Dormagen. Der TuS Ferndorf trägt Trauer! Trotz des Sieges in Dormagen muss die Mannschaft absteigen. Die Chronologie eines Abends, der kein Thriller wurde.
Das kleine Handballwunder ist ausgeblieben! Nach vier Jahren muss der TuS Ferndorf den bitteren Weg in die Drittklassigkeit antreten. Der 40:37 (16:16)-Sieg am letzten Spieltag beim TSV Bayer Dormagen reichte nicht, um sich noch vor den punktgleichen TV Großwallstadt zu schieben, der parallel seine Aufgabe mit einem 27:23-Sieg gegen die SG BBM Bietigheim erledigte und damit wegen der um sechs Treffer besseren Tordifferenz in der 2. Liga bleibt, die die Siegerländer am Samstagabend um kurz vor 20 Uhr verlassen mussten.
Fans sind einmalig
Noch einmal präsentierte sich die Mannschaft im Bayer-Sportpark ihren fantastischen Fans, die einen riesigen „roten“ Block gebildet hatten. In vier Großbussen und ungezählten Pkw waren die Anhänger zu diesem wichtigsten Spiel in der jüngsten TuS-Geschichte an den Rhein gereist, fast 400 waren es, die „ihre“ Mannschaft nach vorne peitschten und sich die Seele aus dem Leib schrien. Am Ende hat diese großartige Unterstützung nichts geholfen.
Emotionen pur- Das Ferndorfer Abstiegsdrama in Bildern
Als sich die gesamte TuS-Delegation aller Enttäuschung über das verpasste Ziel zum Trotz nach Spielschluss vor den Fanblock stellte und sogar Autogrammwünsche erfüllte, floss manche Träne – so wie bei TuS-Urgestein Julian Schneider, der seine Karriere zwar mit einem Sieg beendete, der sich aber wie eine Niederlage anfühlen musste. Auch andere Spieler wurden von ihren Gefühlen übermannt.
„Es ist unglaublich, dass man mit 30 Punkten absteigen muss“, rang Rutger ten Velde nach Worten über das gerade Erlebte. Der Niederländer, auch in Dormagen wieder erfolgreichster TuS-Torschütze, ist einer von mindestens acht Abgängen. Er „muss“ in der 2. Liga bleiben, denn sein neuer Arbeitgeber, der TuS N-Lübbecke, hatte zwei Tage zuvor den Klassenerhalt in der 1. Bundesliga nicht geschafft.
Ferndorfs Sportlicher Leiter Mirza Sijaric, der – für ihn ungewöhnlich – direkt hinter der Auswechselbank mitfieberte, musste sich auch erst einmal sammeln, um dann den Blick in die Zukunft zu richten: „Wer werden die 3. Liga wie ein Zweitligist angehen und den Weg der Professionalität weitergehen, vielleicht sogar noch mehr raushauen. Das sind wir alleine schon unseren tollen Fans schuldig.“ Für Torhüter Lucas Puhl, auch gezeichnet von den 60 Minuten zuvor, sagte: „Wenn man kurz vor Weihnachten nur vier Punkte hat, hat man nicht alles richtig gemacht. Trotzdem ist es nicht zu glauben, dass man mit 30 Punkten absteigen muss.“ Unserer Zeitung gegenüber kündigte „Puhlic“ an, dem TuS Ferndorf trotz des Abstiegs die Treue halten zu wollen: „Wir sind in guten Gesprächen.“
TSV Bayer Dormagen - TuS Ferndorf 37:40 (16:16)
Bayer Dormagen: Juzbasic, Simonsen (2) - Karvatski (4/2), Meuser (5), Leitz (1), Senden (8), Biernacki, I. Hüter (1), Reimer (4/1), Grgic (7), Zurga (1), P. Hüter (1), Johannmeyer, Grbavac (1), Seesing (1), Mast (1).
TuS Ferndorf: Puhl, Hottgenroth - Eres (4), Kasai (1), L. Schneider (1), Persson (3), Michel (2), Voss-Fels, J. Schneider (1), Bornemann (7), Koloper, ten Velde (11/4), Diebel (2), Neuhold (8).
Schiedsrichter: Fratczak/Ribeiro.
Zuschauer: 1581.
Rote Karte: L. Schneider (52./dritte Zeitstrafe).
Aber drehen wir die Uhr noch einmal zurück. So gut wie zeitgleich um 18 Uhr wird an den entscheidenden Schauplätzen das Fernduell um den letzten Abstiegsplatz angepfiffen. Sowohl der Bayer-Sportpark in Dormagen als auch die Untermainhalle in Elsenfeld sind sehr gut gefüllt, werden alle stets über die jeweiligen Zwischenstände des Konkurrenten informiert sein.
