Hagen. Die Westfälischen Meisterschaften der Leichtathletik-Jugend finden unter manchmal bedrückenden Rahmenbedingungen statt. Dafür passt es sportlich.

Strahlender Sonnenschein begleitete die Westfälischen Meisterschaften, von Hitze konnte aber nicht die Rede sein – schöner hätten es sich die Nachwuchs-Leichtathleten nicht wünschen können. Die weiteren Begleiterscheinungen waren weniger schön, was schon bei der Ausschreibung losging: Während die U18 und U16 ihre Meister in Hagen ermitteln durften, wurden die Titelkämpfe der U20 gestrichen.

Vor dem Eingang des Ischelandstadions waren zwei Pavillons errichtet, geschmückt mit dem Wappen des Fußball- und Leichtathletik-Verbands Westfalen. Ein Spaziergänger, vermutlich ein Großvater, der mit seinen beiden Enkelkindern das bunte Treiben beobachtet hatte, wollte sich im Stadion die Sportler anschauen. Er wurde freundlich, aber bestimmt weggeschickt.


„Leider sind Zuschauer nicht zugelassen“, sagte Winfried Vonstein. Dem leitenden Landestrainer tat es leid für die vielen Zuschauer, die er an diesem Tag abweisen musste. Doch es gibt klare Vorgaben, wie er berichtet: „Nur Athleten und Trainer dürfen auf die Anlage.“

Und so standen vor dem Stadion die Eltern und warteten auf die Rückkehr ihrer Kinder. Wie sie abgeschnitten hatten, erfuhren sie erst später – oder durch die Stimme der Moderatorin, die über die Lautsprecher durch das Geschehen führte. „Die Eltern standen am Zaun wie in einem Gefängnis“, brachte Armin Kring, Trainer des CLV Siegerland, die Situation auf den Punkt.

Kam man nach der Registrierung doch in das Stadion, zeigten mehrere Schilder an: Ab hier nur noch Einbahnstraßen-System. Man wurde über den äußeren Weg zur Gegentribüne geleitet. Die große Haupttribüne blieb geschlossen. Bei dem Wetter kein Problem, allerdings unterstrich sie das bedrückende Gefühl: Anfeuerungen, Zuschauer, stolze Eltern, die ihren Kindern zujubeln – all das gibt es dieses Mal nicht. Für Applaus mussten die Athleten selbst sorgen und für die Konkurrenz klatschen.

Leere Haupttribüne

Immerhin: Eine Siegerehrung fand, anders als vor Wochenfrist bei den Deutschen Jugendmeisterschaften, in einem gewohnten, würdigen Rahmen statt. Ebenfalls (fast) wie gewohnt stellte sich das sportliche Geschehen dar: Ob mit oder ohne Zuschauer, es wurde um jede Platzierung gekämpft.

Statt Qualifikationsnormen gab es diesmal Startplatzkontingente: zwölf Sportler pro technischer Disziplin, bis zu 24 Athleten bei den Läufen. Berücksichtigt wurden die besten Leistungen ab der Freiluftsaison 2019. Ärgerlich war in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von kurzfristigen Absagen.

Drei Titel ins Siegerland

Besonders dominant waren die heimischen Athleten bei der MJU18, wo sich zunächst der 16-jährige Niederndorfer Michel Grümbel von der CVJM Siegen SG, ein Schützling aus der großen Langenbach-Familie, den Titel über 400 m Hürden in 58,16 sek. holte und später „Silber“ über 110 m Hürden inf 15,35 sek. folgen ließ.

Einen richtig starken Wettkampf legte bei der WJU18 aber auch die gleichaltrige Müsenerin Neila Klein (LG Kindelsberg Kreuztal) hin. Im Weitsprung entschied sich der Dreikampf um die Plätze auf dem Treppchen erst im sechsten und letzten Versuch. Mit 5,68 m wurde die Nordsiegerländerin, Tochter des ehemaligen Deutschen Jugendmeisters Thomas Klein, mit „Silber“ belohnt.

Fabio Klein läuft Kreisbestzeit

Bei den U16 „galoppierten“ zwei FLVW-Pferdchen ins Siegerland. Belohnt wurde damit die Kindelsberger Neu-Entdeckung im Schulsport, die Kreuztalerin Gina Kleis (W15), mit starken 11,84 m im Kugelstoßen. Das war zugleich Saison-Bestleistung. Für einen tollen Auftritt sorgte auch die 14-jährige Jahnerin Annika Seifert, die den Speerwurf mit der neuen Kreisbestleistung von 35,56 m, bisher gehalten von Carina Born (LGK) mit 34,42 m aus 2017, klar gewann.

Über eine neue Kreisbestzeit freute sich auch Fabio Klein (TuS Deuz), der über 800 m/M14 Sechster in 2:14,25 min. (bisher 2:16,30 min. von Lorenz van Overloop/LGK aus 2013 in Gütersloh) wurde.

Elias Dickel siegt nach Startschwierigkeiten

„Bronze“-Plätze erreichten der CVJMer Patrick Langenbach im Hochsprung/M15 mit 1,65 m, die CLVer Moritz Reinsch, ebenfalls im Hochsprung/M14 mit 1,60 m, Isabella Marie Gräbener im Kugelstoßen (W14/9,75 m) sowie Lina Marike Otto (LGK) über 400 m der weiblichen Jugend WJU18.


