Erndtebrück. Nach dem Abschied von Ex-Coach Michael Müller übernimmt ein bekanntes Interims-Duo. Hintergründe und Details zur Entwicklung
Das „Abwarten und sehen, was passiert“, wie es der Sportliche Leiter Holger Lerch in der Vorwoche ausgerufen hatte, dauerte am Ende nur noch zwei Spiele. Neun Tage nach dem 0:7-Debakel des Fußball-Westfalenligisten TuS Erndtebrück beim damaligen Tabellenletzten FC Lennestadt ist am Dienstag nun Trainer Michael Müller von seinem Posten zurückgetreten.
Der 25-jährige Co-Trainer Julian Kaiser und Torwarttrainer Jörg Linker (57) sollen nun den Tabellenachten bis zum Saisonende betreuen. Das TuS-Team, das als Spitzenreiter überwinterte, hat inzwischen vor den sechs letzten Saisonspielen nur noch acht Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone.
Nach dem leichten Hoffnungsfunken beim 1:1 im Nachholspiel gegen den SC Obersprockhövel (12.) und dem „Rückschritt gegenüber Mittwoch“, wie Kaiser die 1:2-Pleite am vergangenen Sonntag gegen den Ranglisten-Vorletzten BSV Schüren einordnete, hat Müller am Montag seine Demission gegenüber Lerch angekündigt. Tags darauf teilte er dann seine Entscheidung vor dem Training auch der Mannschaft mit.
Erschreckende Negativ-Serie beim TuS Erndtebrück
Die Negativserie der Wittgensteiner ist inzwischen auf bedenkliche acht Niederlagen in den zehn Spielen seit dem letzten Hinrunden-Spieltag Ende November angewachsen. Der letztjährige Oberliga-Absteiger vom „Pulverwald“ ist in dieser Zeit von der Tabellenspitze zwischenzeitig bis auf den neunten Platz abgestürzt. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, an dem er nur durch einen Rücktritt der Mannschaft noch einen Impuls für den Rest der Saison geben könne, erklärte Müller. Er habe schon nach dem Spiel in Lennestadt aufhören wollen; viele hätte ihm da aber gut zugeredet. Nach dem 1:2 gegen Schüren („Unser schlechtester Gegner in dieser Saison“, so Müller) habe er festgestellt, dass „einfach der Ertrag für den Aufwand zu gering“ sei. Dabei hatte Müller vor Wochenfrist noch betont: „Ich bin nicht der Typ, der in den Sack haut.“
Auf der Suche nach einer Erklärung für den Absturz seiner Mannschaft führte Müller in den vergangenen Wochen immer wieder das junge Alter seiner Spieler an. Erndtebrück ist mit dem zweitjüngsten Kader in die Saison gegangen, mit zahlreichen Spielern aus dem Jahrgang 2001. Und eben die vielen Verletzungen. Was auch jetzt Co-Trainer Kaiser erklärte: „Wir haben bis in den Oktober immer mit derselben Viererkette gespielt.“ Spieler wie Admir Terzic, Julian Wienold, Shion Ueno seien nicht zu ersetzen, sagte Müller. Die Rede war zudem von einer „totalen Verunsicherung“, von schlechten Verhältnissen in der Wintervorbereitung, zu geringer Trainingsbeteiligung, aber auch von zeitweise fehlendem Zusammenhalt auf dem Platz. Müller: „Da spielte dann auch der Kopf eine Rolle, statt als Mannschaft auftreten.“
Dritte Trainer-Amtszeit für Michael Müller bei der Ersten des TuS Erndtebrück
Müller, Kapitän der Erndtebrücker Meister-Mannschaft 2011 in der damals noch als Verbandsliga bezeichneten heutigen Westfalenliga, hatte die Oberliga-Mannschaft im November 2022 als Interimstrainer übernommen, nachdem sein Vorgänger Stefan Trevisi nach einem Zerwürfnis mit Teilen des Teams zurückgetreten war. Damals sprang Müller, zuvor lange Trainer der Zweitvertretung, bereits zum dritten Mal auf dem Chefsessel seines Vereins ein. Sein Engagement wurde im vergangenen Winter vorzeitig bis 2025 verlängert.
Bereits mit Trevisi arbeitete Kaiser als Co-Trainer. Er war im Sommer 2022 als Nachfolger von Lars Birlenbach, der kurzfristig zum Regionalligisten TSV Steinbach Haiger gewechselt war, an den „Pulverwald“ geholt worden. Zuvor hatte der B-Lizenz-Inhaber mit Weiterbildungen in „Spiel-Analyse und Scouting“ und „Daten-Analyse und Kaderplanung“ als Jugendtrainer beim TSV Weißtal gearbeitet. Linker ist seit Jahren in Erndtebrück, in anderen Vereinen und in der eigenen Schule als Torwart-Trainer im Einsatz. Während der vergangenen Saison wurde er bei den Sportfreunden Siegen vom Torwart-Trainer der damaligen Regionalliga-Frauen zu deren Cheftrainer befördert. Er führte die Siegenerinnen auf den neunten Platz im Abschluss-Klassement und zum Kreispokal-Sieg. Im Sommer entschied der Verein dann, das Frauen-Team aufzulösen.
Viele Trainer-Optionen für den TuS Erndtebrück
Erndtebrücks Sportlicher Leiter Lerch hatte nach dem 1:2 gegen Schüren ein Gespräch mit dem Trainer-Team darüber angekündigt, was verändert werden müsse. Müllers Rücktritt sieht er nun „als den nötigen Impuls“, um „die Köpfe der Spieler freizubekommen“. Kaiser und Linker hätten „vielleicht andere Vorstellungen zu Trainings-Inhalten“. Unterdessen hat Lerch bereits einige Kandidaten für den Trainer-Job in der kommenden Saison im Auge. „Im Moment sind viele frei“, sagte er. Einer fehlt indes auf seiner Liste: Martin Uvira, einst Trainer beim damaligen Landesligisten VfL Bad Berleburg neben Lerch als Sportlichem Leiter. Der Vater von TuS-Spieler Marc Uvira, erklärte Lerch, habe nicht die für die Westfalenliga notwendige B-Lizenz.
Ihn hätten inzwischen zahlreiche Nachrichten, auch aus der Mannschaft erreicht, in denen sein Rücktritt bedauert wird, berichtete Müller: „Das tut schon weh.“ Lerch wollte ihm „für seine tolle Arbeit danken“. Kaiser würdigte seinen Nun-Vorgänger so: „Michael lebt den TuS.“ Und das sicher weiterhin, auch ohne Platz auf dem Sessel des Chef-Trainers.