Nenkersdorf/Grissenbach. Ein Trainingsvideo zweier Radfahrer schlägt hohe Wellen. Die hochgefährliche Situation beschäftigt inzwischen die Kreispolizeibörde.

Es ist ein Video, das zunächst in der Szene der Ausdauersportler kursierte, längst aber darüber hinaus hohe Wellen schlägt und auch die Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein beschäftigt. Ein Autofahrer macht mit seinem SUV Jagd auf einen Radfahrer, nachdem dieser ihm den Stinkefinger gezeigt hat – als Reaktion auf ein äußerst knappes Überholen bei eigentlich völlig freier Straße.

„Du gefährdest Menschenleben“, schreit der Wilgersdorfer Triathlet Markus Mockenhaupt, der das Video im Rahmen einer Trainingsfahrt aufgenommen hat, die er am Montag gemeinsam mit dem „gejagten“ Radfahrer bestritt und später bei Strava, einem sozialen Netzwerk für Ausdauersportler, mit dem Kommentar „Leben am Limit“ hochlud. Von Deuz aus fuhr das Duo eine Schleife über Walpersdorf, an der Siegquelle entlang und hinab nach Hainchen – eigentlich eine schöne und vergleichsweise verkehrsruhige Runde. Das Video zeigt den Abschnitt zwischen Grissenbach und Nenkersdorf, wo es kurz vor dem Ortsschild zur Konfrontation kommt.

80 Zentimeter statt 2 Meter Abstand

Das Video zeigt die beiden Radler und wie der rote SUV mit knappem Abstand von hinten vorbeigeschossen kommt. „Assi, ey“, kommentiert Markus Mockenhaupt, der den Überhol-Abstand auf 80 Zentimeter schätzt – vorgeschrieben sind außerorts zwei Meter. Was nicht im Video zu sehen ist: Der von hinten gefilmte Trainingspartner – die beiden Radfahrer fuhren hinter-, nicht nebeneinander – gestikuliert dem Autofahrer wütend hinterher. „Er hat den Stinkefinger gezeigt, da wollen wir ehrlich sein“, sagt der Bruder von Lauf-Ikone Sabrina Mockenhaupt. Er findet: „Das passiert im Affekt.“

In den Straßengraben gedrängt

Das Rad-Duo pedaliert weiter – und erreicht den Autofahrer, der anhält, sein Auto verlässt und den Sportlern entgegengeht, aber von ihnen umkurvt wird. Doch damit ist die Szene nicht zu Ende. Die Radfahrer fahren weiter, ehe zwanzig Sekunden später das Auto wieder heranrauscht und den Radfahrern den Weg abschneidet und sie zum Bremsen zwingt – erst rechts neben der Straße, dann sogar auf der Gegenfahrbahn, wo es den Radfahrer schließlich in den Straßengraben drängelt. „Mein Freund hat zum Glück eine sehr gute Radbeherrschung, ich wäre da wahrscheinlich gestürzt“, sagt Mockenhaupt, der betont: „Es gab da keine Vorgeschichte, wir haben den Autofahrer vorher noch nie gesehen.“

Nach einem Schnitt zeigt das Video ein Wortgefecht zwischen Mockenhaupt und dem Autofahrer, dessen Beifahrerin die Situation zu beruhigen versucht – was halbwegs gelingt. „Diskutiert“ wird unter anderem der Mindestabstand, ehe Mockenhaupt am Ende droht: „Wenn du so weiter machst, hast du eine Anzeige am Hals. Das ist Nötigung! Sieh zu, dass du Land gewinnst!“

Unbeteiligter Dritter erstattet Anzeige

Mockenhaupts Trainingspartner hat die angedrohte Anzeige zwar in Erwägung gezogen, bislang nicht gestellt – dafür aber ein unbeteiligter Dritter aus Siegen, der das Video in „Strava“ gesehen hatte. „Das war versuchter Totschlag bzw. versuchte Körperverletzung. Ist ein Offizialsdelikt. Anzeige ist raus. Finger oder nicht ist scheißegal“, begründet der User seinen Schritt.

„Es liegt eine Online-Anzeige vor, die dem Verkehrskommissariat vorliegt“, bestätigt Niklas Jankowski, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde. Nach einer ersten Einschätzung der Behörde wird wegen zu dichten Überholens, Nötigung und wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt. „Es müssen Zeugen verhört werden und es muss zunächst der Halter des Fahrzeugs ermittelt werden“, sagt Jankowski. Letzteres dürfte gelingen, da das Kennzeichen dank des Videomaterials vorliegt – es handelt sich um ein Auto mit einem Nummernschild für den Altkreis Wittgenstein (BLB).

Die Ermittlungen laufen zwar noch, nach Ansicht der Bilder stellt sich aber schon jetzt die Frage, ob der Autofahrer künftig zu Fuß gehen muss. Jankowski: „Das ist nicht gerade unwahrscheinlich.“

>> HINWEIS: Was der Pkw-Fahrer zu dem Vorfall im Siegerland sagt, ist unklar. Die WESTFALENPOST sucht den Kontakt zu ihm, um ihn Gelegenheit zu geben, seine Sicht der Dinge zu schildern. Das ist bislang aber noch nicht gelungen. (Diesen Hinweis haben wir ergänzt)

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