10. Minute: Jörn Persson gleicht für die Kreuztaler zum 5:5 aus, die in diesem wichtigsten Spiel ihrer Zweitliga-Ära gleich „volles Rohr“ gehen und nicht lange fackeln, denn jedes Tor ist an diesem denkwürdigen Abend wichtig. Im Parallelspiel legt der Gast aus Bietigheim einen guten Start hin, führt knapp.
15. Minute: Jan Reimer trifft für Bayer zum 10:9, nachdem Christoph Neuhold kurz zuvor noch zum 9:8 für seine Farben getroffen hat. Was passiert in Elsenfeld? Großwallstadt legt mit 6:5 eine dünne Führung vor. Zu diesem Zeitpunkt, nach einem Viertel des Doppel-Dramas, ist der TuS Ferndorf in die 3. Liga abgestiegen, aber in beiden Partien geht es sehr eng zu, ist nichts entschieden.
20. Minute: Ferndorf mit einem zurück, Großwallstadt mit einem zurück – die beiden Abstiegskontrahenten gehen weiter im Gleichschritt.
Im Bayer-Sportpark hat Ferndorfs Trainer Robert Andersson inzwischen reagiert und nimmt Lucas Puhl, der gegen die Dormagener Rückraumhünen wenig zu packen bekommt, von der Platte. Tim Hottgenroth kommt und wird sich mit gleich zwei parierten Siebenmetern auszeichnen. Avanciert er zum „Held des Abends“?
30. Minute: Kaum zu glauben, aber es steht in beiden Spielen nach der ersten Halbzeit Unentschieden. Großwallstadt schafft Sekunden vor der Pause das 13:13, in Dormagen krönt Rutger ten Velde seine herausragende Leistung in den ersten 30 Minuten (sieben Tore) mit dem Siebenmetertreffer zum 16:16, ehe Hottgenroth der dritte Siebenmeter-Streich gelingt, er auch den Straf- und den Nachwurf von Jan Reimer entschärft. Die zweite Halbzeit beginnt in Elsenfeld zwei, drei Minuten früher als in Dormagen.
35. Minute: Abwehrarbeit? Nie gehört. Nach diesem Motto geht es in Dormagen in die zweite Hälfte, jagt wieder ein Tor das andere. In diesen ersten Minuten setzt für Ferndorf der in die 1. Liga zum ASV Hamm-Westfalen wechselnde Andreas Bornemann Akzente. In Großwallstadt ist es ähnlich: Rückraum-Shooter Savvas Savvas netzt doppelt ein zum 17:15, die erste Zwei-Tore-Führung für den TVG.
41. Minute: Ferndorf befindet sich in seiner stärken Phase. Angetrieben von den Fans bauen Christoph Neuhold und Josip Eres die Führung auf 25:21 aus, steht jetzt auch die Abwehr näher am Mann. Am anderen Schauplatz entwickelt es sich für die Kreuztaler aber nicht gut: Bietigheim hat im Angriff große Probleme, bekommt kaum noch gute Würfe zustande. Dennoch: Beim knappen 21:19 für Großwallstadt „lebt“ die Ferndorfer Hoffnung.
50. Minute: Unweit des Rheins netzt Rutger ten Velde zum 31:28 ein, doch dieser Vorsprung ist mit Blick auf das, was sich in Elsenfeld tut, viel zu gering. Puhl ist derweil wieder für Hottgenroth zwischen die Pfosten gerückt, der sein hohes Niveau nicht in die zweite Halbzeit transportieren kann. Und: Insgesamt lässt die Ferndorfer Abwehr zu viele Dormagener Würfe aus der zweiten Reihe zu.
57. Minute: Großwallstadt hat sich gegen resignierende Bietigheimer in einen kleinen Rausch gespielt. Als Tom Jansen einen Siebenmeter verwandelt, ist der Vorsprung auf 27:21 gewachsen, der Klassenerhalt rückt für die Unterfranken in greifbare Nähe.
Jetzt hätte Ferndorf in Dormagen schon mit zwölf Treffern Differenz gewinnen müssen, doch dafür reichen Kraft und Zeit nicht, zumal Lucas Schneider sein Abschiedsspiel vorzeitig wegen der dritten Zeitstrafe beenden muss. (52.). Im Wissen, nichts mehr retten zu können, nimmt Andersson seine letzte Auszeit in dieser Zweitliga-Saison, die Resignation ist nicht nur im Spielerkreis, sondern auch im TuS-Fanblock zu spüren.
60. Minute: Schlusssirene in Großwallstadt! Der TVG hat seine Pflicht mit einem 27:23-Sieg gegen enttäuschende Bietigheimer, die dem TuS Ferndorf keine Schützenhilfe leisten konnten, erfüllt. Alles in Elsenfeld können sich sicher sein: Es klappt mit dem Klassenerhalt. Zwar hält Ferndorf in Dormagen den zwischen zwei und vier Toren pendelnden Vorsprung, doch das 40:37, das als Endstand auf der Anzeigetafel zu sehen ist, ist reinste Makulatur, ist es ein Sieg für die sprichwörtliche Tonne.