Elias Dickel von der LG Wittgenstein war durch das Fehlen von Louis Robertz (LG Olympia Dortmund) im dreiköpfigen Hochsprung-Feld der Favorit und fand sich in einer neuen Rolle wieder. War er bislang in dieser Disziplin immer der Jäger, so war er nun als frisch gebackener Deutscher Jugendmeister (wir berichteten) der Gejagte. Dem Druck hielt Elias in Hagen aber stand: Mit 1,95 Metern fuhr er, drei Zentimeter vor Joshua Holterhoff vom TV Olpe, das begehrte „Westfalenpferdchen“ ein.

Dickel hatte anfangs Schwierigkeiten, sodass er bei 1,86 Meter drei Versuche benötigte. Auch bei 1,92 Meter musste er dreimal anlaufen, doch bei 1,95 Meter „flog“ er sofort über die auflegte Höhe, sodass er verdient den Titel gewann. „Nach meinem Titelgewinn in Heilbronn war bei mir heute die Luft raus, aber man kann ja nicht jedes Wochenende eine neue persönliche Bestleistung aufstellen. Trotzdem freue mich über die Westfalenmeisterschaft, denn sie bildet zusammen mit meinem DM-Titel einen schönen Saisonabschluss für mich“, wird der frühere Fußballspieler im Veranstaltungsbericht des FLVW zitiert.

Eigentlich waren für Dickel weitere Starts geplant, doch auf die musste er wegen kurzfristiger Zeitplanänderungen verzichten.

Ein einsamer Wettkampf

Auch Till Marburger (LG Olympia Dortmund) hatte mehrere Startoptionen, absolvierte in der U18 aber „nur“ den Stabhochsprung. Da kann’s ja bekanntlich länger dauern – so auch diesmal. Nach dem Einspringen musste der Birkelbacher fast zwei Stunden warten, ehe seine Einstiegshöhe erreicht war.

Als Marburger bei 4,40 Metern loslegte, war die Konkurrenz schon „durch“ – gleich der erste geglückte Sprung bedeutete also den Titel. Im Solo-Wettkampf entschied sich Marburger für eine Strategie der Auslassungen: Unter dem Klatschen der anderen Teilnehmer ließ er 4,50 Meter aus, packte noch die 4,60 und machte bei 4,80 weiter – mit einer neuen Bestleistung wurde es aber nichts. „Die Höhe ist aber möglich“, spürt Marburger.

Zentimeterkrimi im Kugelstoß

Bei den gleichaltrigen Mädchen zeigte Malin Böhl (TV Wattenscheid) ihr Können. Nachdem die 17-Jährige aus Christianseck mit der 3-Kilogramm-Kugel, dicht hinter der Gladbeckerin Alyssa Tagbo (13,48 m) mit 13,40 m Vizemeisterin geworden war, ließ sie später die 1000-Gramm-Scheibe im Diskuswurf auf überlegene 43,59 m segeln und holte den Titel. In Heilbronn hatte sie mit 44,16 m gewonnen. „Nach Heilbronn war es für mich schwierig, die Spannung zu halten“, sagte die Athletin von TVW-Trainerin Maike Schmidt. Ihre Diskusleistung ging für sie in Ordnung, nicht jedoch ihre Weite im Kugelstoß, wo sie klar hinter ihrer Bestmarke blieb.

Westfalenmeisterin im Diskuswurf der U18: Malin Böhl vom TV Wattenscheid.
Westfalenmeisterin im Diskuswurf der U18: Malin Böhl vom TV Wattenscheid. © WP | Michael Kleinrensing


Im Weitsprung der M14 konnte Lukas Kasusch (LG Wittgenstein) von den ersten drei Versuchen nur einen gültig setzen – die 4,74 Meter reichten aber nicht für das Finale aus. So erzielte er unter zehn angetretenen Sportlern den neunten Platz. Die 100 Meter sprintete er in 12,39 Sekunden und erkämpfte sich im 15-er Feld Platz fünf.

Die amtierende Hallen-Westfalenmeisterin der W15 im Kugelstoß, Lara Hochdörffer (LG Wittgenstein), hatte sich seit ihrem Titelgewinn am 1. März nicht mehr auf der Wettkampfbühne gezeigt. Trotzdem erhielt sie das Vertrauen ihrer Trainerin Ricarda Wied-Bernshausen, in Hagen zu starten. Mit der Leistung von 11,46 Metern zählte sie auf Rang drei der Meldeliste zu den Favoritinnen. Sie erreichte das Finale, 10,01 Meter reichten zu Platz sechs. Der Sieg ging an Gina Kleis von der LG Kindelsberg Kreuztal mit starken 11,84 Meter. Kleis ist übrigens erst dieses Jahr in die Leichtathletik eingestiegen.


Im Dreisprung der W15 blieben fünf von zwölf Startplätzen vakant. Viviane Herrmann (LG Wittgenstein) steigerte sich von ihrer Meldeleistung (8,59 Meter) auf eine neue Bestleistung von 8,96 Metern. Sie freute sich im Endergebnis über Rang sechs – ein Platz besser als in der Meldeliste.