei E-Bikes am Anfang aber nicht ganz leicht, weil es schwerer als ein gewöhnliches Fahrrad ist. „Da lohnt es sich, einen E-Bike-Kurs zu belegen, um die Sicherheit zu verbessern“, sagt Hinder. Auch Trockenübungen ohne Rad auf einer Slackline oder einem Balance-Pad sind laut dem Sportmediziner ratsam, um das Gleichgewicht zu schulen.
Gesundheit: Fahrrad fahren stärkt Herz-Kreislauf-System
Wenn man langfristig dabeibleibe, wirke sich das positiv auf das Herz-Kreislauf-System und den Stresspegel aus. „Ich finde, Fahrradfahren hat etwas Meditatives“, so Hinder. Ebenso würde es Übergewicht und Bewegungsarmut entgegenwirken. „Hier geht es um die Risikokonstellationen in Richtung Herzinfarkt und Schlaganfall, die man durch das Radfahren reduzieren kann.“