Siegen. Das Thema Integration ist für Pascal Jüngst, den deutschen Torjäger des 1. FC Türk Geisweid, kein Busch mit sieben Siegeln.

Vor rund einem Jahr gelang dem 1. FC Türk Geisweid der Durchmarsch von der B-Kreisliga in die Bezirksliga. Möglich machte dieses kleine Fußballwunder ein 3:1-Sieg im Relegationsspiel gegen den FC Fleckenberg/Grafschaft. Es war zugleich ein Meilenstein in der Geschichte des 1979 gegründeten Vereins, dessen Mannschaft mit Spieler unterschiedlichster ethnischer Herkunft gespickt ist.


Seit drei Jahren mittendrin ist Pascal Jüngst. Der Deutsche trug mit 29 A-Liga-Trefffern maßgeblich dazu bei, dass Türk Geisweid als Tabellenzweiter die Aufstiegschance erhielt. Jüngst, der zuvor unter anderem beim SV Rothemühle und dem FC Kreuztal kickte, fiel die Entscheidung für einen Klub mit Migrationshintergrund leicht.

Ausländische Freunde

„Schon zu meiner Schulzeit hatte ich mehr ausländische Freunde“, erzählt der Stürmer. „Mit dem Großteil der Mannschaft von Türk Geisweid bin ich groß geworden. Daher kenne ich die Jungs alle und sie wissen, wie ich ticke“, blickt er auf lange Freundschaften zurück. Nach einem Probetraining wurde Jüngst nach eigenem Bekunden „mit Kusshand aufgenommen“.

Nicht nur die fußballerischen Qualitäten des Geisweiders überzeugten, sondern auch die zwischenmenschliche Ebene. „Ich fühle mich hier pudelwohl. Das ist wie eine Familie, in die ich aufgenommen wurde, wie man es sich wünscht“, sagt Pascal Jüngst, der aufgrund der Kameradschaft beim Bezirksligisten auch kürzlich wieder höherklassige Angebote ausschlug.


Die Eingewöhnungszeit, die bei seinen früheren Stationen vorhanden war, fiel beim 1. FC Türk Geisweid komplett weg. „Mit den meisten Mitspielern war ich über die Jahre stets in Kontakt, so dass wir immer voneinander gehört hatten, auch wenn wir nicht im gleichen Verein zusammen gespielt haben“, so der heute 26-Jährige.

Als Beispiel nennt er die enge Verbundenheit mit dem ehemaligen Trainer des 1. FC Türk, Selimbey Öztürk, mit dem Jüngst bereits in Kreuztal unter dem jetzigen Übungsleiter José Fernandez zusammen auf dem Feld stand. „Wir halten jeweils große Stücke aufeinander.“

Der Unterschied

Die Gemeinschaft wird bei den Geisweidern, die ihre Heimspiele und Trainingseinheiten auf dem Kunstrasen im Oberen Leimbachtal absolvieren, groß geschrieben. Auf und neben dem Sportplatz bilden die Spieler, die größtenteils türkische Wurzeln haben, eine Einheit. Nach dem Trainings und den Meisterschaftsspielen trifft man sich zum gemeinschaftlichen Essen und verbringt auch privat einige Stunden miteinander, was für die familiäre Atmosphäre sorgt.

„Das ist eben der Unterschied zu anderen Vereinen. Es ist ein anderes Gefühl und bislang habe ich mich in Geisweid am wohlsten gefühlt“, erklärt Pascal Jüngst.


Dies wirkt sich auch positiv auf die Leistungen aus. Nach einem mäßigen Start in der Bezirksliga, spielte der Aufsteiger bis zum Saisonabbruch eine ordentliche Rolle. „Am Anfang gab es noch viel Geschwätz in den Reihen. Wir haben uns als Mannschaft ohne Trainerstab zusammengesetzt und die Probleme ausgeräumt“, schildert Jüngst. „Egal wo jemand herkommt, er wird hier aufgenommen als wäre er schon Jahre dabei“, fügt er an und lobt zugleich die Integrationsarbeit des Vorstands als „sehr professionell und ehrlich“.

Jedem seine Fahne

Ein klares Zeichen setzte der Verein beispielsweise beim Aufstiegsspiel in Fleckenburg, wo von jedem Herkunftsland der Spieler eine Flagge gehisst wurde. Zwischen den Nationalfahnen von Albanien, dem Iran oder eben der Türkei flatterte auch die deutsche Fahne im Wind, symbolisch für Jüngst als einzigem Akteur ohne Migrationshintergrund.

Die unterschiedlichen Kulturen sind kein Problem. „Man interessiert sich gegenseitig für die anderen Bräuche“, meint Jüngst. Der Verein kümmere sich um die Belange der Kicker. „Sie haben stets ein offenes Ohr und bislang wurden stets Lösungen gefunden“, verteilt der Torjäger, der auch in der abgebrochenen Saison zu den besten Schützen gehörte, weitere Komplimente.

Familiäres Miteinander

In seiner Vergangenheit hat er auch schon das Gegenteil erlebt. „Es tut nicht gut, wenn man einen drüber kriegt. In Geisweid lebt der Verein vom familiären Miteinander. Für mich ist das jeden Sonntag beim Spiel wie eine Familienfeier“, erläutert Jüngst.

„Ich habe auch schon mal fünf hundertprozentige Chancen in einem Spiel liegen lassen und wurde von den Kollegen gepusht. Auch wenn man verliert, wird man aufgemuntert“, beschreibt er die positive Stimmung im Verein. Es sei im Amateurbereich schwierig, in Sachen Integration ein Zeichen zu setzen.

Dünnes Eis

„Der Fußball alleine reicht nicht. Es gibt zu viele Leute, die gegen Ausländer sind. Es ist immer ein dünnes Eis zwischen richtig und falsch“, meint Pascal Jüngst auf die Frage, welchen Beitrag der Sport zur Integration leisten kann. „Die Bezirksliga ist immer gut besucht. Aber es bekommen im Gegensatz zu den Profis, die durch das Fernsehen die größte Reichweite haben, nur die Menschen mit, die am Platz vor Ort sind“, begründet er seine Meinung.